Zunächst einmal müsste das Unterspritzen von Lippen und Falten eine Körperverletzung gem. § 223 StGB sein. Dies ist einfach zu bejahen, stellt doch ein solches Unterspritzen eine üble und unangemessene Behandlung dar, die das körperliche Wohlempfinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Nimmt ein Arzt diesen Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst vor, könnte man überlegen, ob nicht eine teleologische Restriktion in Betracht kommt. Allerdings setzt diese nach Auffassung der h.Lit. voraus, dass der Eingriff medizinisch indiziert ist, was bei einem Schönheitseingriff regelmäßig nicht der Fall sein dürfte.
Kommen wir damit zu § 224 StGB.
Zunächst könnte die Hyaloronsäure „Gift“ gem. § 224 I Nr. 1 StGB sein. Das Gift muss aber gesundheitsschädlich sein, was bei der niedrigen Dosierung, in welcher die Hyaloronsäure verwendet wird, nicht angenommen werden kann.
Da die Hyaloronsäure unterspritzt wird, könnte eine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs gem. § 224 I Nr.2 StGB verwirklicht sein. Als gefährliches Werkzeug gilt jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen (Schönke/Schröder-Sternberg/Lieben § 224 Rn 4). Bei medizinischen Werkzeugen wie z.B. der Spritze kommt es auf den Verwender an – Arzt, Ärztin, sonstiges medizinisch geschultes Personal oder aber Laien – sowie auf die Art des Eingriffs.
Der BGH (Entscheidung vom 28.10.2020 - 1 StR 158/20) hat die bei einer Faltenunterspritzung verwendete Spritze jüngst als gefährliches Werkzeug angesehen, da sie zum einen in sensiblen Gesichtsregionen zum Einsatz kam und im konkreten Fall von einer medizinisch nicht geschulten „Influencerin“ verwendet wurde.
Schließlich kann man noch an die das Leben gefährdende Behandlung gem. § 224 I Nr. 5 StGB denken. Hier gibt es einen Streit, ob eine generell lebensgefährdende Eignung ausreicht oder aber ob in Anbetracht der Verdoppelung des Strafrahmens eine konkrete Lebensgefahr verlangt werden muss.
Nach Meinung des BGH (a.a.O.) reicht eine generelle Eignung aus: „Eine gefährliche Körperverletzung i. S. des § 224 I Nr. 5 StGB setzt eine Körperverletzung „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ voraus. Zwar muss die Tathandlung nicht dazu führen, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät; jedoch muss die jeweilige Einwirkung durch den Täter nach den Umständen generell geeignet sein, das Leben des Opfers zu gefährden. Maßgeblich ist danach die Schädlichkeit der Einwirkung auf den Körper des Opfers im … Die vom LG getroffenen Feststellungen belegen eine solche generelle Eignung der Verletzungshandlung, das Leben des Opfers zu gefährden, nicht. Zwar kann es nach den Urteilsfeststellungen „sehr selten“ in Folge der Unterspritzung der Nase oder Nasolabialfalte mit Hyaluronsäure zu Komplikationen und schließlich einem Schlaganfall kommen. Eine generelle Eignung der Behandlung, das Leben zu gefährden, ist damit jedoch noch nicht belegt. Um die gegenüber der einfachen Körperverletzung nach § 223 I StGB höhere Strafandrohung begründen zu können, ist für die generelle Eignung der Lebensgefährdung mehr als der lediglich in „sehr seltenen“ Fällen mögliche tödliche Ausgang der Verletzungshandlung zu fordern.“
Eine gefährliche Körperverletzung ist damit nur gem. § 224 I Nr. 2 StGB tatbestandlich zu bejahen.
Auf der Ebene der Rechtswidrigkeit muss nun aber die rechtfertigende Einwilligung geprüft werden. Die körperliche Integrität ist ein einwilligungsfähiges Rechtsgut. Sofern der oder die Einwilligende einwilligungsfähig ist, der Entschluss frei von Täuschung, Drohung oder Zwang gefasst und vor dem Eingriff erklärt wurde sowie zum Zeitpunkt des Eingriffs noch fortbestand, ist der Täter gerechtfertigt, sofern auch noch in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung gehandelt wurde.
In dem vom BGH zu beurteilenden Fall hatte allerdings die Influencerin eine tatsächlich nicht vorhandene medizinische Qualifikation vorgetäuscht, weswegen die Einwilligung der Opfer nicht frei von Täuschung und damit unwirksam war. Neben §§ 223, 224 I Nr. 2 StGB hatte sich die Täterin deswegen auch gem. § 263 StGB strafbar gemacht.