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Polizei- und Ordnungsrecht Baden-Württemberg - A Allgemeines

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Die bisherige Darstellung zielte darauf, im Schwerpunkt die zur Abwehr konkreter Gefahren wichtige und auch praktisch sehr bedeutsame Polizeiverfügung als Handlungsinstrument – einschließlich ihrer Durchsetzung mit Zwangsmitteln – darzustellen. Daneben existiert mit der Polizeiverordnung ein weiteres – im Übrigen auch klausurrelevantes – Instrument der polizeilichen Gefahrenabwehr, welches als Rechtssatz darauf angelegt ist, abstrakte Gefahren (auch als allgemeine Gefahren bezeichnet) abzuwehren. Die Polizeiverordnung steht allerdings nur zur Verfügung, um durch eine abstrakt-generelle Regelung für eine nicht bestimmte Vielzahl von Gefahrenlagen und potenziell Betroffener eigenständige Rechtsgrundlagen für die Gefahrenabwehr zu schaffen.Vgl. VGH Mannheim VBlBW 2003, 31; siehe auch Kenntner Öffentliches Recht Baden-Württemberg, Rn. 127. Die Polizeiverordnung ist vor allem als flexibles Instrument zu verstehen, um ortsbezogen typische Gefahrenlagen in den Griff zu bekommen.Kenntner Öffentliches Recht Baden-Württemberg, Rn. 127. Das PolG sieht hierfür eine entsprechende Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG vor.    

Hinweis

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Problematisch kann im Einzelfall die Abgrenzung zur (gefahrenabwehrenden) Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 LVwVfG sein. Als Beispiel kann die Bestimmung einer Gemeinde (als Ortspolizeibehörde) angeführt werden, die Eisfläche eines zugefrorenen Sees im Gemeindegebiet nicht zu betreten. Für diesen Fall dürfte nicht eine Polizeiverordnung nach § 17 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG, sondern (nur) eine Allgemeinverfügung gemäß § 35 S. 2 LVwVfG in Betracht kommen. Abgrenzungskriterium ist die Frage, ob es nur um die generelle Regelung einer kleinräumigen Angelegenheit (dann ist die Allgemeinverfügung das einschlägige Instrument) oder aber die gefahrenabwehrrechtliche Erfassung eines größeren Bereichs mit unterschiedlichen örtlichen Verhältnissen geht.Zutreffend so auch Kenntner Öffentliches Recht Baden-Württemberg, Rn. 127, mit Verweis auf VGH Mannheim VBlBW 1987, 377; VBlBW 1988, 168; VBlBW 1998, 25. Grundlegend zu dieser Abgrenzungsfrage BVerwG NJW 1961, 2077 („Endiviensalatfall“).

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Wie angedeutet, ist der Erlass einer Polizeiverordnung nur zulässig, wenn es um die Abwehr einer abstrakten Gefahr geht.

Nach der einschlägigen Definition handelt es sich bei einer abstrakten Gefahr – im Unterschied zur konkreten Gefahr, auf die es bei Polizeiverfügungen ankommt (siehe zur Definition oben Rn. 8, 115) – um solche Gefahrenlagen, die nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führen.

Definition

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Definition: Abstrakte Gefahr

Abstrakte Gefahr ist eine Gefahrenlage, die nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führt.

Daraus ist zu schließen, dass für die Annahme einer abstrakten Gefahr der Schadenseintritt nur regelmäßig und typischer Weise zu erwarten stehen muss, demgegenüber ein Nachweis im Einzelfall gerade nicht erforderlich ist.Kenntner Öffentliches Recht Baden-Württemberg, Rn. 132.

Expertentipp

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Die Definition der abstrakten Gefahr sollten Sie sich merken, um sie in der Klausur im Gutachten wiedergeben zu können. Sie lautet in der ausführlichen Formulierung: Eine abstrakte Gefahr liegt vor bei Sachlagen, in denen bei abstrakt-genereller Betrachtung nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen bzw. Personen bestimmte Verhaltensweisen oder Zustände typischerweise zu einer konkreten Gefahr führen können.Vgl. etwa BVerwGE 116, 347
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Wichtig anzumerken ist, dass Polizeiverordnungen – auch wenn sie lediglich der Abwehr abstrakter Gefahren dienen – stets nur zur Abwehr von Gefahren für ein polizeiliches Schutzgut erlassen werden dürfen.Kenntner Öffentliches Recht Baden-Württemberg, Rn. 128. Es kann in einer Polizeiverordnung auf der Grundlage von § 17 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG also lediglich die Abwehr von polizeirechtlich relevanten Störungen und Gefahren geregelt werden.Kenntner Öffentliches Recht Baden-Württemberg, Rn. 135.

Hinweis

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Insoweit muss man sich vergegenwärtigen, dass etwa bloße Benutzungsregelungen von kommunalen öffentlichen Einrichtungen (vgl. § 10 Abs. 2 GemO) oder Straßen, Wegen und Plätzen grundsätzlich nicht der Bestimmung durch eine Polizeiverordnung zugänglich sind.Siehe etwa VGH Mannheim NVwZ 2000, 457. Dies gilt selbst dann, wenn sie ein Verbot regeln oder, wie z.B. § 41 Abs. 1 S. 1 StrG, einen polizeilichen Bezug haben.  

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Die einschlägige Rechtsgrundlage für den Erlass einer Polizeiverordnung ist in Baden-Württemberg regelmäßig die Generalklausel nach § 17 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG, sofern sich nicht aus einer spezialgesetzlichen Bestimmung eine vorrangige Rechtsgrundlage ergibt. Mögliche spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass gefahrenabwehrrechtlicher Verordnungen finden sich etwa in § 15 Abs. 2 BestattG, Art. 297 EGStGB, §§ 9, 11 GastVO, § 19 Abs. 1 KurorteG, § 32 InfektionsschutzG, in den §§ 23 Abs. 1, 32 ff. BImSchG oder in § 21 Abs. 2 WG.So auch die Beispiele bei Ibler in: Ennuschat/Ibler/Remmert, § 2 Rn. 317; Kenntner Öffentliches Recht Baden-Württemberg, Rn. 129. In Betracht kommen diese spezielleren Ermächtigungsgrundlagen allerdings in der polizeirechtlichen Klausur eher nicht. Es wird vielmehr regelmäßig auf § 17 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG abzustellen sein, auf dessen Grundlage typischerweise RechtsverordnungenVGH Mannheim NVwZ-RR 2010, 55; siehe auch OVG Bautzen SächsVBl. 2017, 278. etwa zum Beispiel über das Anbringen von HausnummernVGH Mannheim NVwZ-RR 2012, 393., einen Leinenzwang für HundeVGH Mannheim VBlBW 2008, 134., ein TaubenfütterungsverbotVGH Mannheim NVwZ-RR 2006, 398. oder zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen RaumVGH Mannheim NVwZ-RR 2010, 55. erlassen wurden.    

 

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Ein Sonderfall besteht in Baden-Württemberg mit der speziellen Ermächtigung zum Erlass von Verordnungen zum Alkoholkonsumverbot im öffentlichen Raum. Unter dem Eindruck der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist § 18 (vorab seit 2017 bereits mit § 10a PolG a.F. umgesetzt) in das PolG eingefügt worden. Es handelt sich bei § 18 PolG um eine gegenüber der allgemeinen Verordnungsermächtigung in § 17 PolG um die speziellere Ermächtigung. In § 18 PolG sind – insbesondere, um dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu genügen – die konkreten Voraussetzungen benannt, unter denen die Ortspolizeibehörde durch Polizeiverordnung ein örtliches Alkoholkonsumverbot regeln darf. Die früher herangezogene Ermächtigung aus § 17 PolG (zuvor § 10 PolG) wird im Falle des Regelungsgegenstandes eines Alkoholkonsumverbots somit von § 18 PolG (zuvor § 10a PolG) vollständig verdrängt.

 

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§ 18 PolG ermächtigt zum Erlass eines örtlichen Alkoholkonsumverbots nur dann, wenn die nachfolgenden Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 S. 1 PolG kumulativ gegeben sind:

•     Die Belastung hebt sich in dem örtlichen Bereich, für den das Alkoholkonsumverbot ausgesprochen wurde, durch die Häufigkeit alkoholbedingter Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder deren Bedeutung von der des übrigen Gemeindegebiets deutlich ab (Nr. 1),

•     es ist dort regelmäßig eine Menschenmenge anzutreffen (Nr. 2),

•     es kann dort mit anderen polizeilichen Maßnahmen keine nachhaltige Entlastung erreicht werden (Nr. 3) und

•     es rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass dort auch künftig mit der Begehung alkoholbedingter Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu rechnen ist (Nr. 4).

 

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Nur dann, wenn alle genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine entsprechende Polizeiverordnung von ihren Tatbestandsvoraussetzungen her rechtmäßig erlassen werden (siehe hierzu auch Übungsfall Nr. 3). Überdies hat der Gesetzgeber in § 18 Abs. 2 PolG und § 18 Abs. 3 PolG weitere Vorkehrungen zur Einhaltung rechtsstaatlicher Standards, vor allem der Verhältnismäßigkeit, getroffen: So soll das Verbot auf bestimmte Tage und an diesen zeitlich beschränkt werden (§ 18 Abs. 2 PolG). Dies bedeutet („soll“), dass im Regelfall eine solche zeitliche Begrenzung vorgesehen werden muss und nur in vollkommen atypisch gelagerten Konstellationen ausnahmsweise hiervon abgesehen werden darf. Außerdem müssen Polizeiverordnungen, mit denen ein örtliches Alkoholkonsumverbot ausgesprochen wird, zwingend befristet werden (§ 18 Abs. 3 PolG).

Expertentipp

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Merksatz: Nur dann, wenn es in der Klausur um eine Polizeiverordnung zur Regelung eines Alkoholkonsumverbots geht, ist auf § 18 PolG abzustellen. In allen anderen Fällen wird es zur Abwehr abstrakter Gefahren auf § 17 PolG hinauslaufen.

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Die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Polizeiverordnung sollte sich in der Polizeirechtsklausur – da ein Rechtssatz als abstrakt-generelle Norm zu prüfen ist – an dem folgenden Schema orientieren:

 

Rechtmäßigkeit einer Polizeiverordnung

I.              Ermächtigungsgrundlage

II.             Formelle Rechtmäßigkeit

                1.            Zuständigkeit
                2.            Verfahren
                3.            Form
                4.            Verkündung

III.            Materielle Rechtmäßigkeit

                1.            Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
                2.            Wirksamkeit der Ermächtigungsgrundlage
                3.            Pflichtgemäße Ermessensausübung
                4.            Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes
                5.            Kein Verstoß gegen höherrangiges Recht

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