In einem jüngst (26.04.2017) vom BGH entschiedenen Fall wurde gegen den späteren Angeklagten, damaligen Beschuldigten wegen Verdachts auf Betäubungsmittelhandel ermittelt. Aufgrund von verdeckten Maßnahmen wusste man, dass der Beschuldigte Kokain von den Niederlanden nach Deutschand bringen wollte und zwar im Auftrag eines Hintermannes, der sich zu diesem Zeitpunkt kurzzeitig im Ausland aufhielt. Zwar hätte die StA sich einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss beschaffen können, um das Auto anzuhalten und das Kokain sicherzustellen. Man befürchtete aber, dass dann der Verteidiger des Beschuldigten Akteneinsicht beantragen würde und dabei die verdeckten Ermittlungen auch gegen den Hintermann in Erfahrung bringen und diesen warnen würde, so dass eine Festnahme in Deutschland nicht mehr möglich gewesen wäre. Aus diesem Grund wurde eine allgemeine Verkehrskontrolle durchgeführt und das Kokain sichergestellt. Die Polizei wurde also nicht repressiv nach der StPO sondern präventiv nach dem Polizei- und Ordnungsrecht tätig. Der Hintermann wurde alsdann bei seiner Einreise nach Deutschand festgenommen.
Problematisch könnte die Verwertbarkeit der Beweismittel sein. Zwar sind gem. § 161 II 1 StPO die Beweismittel dann verwertbar, wenn diese rechtmäßig erhoben wurden und zur Aufklärung einer Straftat dienen, aufgrund derer eine solche Maßnahme auch nach der StPO hätte angeordnet werden dürfen (Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs). Vorliegend bestand ein Anfangsverdacht bzgl. eines Betäubungsmitteldelikts, welcher den Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung gerechtfertigt hätte. Die Voraussetzungen liegen damit grundsätzlich vor. Problematisch könnte aber sein, dass durch dieses Vorgehen der Richtervorbehalt gem. § 105 I StPO unterlaufen wurde, was zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnte. Der BGH hat dies verneint. In seiner Pressemitteilung (BGH 2 StR 247/16) führt er dazu folgendes aus:
"Der Anwendung präventiv-polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Fahrzeugdurchsuchung bereits ein Anfangsverdacht einer Straftat gegen den Angeklagten vorlag, der auch ein Vorgehen nach §§ 102, 105 StPO ermöglicht hätte. Es besteht weder ein allgemeiner Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht noch umgekehrt. Bei Gemengelagen, in denen sowohl repressives als auch präventives polizeiliches Handeln in Betracht kommt, bleiben strafprozessuale und gefahrenabwehrrechtliche Ermächtigungsgrundlagen grundsätzlich nebeneinander anwendbar........Geht die Polizei nach Gefahrenabwehrrecht vor und besteht gleichzeitig der Anfangsverdacht einer Straftat gegen den Beschuldigten, ist zur Gewährleistung eines rechtsstaatlich fairen Verfahrens vor dem Hintergrund der Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft als "Herrin des Ermittlungsverfahrens" allerdings sicherzustellen, dass diese zeitnah, wahrheitsgemäß und vollständig über die Hintergründe der polizeilichen Maßnahmen informiert wird. Nur so ist gewährleistet, dass die Staatsanwaltschaft auf einer vollständigen Tatsachengrundlage über ihr weiteres strafprozessuales Vorgehen (etwa Beantragung eines Haftbefehls) und über eine mögliche Beschränkung von Akteneinsicht entscheiden kann. Im Ermittlungsverfahren obliegt es allein der Staatsanwaltschaft zu entscheiden, ob und ggf. welche Erkenntnisse gegen den Beschuldigten wegen einer Gefährdung des Untersuchungszwecks zunächst zurückgehalten werden. Spätestens mit Anklageerhebung muss der für den Anklagevorwurf maßgebliche prozessuale Sachverhalt vollständig offen gelegt werden; dies war hier geschehen."
Sobald das Urteil im Volltext vorliegt, werden wir es bei BGH & Co besprechen.