Inhaltsverzeichnis
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Den Maßstab für die Ermessensausübung bestimmt zunächst § 40 LVwVfG. Danach gilt, dass die Behörde, sofern sie ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln (d.h. wenn ihr Ermessen eingeräumt ist), ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat. Diese allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße und damit pflichtgemäße Ermessensausübung gelten auch und gerade im allgemeinen Polizeirecht, wenn die Polizeibehörden Polizeiverfügungen erlassen.
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Die Anforderungen an die Ermessensausübung werden durch den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit flankiert, der im Rahmen der Ermessensprüfung besonders zu berücksichtigen ist und zudem in § 5 PolG seine eigenständige polizeirechtliche Ausformung erfahren hat. So heißt es in § 5 Abs. 1 PolG, dass dann, wenn für die Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, die Polizei diejenige Maßnahme zu treffen hat, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am Wenigsten beeinträchtigt. Hier treffen Ermessensausübung und die Erforderlichkeitsprüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zusammen. Insgesamt handelt es sich um eine spezialgesetzliche Ausformung des Übermaßverbotes. Aus § 5 Abs. 2 PolG folgt schließlich, dass durch eine polizeiliche Maßnahme kein Nachteil herbeigeführt werden darf, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Hier kommt der Gedanke der Angemessenheit als Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zum Tragen, wonach ein Eingriff auch in der Gesamtschau und unter Berücksichtigung der Zweck-Mittel-Relation zumutbar sein muss.
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Die Einräumung von Ermessen findet sich in allen Rechtsgrundlagen des PolG, die die Polizei zum Eingreifen ermächtigen. Damit wird dem Opportunitätsprinzip – in Abgrenzung zum Legalitätsprinzip, das für den Bereich der Strafverfolgung gilt – im Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr zur Geltung verholfen. Die Polizei ist demnach berechtigt („kann“), Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu ergreifen; verpflichtet ist sie indes hierzu nicht. Damit verbleibt – auch zur Schonung der Grundrechte der von einer polizeilichen Maßnahme Betroffenen – der Polizei angesichts unterschiedlichster Lebenssachverhalte die Entscheidung, über das „Ob“ und das „Wie“ des Einschreitens unter Berücksichtigung der Grundsätze, die für die Ermessensausübung nach § 40 LVwVfG sowie überdies § 5 PolG gelten, im konkreten Einzelfall zu entscheiden.
Hinweis
Wichtig zu wissen ist, dass die Verwaltungsgerichte wegen § 114 VwGO nur eingeschränkt das Ermessen bzw. die Ermessensbetätigung der Polizeibehörden überprüfen können.Pautsch in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, § 40 Rn. 24. Im Unterschied zur Überprüfung der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe auf Tatbestandsebene ist die Kontrolldichte auf der Rechtsfolgenseite – beim Ermessen – darauf beschränkt, ob der handelnden Behörde Ermessensfehler unterlaufen sind. Lesen Sie daher aufmerksam einmal die – freilich kurze und eingängige – Vorschrift des § 114 VwGO, deren Kerngehalt sich gut merken lässt.
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Kommen demnach auf der Rechtsfolgenseite beim Ermessen nur Ermessensfehler in Betracht, lässt sich insoweit auf die allgemeinen Grundsätze zurückgreifen. Aus § 40 LVwVfG lassen sich somit drei Arten von ErmessensfehlernDazu Pautsch in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, § 40 Rn. 19 ff. herauslesen:
• die (komplette oder teilweise) Nichtausübung von Ermessen (sog. Ermessensnichtgebrauch),
• die Ermessensausübung auf der Grundlage gesetzesfremder Zwecke (sog. Ermessensfehlgebrauch),
• die Ermessensausübung unter Überschreitung der Ermessensgrenzen (sog. Ermessensüberschreitung).
Hinweis
Die Frage der ordnungsgemäßen – d.h. pflichtgemäßen – Ermessensausübung ist an sich eine Frage des allgemeinen Verwaltungsrechts. Verdeutlichen Sie sich die Unterschiede der einzelnen Arten der Ermessensfehler daher am Besten noch einmal anhand des Skriptes „Allgemeines Verwaltungsrecht“.