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Polizei- und Ordnungsrecht Baden-Württemberg - IV Straftaten- und Ordnungswidrigkeitenverfolgung

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Polizei- und Ordnungsrecht Baden-Württemberg

IV Straftaten- und Ordnungswidrigkeitenverfolgung

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Von Relevanz ist das Tätigwerden der Polizei – bzw. wiederum genauer: des Polizeivollzugsdienstes – zum Zwecke der Straftaten- und Ordnungswidrigkeitenverfolgung. Während oben (siehe dort unter Rn. 46) bereits eine Abgrenzung der Aufgabe der Gefahrenabwehr zur sog. Strafverfolgungsvorsorge vorgenommen wurde, geht es hier um die durch § 1 Abs. 2 PolG eröffnete Möglichkeit, dass der Polizei weitere formell-polizeiliche bzw. formell-ordnungsbehördliche Aufgaben zugewiesen werden können. Daraus ergibt sich für den Polizeivollzugsdienst die weitere Aufgabe der Straftaten- und Ordnungswidrigkeitenverfolgung. § 1 Abs. 2 PolG stellt sich daher gleichsam als landesrechtliche Umsetzung von § 163 StPO dar.

Hinweis

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Lesen Sie einmal aufmerksam § 163 StPO durch und setzen diese Vorschrift in Bezug zu der Regelung in § 1 Abs. 2 PolG. Sie ist letztlich Ausdruck des Legalitätsprinzips nach § 152 Abs. 2 StPO (ebenfalls lesen!) und betrifft das Recht und die Pflicht des ersten Zugriffs.Zeitler/Trurnit Polizeirecht für Baden-Württemberg, Rn. 95.   

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Die dargestellte Aufgabenzuweisung nach § 1 Abs. 2 PolG beschreibt die sog. Doppelzuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes. Der Polizeivollzugsdienst ist somit sowohl für die Gefahrenabwehr als darüber hinaus auch für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zuständig. Die Befugnisse zur Gefahrenabwehr ergeben sich aus dem PolG, diejenigen – außerhalb der Gefahrenabwehr – zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aus den §§ 163, 161 StPO bzw. § 53 Abs. 1 OWiG und § 152 GVG. Daraus folgen im Einzelfall mitunter Abgrenzungsschwierigkeiten.

 

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Beispiel

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Bei einem Auffahrunfall, der von A infolge Telefonierens am Steuer verursacht wurde, wird B als Fahrer des anderen PKW verletzt, so dass ein Unfallarzt gerufen und die Unfallstelle zur Vermeidung weiterer Unfälle abgesichert werden muss (Gefahrenabwehr). Zur gleichen Zeit schickt sich A an, von der Unfallstelle zu flüchten und begeht damit eine Straftat (§ 142 StGB). Der Polizeivollzugsdienst ist somit zugleich mit zwei unterschiedlichen Sphären (Gefahrenabwehr einerseits, Strafverfolgung andererseits) konfrontiert, für die er aber jeweils zuständig ist.

In einem solchen Fall der Aufgabenkollision ist der Polizeivollzugsdienst angehalten, im Wege der Abwägung von Rang und Gewicht der betroffenen Rechtsgüter und des Ausmaßes ihrer Bedrohung zu entscheiden, welcher der beiden Aufgaben im konkreten Einzelfall der Vorrang einzuräumen ist.Drews/Wacke/Vogel/Martens Gefahrenabwehr, S. 38; Zeitler/Trurnit Polizeirecht für Baden-Württemberg, Rn. 98.

Hinweis

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An dieser Stelle ist es wichtig, nicht rein schematisch vorzugehen. Das bedeutet etwa, dass der Strafverfolgung trotz des Legalitätsprinzips nicht zwangsläufig stets der Vorrang einzuräumen ist. In dem geschilderten Beispielsfall wäre etwa auch – als Teil der Gefahrenabwehr – zu berücksichtigen, wie vordringlich die medizinische Versorgung des verletzten B oder die ordnungsgemäße Absicherung der Unfallstelle zum Schutz von Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer ist.

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Weiter kommt das Vorliegen einer sog. doppelfunktionalen Maßnahme in Betracht. Dabei handelt es sich um solche polizeilichen Maßnahmen, bei denen sowohl eine Gefahr als auch der Verdacht einer Straftat gegeben ist.Zeitler/Trurnit Polizeirecht für Baden-Württemberg, Rn. 99. In diesen Konstellationen kann die Polizei ein Tätigwerden sowohl auf das Polizeirecht als auch auf das Strafverfahrensrecht stützen. Die Polizei muss im konkreten Einzelfall eine an sachlichen Gesichtspunkten orientierte Entscheidung treffen, auf welcher Rechtsgrundlage sie tätig wird. Das bedeutet, dass der jeweils handelnde Polizeibeamte vor der Durchführung der Maßnahme klären muss, ob er zum Zwecke der Gefahrenabwehr oder der Straftaten- oder Ordnungswidrigkeitenverfolgung tätig wird.

Beispiel

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Personenfeststellung; Razzia im Drogenmilieu. 

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Die Zuordnung der getroffenen Maßnahme nach ihrem äußeren Charakter entweder zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung kann mitunter Schwierigkeiten bereiten. Dies hat vor allem Folgen für die spätere Rechtsverfolgung und die damit verbundene Rechtswegeröffnung. Die Rechtsprechung und die h.M. im Schrifttum stellen zutreffend darauf ab, wo der Schwerpunkt des polizeilichen Handelns liegt.BVerwGE 47, 255 (265); OVG Berlin NJW 1971, 637; OVG Münster DÖV 1980, 574; VGH Mannheim VBlBW 1989, 16; s. auch Zeitler/Trurnit Polizeirecht für Baden-Württemberg, Rn. 102. A.A. Schenke Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 423.

 

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Daraus ergeben sich mit Blick auf die nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme die folgenden Schlüsse:

•     Ist das polizeiliche Einschreiten als Maßnahme zur Gefahrenabwehr zu qualifizieren, weil insbesondere der Schwerpunkt der Maßnahme auf dem PolG beruht, ist für die Überprüfung von deren Rechtmäßigkeit – wegen Erledigung regelmäßig im Rahmen der dann statthaften Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) – nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

•     Handelt es sich – wenigstens im Schwerpunkt – dagegen um die Überprüfung einer Strafverfolgungsmaßnahme, liegt ein sog. Justizverwaltungsakt vor, für dessen Überprüfung der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nach §§ 23 ff. EGGVG offen steht.

Expertentipp

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In der öffentlich-rechtlichen Polizeirechtsklausur wird es natürlich darauf hinauslaufen, dass eine verwaltungsgerichtliche Klage zu prüfen ist (meistens die bereits erwähnte Fortsetzungsfeststellungsklage). Deshalb wird auch der Schwerpunkt des polizeilichen Handelns auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr liegen, d.h. in der Begründetheit im Rahmen der materiellen Rechtsprüfung eine Ermächtigungsgrundlage aus dem PolG zu prüfen sein.

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Wenn – wovon in den polizeirechtlichen Klausurkonstellationen regelmäßig auszugehen ist – ein Tätigwerden der Polizei auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr gegeben ist, handelt die Polizei als Verwaltungsbehörde. Ihre Maßnahmen stellen daher im Regelfall Verwaltungsakte i.S.v. § 35 S. 1 LVwVfG dar, für deren Überprüfung die Verwaltungsgerichte zuständig sind (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO). Handelt die Polizei – z.B. bei einer auf § 107 StPO gestützten Durchsuchung – hingegen auf einer Rechtsgrundlage des Strafverfahrensrechts, wird sie nicht als Verwaltungsbehörde, sondern funktionell als Justizbehörde tätig.So zutreffend auch Zeitler/Trurnit Polizeirecht für Baden-Württemberg, Rn. 106 Fn. 15.

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