Häufig wird der Wortlaut der Verfügung nicht eindeutig sein. In diesen Fällen müssen Sie auslegen.
1. Sog. erläuternde Auslegung
Zunächst sollten sie den Sinn der jeweils gewählten Worte so auslegen wie sie vom Erblasser gemeint waren (z.B. mit „Bibliothek“ meint der Erblasser in Wirklichkeit seine Weinsammlung).
2. Sog. ergänzende Auslegung
Im Wege der ergänzenden Auslegung kann der hypothetische Wille des Erblassers ermittelt werden. Dies ist der Wille, den der Erblasser gehabt hätte, wenn er ihm damals nicht bekannte Umstände gekannt und berücksichtigt hätte.
Dies ist insbesondere in Fällen nötig, in denen sich Umstände zwischen Testamentserrichtung und dem Erbfall so geändert haben, dass sich das ursprünglich verfolgte Ziel nicht mehr erreichen lässt oder verfehlt würde.
Die ergänzende Auslegung ist jedoch einem Problem ausgesetzt.
Der im Rahmen der ergänzenden Auslegung ermittelte hypothetische Wille genügt nicht den Formanforderungen an Verfügungen von Todes wegen. Es ist streitig unter welchen Umständen ein im Wege der ergänzenden Auslegung ermittelter Wille Berücksichtigung finden kann.
a. Insbesondere von der Rechtsprechung wird die sogenannte Andeutungstheorie vertreten. Der ermittelte Wille muss demnach in der Testamentsurkunde irgendwie Anklang gefunden haben.
b. Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass eine solche Andeutung nicht notwendig sei, wenn ein formgerechtes Testament errichtet worden ist.
Die Lösungsskizzen folgen in der Regel der Andeutungstheorie.