Inhaltsverzeichnis
III. Identitätsfeststellung nach Art. 13 PAG
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Art. 13 PAG ermächtigt die Polizei zur Feststellung der Identität einer Person. Damit sind die Angaben im Umfang des § 111 OWiG gemeint.Vgl. VollzB Nr. 13.1. Art. 13 Abs. 2 PAG beschreibt dabei die möglichen Mittel der Identitätskontrolle.Berner/Köhler/Käß Art. 13 Rn. 28.
1. Übersicht über die Tatbestände des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1–4, 6 PAG
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• | Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 PAG verlangt das Vorliegen einer konkreten GefahrBerner/Köhler/Käß Art. 13 Rn. 6. oder einer drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut. |
• | Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 PAG (Razzia) stellt dagegen lediglich auf den Aufenthalt an den dort genannten Orten ab, sofern die Personen nicht offensichtlich keine Beziehungen zu den beschriebenen Tätigkeiten habenVgl. Senftl in: BeckOK PSR Art. 13 PAG Rn. 10; Wollenschläger in: Huber/Wollenschläger § 4 Rn. 102.; ob ein solcher Ort i.S.d. Nr. 2 vorliegt, hat die Polizei nach ihrer kriminalistischen Erfahrung zu beurteilen.VollzB Nr. 13.4. Ein konkreter Verdacht gegen die zu kontrollierende Person wird nicht verlangt.BayVGH BayVBl. 2013, 90. |
• | Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 PAG (gefährdete Objekte) fordert den Aufenthalt an den bestimmten Orten und Tatsachen, welche die Annahme der Begehung von Straftaten i.S.d. Hs. 2 rechtfertigen.VollzB Nr. 13.5. |
• | Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG stellt lediglich auf eine errichtete Kontrollstelle ab,Vgl. dazu die Ausführungen der VollzB Nr. 13.6.: Danach können auch solche Personen kontrolliert werden, die nicht Verantwortliche nach Art. 7/8 PAG sind und bei denen die Voraussetzungen nach Art. 10 PAG nicht vorliegen. Deshalb sollen solche Maßnahmen im Hinblick auf Art. 4 PAG auf das unumgänglich notwendige Maß beschränkt werden. Weiterhin ist erforderlich, dass die Annahme besteht, durch die Kontrollstellen können die beschriebenen Straftaten verhindert werden, wobei die Polizei auf der Grundlage ihrer kriminalistischen Erfahrungen handeln kann. sofern deren Einrichtung unter Beachtung der in der Fußnote dargestellten Anforderungen gerechtfertigt war.Die allgemeinen Verkehrskontrollen der Polizei richten sich demgegenüber nach dem StVG und der StVO. Das PAG in der Fassung vom 20. Juli 2021, in Kraft getreten am 1. August 2021, erweitert die Nr. 4 dahingehend, dass die dort bisher genannten Straftaten aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten sind (a) oder die Kontrollstelle zum Schutz von gefahrenträchtigen Großereignissen (b) oder eingebunden in spezifische polizeiliche Ermittlungsstrategien der Gefahrenabwehr (c) errichtet worden sind. Das Tatbestandsmerkmal spezifisch dient dabei der Abgrenzung zur allgemeinen Gefahrenabwehr. Polizeiliche Ermittlungsstrategien sind beispielsweise Schwerpunkteinsätze im Zusammenhang mit zeitlichen und örtlichen Kriminalitätsbrennpunkten wie serienmäßigen Wohnungseinbrüchen oder Brandstiftungen.Vgl. Wollenschläger in: Huber/Wollenschläger § 4 Rn. 104 Fn. 225. |
• | Art. 13 Abs. 1 Nr. 6 PAG nimmt auf die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 PAG Bezug und ermöglicht Handlungen zur Unterstützung und Ermöglichung des späteren gerichtlichen Verfahrens (z.B. nach einer fahrlässigen Sachbeschädigung, wenn der Schädiger sich weigert, seine Identität preiszugeben).VollzB Nr. 13.8. |
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Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG regelt die sogenannte Schleierfahndung,Berner/Köhler/Käß Art. 13 Rn. 18. welche der Polizei (gemäß Art. 5 POG insbesondere der bayerischen Grenzpolizei) im Grundsatz verdachts- und ereignisunabhängig Befugnisse zur Verhinderung der grenzüberschreitenden Kriminalität verleiht. Sie ist als Ersatz für die infolge der Europäisierung entfallenen festen Grenzkontrollen konzipiert.Berner/Köhler/Käß Art. 13 Rn. 14. Demnach fordert der Wortlaut nur den Aufenthalt an den beschriebenen Orten (Grenzgebiet, Flughafen) und das Handeln zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.
Dieses zweckgebundene Handeln ist nach Ansicht des BayVerfGHBayVerfGHE 56, 28; BayVerfGHE 59, 29 (39). im Sinne von handlungsbegrenzenden Tatbestandsmerkmalen zu verstehen.So bereits auch schon Schenke Rn. 120. Die Polizei kann nicht jede beliebige Maßnahme unter Berufung auf die genannten Ziele vornehmen, sondern muss entsprechende Lageerkenntnisse und einschlägige Erfahrungen zugrunde legen.Berner/Köhler/Käß Art. 13 Rn. 20a. Aufgrund des Eingriffs der Identitätskontrolle in die allgemeine Handlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GGVgl. dazu im Übrigen die brauchbaren Ausführungen zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei Berner/Köhler/Käß vor Art. 30 Rn. 1 ff. darf die Polizei also nicht jeden im Grenzgebiet willkürlich aufhalten, sondern nur solche Personen, die sich z.B. an typischen Schleuserübergängen aufhalten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungskonformität der Schleierfahndung grundsätzlich bestätigt.BVerfGE 150, 244 (296 ff.).
2. Die Mittel zur Ermöglichung der Identitätsfeststellung nach Art. 13 Abs. 2 PAG
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Art. 13 Abs. 3 PAG ermächtigt die Polizei, bestimmte Berechtigungsscheine zur Prüfung vorzulegen, z.B. den Waffenschein gemäß § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a WaffG oder den Fahrzeugschein nach § 11 Abs. 6 FZV. Ausweispapiere fallen dagegen bereits unter Art. 13 Abs. 2 S. 2 PAG.
Expertentipp
Auch sofern die Polizei mehrere dieser Mittel einsetzt, handelt es sich trotzdem um eine polizeiliche Primärmaßnahme der Identitätsfeststellung, innerhalb derer dann festgestellt werden muss, ob alle von der Polizei gewählten Mittel zulässig waren. In der Klausur ist also immer die Rechtmäßigkeit der Identitätsfeststellung in der Gesamtheit zu prüfen und innerhalb dessen zu fragen, ob alle ergriffenen Mittel von Art. 13 Abs. 2 PAG erfasst sind.
3. Die Verantwortlichkeit bei Art. 13 PAG
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Außer in den Fällen der Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 und 6 PAG gilt Art. 7 Abs. 4 PAG.