Bei der Stichwahl um das Landratsamt im Kreis Sonneberg (in Thüringen an der Grenze zu Hessen und Bayern) hat der AfD-Kandidat Robert Sesselmann knapp 53 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt und damit den von allen anderen Parteien unterstützen CDU-Kandidaten übertrumpft. Zum ersten Mal könnte somit eine Person ein kommunales Spitzenamt besetzen, deren Partei der Verfassungsschutz in Thüringen als „erwiesen rechtsextremistisch“ klassifiziert. Das Ergebnis löste weltweit Wellen aus.
Landräte stehen an der Spitze von (Land)Kreisen und des Landratsamts bzw. der Kreisverwaltung. Sie sind Organ und Hauptverwaltungsbeamter des Kreises. Oft ist „Der Landrat“ auch die untechnische Bezeichnung der von ihnen geleiteten Behörde. Landräte sind kommunale Selbstverwaltungsbehörde, leiten Sitzungen des Kreistages, verwalten das Budget der Kreise, vertreten diese nach außen usw. Meist werden sie unmittelbar von der Kreisbürgerschaft gewählt; in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein vom Kreistag.
Landräte sind daneben meist auch untere staatliche Verwaltungsbehörde und haben damit eine Doppelfunktion. Neben der kommunalen Funktion in den Kreisen nehmen die Landräte die Aufgabe der unteren oder untersten staatlichen Behörde (im Rahmen der Organleihe) wahr. Somit sind sie in den staatliche (Landes)Verwaltungsapparat eingebunden und handeln als Vertretung des (Bundes)Landes, meist auf Weisung. (In den Ländern mit Vollkommunalisierung - Niedersachsen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt - werden diese Aufgaben als übertragene Aufgaben vom Landkreis wahrgenommen).
Die Aufgaben nehmen Landräte als kommunale Wahlbeamte auf Zeit wahr. Doch: für Beamte gelten besondere Vorschriften zur Verfassungstreue (siehe dazu unseren Beitrag „Bundesweite Beobachtung der AfD – Auswirkungen im Beamtenrecht?“ vom 14.03.). Ein Landrat als direkt demokratisch gewählter kommunaler Beamter auf Zeit muss ebenso diese Voraussetzungen erfüllen. D.h., dass für ihn auch beamtenrechtliche Vorschriften, u.a. das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung (§ 33 Abs. 1, insbesondere S. 3 BeamStG) gelten.
Auch das Kommunalwahlrecht regelt dies: Nach § 28 i.V.m. § 24 Abs. 3 des Thüringer Kommunalwahlgesetzes kann nicht zum Landrat gewählt werden, „wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt. Darüber hinaus ist nicht wählbar, wer im Übrigen die persönliche Eignung für eine Berufung in ein Beamtenverhältnis nach den für Beamte des Landes geltenden Bestimmungen nicht besitzt.“ („Eignung“ ist dabei ein Begriff, der z.B. charakterliche Eigenschaften aber auch gesundheitliche Daten umfasst).
Das Landesverwaltungsamt Thüringen - welches die Rechtsaufsicht über die Kommunen und ihre Wahlen ausübt - wird im Falle von Herrn Sesselmann nun eine Prüfung einleiten, ob der Kandidat die persönliche Eignung sowie die Verfassungstreue für das Amt aufweist. Vom Kreiswahlleiter, der zuvorderst prüfen musste, wurde Sesselmann zugelassen. Gemäß § 30 Abs. 4 und 5 des Kommunalwahlgesetzes Thüringens wäre etwa die Mitgliedschaft in einer verbotenen Partei ein Hindernis, doch verboten ist die AfD nicht. Sollte das Landesverwaltungsamt nun den gewählten Kandidaten für „ungeeignet“ und „nicht wählbar“ erachten, müsste es die Wahl für ungültig erklären - die Voraussetzungen für die Wählbarkeit des AfD-Kandidaten hätten von vornherein nicht vorgelegen. Klage vor dem VG wäre gegen diese Entscheidung möglich.