Das Büro des Bundeskanzlers a.D. wurde im Mai vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags „ruhend gestellt“, die dem Büro zugeordneten Stellen nicht mehr nachbesetzt, Stelleninhaber sollen künftig anderweitige Aufgaben wahrnehmen. Der Personenschutz durch das Bundeskriminalamt soll davon nicht betroffen sein. Die Koalition begründete die Entscheidung damit, „dass Bundeskanzler a.D. Schröder keine fortwirkende Verpflichtung aus dem Amt mehr wahrnimmt“. Die Bundesregierung wird ferner aufgefordert, „dass die Amtsausstattung ehemaliger Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler nach der fortwirkenden Verpflichtung aus dem Amt erfolgt und nicht statusbezogen“. Die Bundesregierung wurde aufgefordert bis November zu prüfen und berichten, ob weitere Regelungen notwendig sind.
Dagegen ist Gerhard Schröder nun vor das VG Berlin gezogen. Es geht um den Einsatz erheblicher öffentlicher Haushaltsmittel. So wurden zwischen 2016 und 2021 jeweils mehr als 400.000 Euro jährlich, anfangs sogar über 550.000 Euro im Jahr allein für die Unterstützung des Büros des Bundeskanzlers a.D. aufgewandt (BT-Drucks. 20/950).
Doch hat die Klage Aussicht auf Erfolg? Schon die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis erscheint fraglich. Danach hat der Kläger darzulegen, durch den Verwaltungsakt oder eine sonstige Handlung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte haben Beamte und sonstige Beschäftigte im öffentlichen Dienst grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass für ihre eigene Beschäftigung oder zur Unterstützung der ihnen übertragenen Aufgaben zusätzliche oder andere Stellen geschaffen werden müssen. Gleiches gilt wohl erst recht für einen ehemaligen Kanzler. Die Haushaltsplanung des Deutschen Bundestags kann subjektive Rechtspositionen einer nicht mehr mit Regierungsaufgaben befassten Person kaum verletzen. Subjektive öffentliche Rechte einzelner Bediensteter, Amtsträger oder Personen, die von einer Kürzung oder Änderung der zur Aufgabenerfüllung eingesetzten Mittel betroffen sein könnten, sind der Haushaltsplanung und -gesetzgebung grundsätzlich fremd. Aus einer fehlenden Anhörung, wie geltend gemacht, wird sich somit nichts anderes ergeben. Anders als im regulären Verwaltungsverfahren sind im Gesetzgebungsverfahren keine persönlichen Anhörungsrechte vorgesehen.
Auch dürfte der Bundestag der falsche Klagegegner sein. Die Büroräume am Regierungssitz werden jeweils durch die Fraktion des Bundestags bereitgestellt, aus der der Bundeskanzler hervorging. Jedoch hatte der Bundesrechnungshof (BRH) dieses Vorgehen schon im September 2018 kritisiert, da nach dessen Auffassung die Bereitstellung von Büros aus dem Fraktionskontingent gegen das Abgeordnetengesetz verstoße und eine zweckwidrige Verwendung von Fraktionsmitteln darstelle. Schon die bisherige Nutzung war daher möglicherweise rechtswidrig, und es gibt keine Gleichheit im Unrecht.
Für die Zurverfügungstellung fehlt schlechterdings eine klare Rechtsgrundlage und Definition von „fortwirkenden Verpflichtungen“ von ehemaligen Kanzlern, und in diese Wunde hatte bereits der BRH seinen Finger gelegt: In seinem Bericht vom 18.09.2018 hatte dieser die Büros von damals drei ehemaligen Bundeskanzlern geprüft und festgestellt, aus öffentlichen Mitteln finanzierte Dienstkräfte hätten dabei die Altkanzler bei privaten Erledigungen unterstützt, wurden für anderweitige Erwerbstätigkeiten eingesetzt oder waren sogar vorwiegend für dessen Ehefrau tätig. Der BRH rügte die Bundesregierung und forderte zu einer stärkeren Überwachung der Büros ehemaliger Bundeskanzler auf. Im Bericht wurde jedenfalls kein ehemaliger Bundeskanzler als Ausnahme erwähnt, der noch nennenswerte Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem ehemaligen Regierungsamt erfüllt. Soweit also nun entschieden wurde, Gerhard Schröder habe oder erfülle keine „fortwirkenden Verpflichtungen“ mehr liegt der Haushaltausschuss klar auf Linie des BRH – aber nicht nur in diesem Falle, sondern grundsätzlich müsste geprüft werden ob und inwieweit Ex-Kanzlern derartige Verpflichtungen noch nachkommen und hierfür mit Steuergeldern unterstützt werden sollten. Gerhard Schröder müsste jedenfalls in seinem Falle darlegen, dass er noch solche Aufgaben hat und erfüllt.
Einen Parteiausschluss wird es jedoch vorerst nicht geben. Die SPD-Schiedskommission hatte entschieden, dass Schröder weder die Ordnung noch die Grundsätze der Partei verletzt hat. Auf die Frage, ob Schröders Verhalten der Partei geschadet hat, kam es deshalb gar nicht mehr an. Als Verstoß gegen die Grundsätze der SPD gilt insbesondere „wenn das Gebot der innerparteilichen Solidarität außer Acht gelassen wird oder das Mitglied sich einer ehrlosen Handlung schuldig macht“. Gegen die Ordnung der Partei verstößt ein Mitglied, das beharrlich Beschlüssen des Parteitages oder der Satzung zuwiderhandelt. Mit der Mitgliedschaft in der SPD sei es unvereinbar, den kriegerischen Überfall eines Staates auf einen anderen zu rechtfertigen. Jedoch hatte Schröder erklärt, die „Sicherheitsinteressen Russlands rechtfertigen nicht den Einsatz militärischer Mittel“ und den russischen Krieg als „Fehler“ bezeichnet.
Die Freundschaft mit Putin sei dem Altkanzler ebenfalls nicht vorzuwerfen: „Der Bereich der persönlichen Freundschaftsbeziehungen gehört nach Auffassung der Schiedskommission zum höchstpersönlichen Bereich der Lebensgestaltung, so unverständlich oder wenig nachvollziehbar diese aus sozialdemokratischer Sicht auch sind.“ Schließlich beanstandete die Schiedskommission auch nicht die wohlhonorierte Mitarbeit des Kanzlers a.D. in den Gremien russischer Energie-Unternehmen. Zwar sei „wünschenswert“ gewesen, dass Schröder sich aus solchen Gremien zurückzieht, er sei hierzu als Sozialdemokrat aber nicht verpflichtet. Üblicherweise könne die Parteiordnung nur durch aktives Handeln verletzt werden, nicht durch bloßes Unterlassen. Schröder träfe keine Pflicht, sich von den russischen Unternehmen zu distanzieren.