Man spricht von alternativem Vorsatz (auch Alternativvorsatz), wenn der Täter entweder das eine oder das andere verwirklichen möchte, niemals aber beides zugleich. Beim Alternativvorsatz möchte der Täter nur eine Vollendung herbeiführen, beim Kumulativvorsatz hält er mehrere Vollendungen für möglich.
Beispiel
A gibt aus einer Waffe mit hoher Durchschlagkraft einen Schuss auf X ab und hält es dabei zugleich billigend für möglich, dass der dahinterstehende Y von demselben, den X durchschlagen habenden Projektil auch noch getroffen wird. Stirbt nun X und wird Y verletzt, dann hat sich A, dessen Vorsatz kumulativ auf die Verletzung beider Rechtsgutsträger gerichtet war, gem. § 212 StGB an X und §§ 212,22 und §§ 223, 224 I Nr. 2 und 5 an Y strafbar gemacht.
Beim kumulativen Vorsatz ist die Bestrafung des Täters aus mehreren Delikten schuldangemessen, da sein Vorsatz auch auf die Verletzung mehrerer Rechtsgüter gerichtet war. Beim alternativen Vorsatz hingegen will der Täter nur ein Rechtsgut verletzten, wobei er sich nicht sicher ist, welches er treffen wird, die für möglich gehaltenen Verletzungen aber jeweils billigend in Kauf nimmt.
Beispiel
A schlägt mit einem Hammer in Richtung der X und ihres unmittelbar hinter ihr stehenden Bruders Y. Er hält es für möglich und nimmt es billigend in Kauf, dass der Hammer eine der beiden Personen treffen und verletzen könnte. Er will jedoch nur eine der beiden Personen verletzen. Tatsächlich trifft der Hammer Y am Arm.
Der BGH hat sich jüngst (Urt.v. 14. Januar 2021 4 StR 95/20) der herrschenden Literaturauffassung angeschlossen und im obigen Beispielsfall aus beiden Delikten bestraft – einmal aus vollendetem Delikt und einmal aus Versuch.
Beispiel
A hat sich also gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 StGB an Y und gem. §§ 223, 224 I Nr. 2, 22, 23 StGB an X strafbar gemacht.
Beide Delikte stehen aufgrund der Klarstellungsfunktion des § 52 StGB zueinander in Tateinheit. Bei der Strafzumessung müsse aber, so der BGH (a.a.O.) berücksichtigt werden, dass der Handlungsunwert in Bezug auf X ähnlich wie bei einem untauglichen Versuch gering sei.
Nach einer anderen Auffassung muss berücksichtigt werden, dass der Täter nur eine Rechtsgutsverletzung wolle, auch wenn er beide in Kauf nehme. Demnach soll der Täter nur wegen des schwereren Delikts bestraft werden. (Lackner/Kühl § 15 Rn. 29; LK-Schröder § 16 Rn. 106). Eine dritte Auffassung wiederum differenziert nach dem Verhältnis der Delikte zueinander: Sofern die Delikte annähernd eine gleiche Schutzrichtung und Tatschwere haben, soll der Täter nach dem verwirklichten Delikt bestraft werden, das versuchte Delikt soll in Gesetzeskonkurrenz zurücktreten. Tateinheit hingegen soll angenommen werden, wenn das versuchte Delikt im Unrechtsgehalt wesentlich schwerer wiegt. (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 342 ff.)
Expertentipp
Bedenken Sie, dass der Alternativvorsatz nur relevant wird, wenn der Täter dolus eventualis hat, er also mit zwei Möglichkeiten rechnet (50/50). Weiß er hingegen sicher, dass der eine Erfolg eintreten werde, dann ist für einen Alternativvorsatz kein Raum.