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Das allgemeine Polizeirecht, wie es zuvor gerade beschrieben wurde, ist vom besonderen Polizeirecht abzugrenzen. Das besondere Polizeirecht ist dadurch gekennzeichnet, dass es der Abwehr spezifischer Gefahren dient. Hierfür bedarf es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage in einem besonderen Gefahrenabwehrgesetz. Das bedeutet, dass die Gebiete, die zum besonderen Polizeirecht zählen, in einem eigenständigen Gesetz geregelt sind. Die Zahl dieser klassischen Gebiete der sog. Eingriffsverwaltung ist recht groß, wie sich an der Vielzahl von gesetzlichen Regelugen ablesen lässt. Zu diesen besonderen Gefahrenabwehrmaterien gehören, um nur einige besonders typische Gebiete zu nennen:
- das Gewerberecht zur Abwehr gewerbespezifischer Gefahren (insbesondere geregelt in der GewO, im GastG und weiteren Gewerbegesetzen),
- das Bauordnungsrecht zur Abwehr bauspezifischer Gefahren (geregelt in der LBO),
- das Straßenverkehrsrecht zur Abwehr straßenverkehrsspezifischer Gefahren (geregelt im StVG und der StVO),
- das Infektionsschutzrecht (geregelt im IfSG), v.a. im Zusammenhang mit der Abwehr der 2020 aufgetretenen Corona-Pandemie Dazu etwa Pautsch/Haug NJ 2020, S. 281 ff.
Weitere Gebiete des besonderen Polizeirechts sind überdies das Ausländerrecht, das Versammlungsrecht und das Umweltrecht.Zeitler/Trurnit Polizeirecht für Baden-Württemberg, Rn. 1.
Hinweis
Hier klicken zum AusklappenIn der Klausur bedeutet dies, dass bereits im Rahmen der Ermittlung der richtigen Ermächtigungsgrundlage zu prüfen ist, ob ggf. spezielleres Polizeirecht existiert, das der Abwehr einer spezifischen Gefahr dient. Dann ist das allgemeine Polizeirecht des PolG nicht anwendbar, sondern es ist ausschließlich auf das speziellere Gesetz abzustellen.
Das allgemeine Polizeirecht ist in erster Linie darauf ausgerichtet, konkrete Gefahren abzuwehren. Es hat eine im Wesentlichen präventive Funktion.
Beispiel
Hier klicken zum AusklappenA hat sein bei der Straßenverkehrsbehörde abgemeldetes Auto auf der Rasenfläche seines Grundstücks dauerhaft abgestellt. Das Auto rostet vor sich hin, und es drohen umweltschädliche Substanzen auszutreten und in das Erdreich einzudringen. Hier ist die zuständige Polizeibehörde durch die Ermächtigungsgrundlagen des allgemeinen Polizeirechts in die Lage versetzt, gegenüber A einzuschreiten.
Wenn die Polizeibehörde feststellt, dass sich die allgemeine Gefahr bereits realisiert hat, stehen ihr erst recht Handlungsbefugnisse gegenüber dem Störer zur Seite. Es gehört somit auch zu den Aufgaben der allgemeinen Gefahrenabwehr nach dem PolG, dass die Behörde bereits eingetretene Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung beseitigt.
Beispiel
Hier klicken zum AusklappenWenn die umweltschädlichen Substanzen bereits in den Erdboden eingedrungen sind, kann die zuständige Polizeibehörde gegenüber A auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts anordnen, dass die Gefahr zu beseitigen sei, etwa durch Aushub des kontaminierten Bodens, sofern nicht eine spezialgesetzliche Vorschrift (z.B. nach dem BBodSchG) in Betracht kommt.
Ebenfalls gehört es zum allgemeinen Polizeirecht und damit zu den Aufgaben der allgemeinen Polizeibehörden, zum Zwecke der sog. Gefahrenvorsorge tätig zu werden. Es ist als Teil der Aufgabe der Gefahrenabwehr anzusehen, dass Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bereits im Vorfeld verhindert werden und der Entstehung künftiger Gefahren vorgebeugt wird.Zeitler/Trurnit Polizeirecht Baden-Württemberg, Rn. 76.
Beispiel
Hier klicken zum AusklappenDie Polizei veranstaltet Informationsveranstaltungen, die dazu dienen, etwa die Gefahr von Einbruchsdiebstählen durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu minimieren.
Um den Polizeibehörden im Einzelfall eine rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Anforderungen entsprechende Grundlage für ein Einschreiten zum Zwecke der Gefahrenabwehr an die Hand zu geben, sieht das PolG unterschiedliche Ermächtigungsnormen vor. Diese sind für das primäre Einschreiten zum Zwecke der Abwehr einer (konkreten) Gefahr zu unterteilen in die folgenden Kategorien:
• die sog. polizeilichen Standardmaßahmen (§§ 27 ff. PolG) und
• die polizeiliche Generalklausel (§§ 1 Abs. 1, 3 PolG).
Hinweis
Hier klicken zum AusklappenFür das Verhältnis von polizeilichen Standardmaßnahmen und polizeilicher Generalklausel kommt der wichtige Spezialitätsgrundsatz „lex specialis derogat legi generali“ zum Tragen. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine der polizeilichen Standardbefugnisse (also eine Standardmaßnahme) vor, dann geht diese Standardermächtigung als speziellere Regelung (lex specialis) der – im Übrigen ja auch so bezeichneten – Generalklausel nach §§ 1 Abs. 1, 3 PolG als allgemeinerer Regelung vor.