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Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen - bb) Akteneinsichtsrecht nach § 55 Abs. 5 S. 1 GO

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Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen

bb) Akteneinsichtsrecht nach § 55 Abs. 5 S. 1 GO

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Nach § 55 Abs. 5 S. 1 GO ist jedem Ratsmitglied vom Bürgermeister Akteneinsicht zu gewähren, sofern die Akten der Vorbereitung oder der Kontrolle von Beschlüssen des Rates oder des Ausschusses dienen, dem es angehört. Die Akteneinsicht darf dem Ratsmitglied nur verweigert werden, soweit ihr schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen.

Diese einschränkenden Voraussetzungen gelten dem Wortlaut nach nicht, wenn eine Fraktion oder ein Fünftel der Ratsmitglieder oder gar der Rat als Ganzes nach § 55 Abs. 4 S. 1 GO Akteneinsicht begehrt.

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Ein fraktionsloses Ratsmitglied beantragt beim Bürgermeister nach § 55 Abs. 5 S. 1 GO die Einsicht in Dienstpostenbewertungen (abstrakte Bewertung ohne namentliche Zuordnung) der bei der Gemeinde vorhandenen Personalstellen. Auf der Tagesordnung der nächsten Ratssitzung ist eine Beschlussfassung über die Haushaltssatzung vorgesehen. Die Haushaltssatzung enthält auch die Festsetzung des Haushaltsplanes. Anlage des Haushaltsplanes ist der Stellenplan, der die tatsächlich besetzten Stellen der Gemeindeverwaltung ohne namentliche Zuordnung enthält. Der Bürgermeister möchte dem Ratsmitglied die Akteneinsicht nicht gewähren, weil es sich um „vertrauliche Personalangelegenheiten“ handele und zu befürchten sei, dass das Ratsmitglied diese „in der Gemeinde herausplaudere“.

Das Ratsmitglied hat einen Anspruch auf Einsicht in die Dienstpostenbewertung nach § 55 Abs. 5 S. 1 GO, wenn diese der Vorbereitung eines Ratsbeschlusses dient und ihr schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter nicht entgegenstehen. Die Einsichtnahme in die Dienstpostenbewertung dient der Vorbereitung über die Beschlussfassung des Haushaltsplanes inklusive des Stellenplans. Anhand der Dienstpostenbewertung kann sich das Ratsmitglied ein Bild davon machen, ob die tatsächliche Besoldung bzw. Vergütung auch anforderungsgerecht erfolgt. Es bleibt die Frage, ob schutzwürdige Belange der Stelleninhaber zu erkennen sind. Diese können sich aus Grundrechten, datenschutzrechtlichen Bestimmungen oder aus der Gemeindeordnung ergeben. Im vorliegenden Fall können zwar die stellenscharfen Dienstpostenbeschreibungen Rückschlüsse auf den Stelleninhaber zulassen. Allerdings bewegt sich der Eingriff mit Blick auf den Informationsgehalt dieser Daten auf niedrigster Stufe. Es geht hierbei zum einen nicht um Personaldaten aus dem inneren Bereich des Fürsorgeverhältnisses zwischen der Gemeinde und ihren Beamten (z.B. Beihilfe- oder Personalakten). Hinzu kommt, dass sich bei Beamten die aktuelle Besoldung bereits aus der Amtsbezeichnung des Betroffenen in Verbindung mit der gesetzlich geregelten Besoldungsordnung ergibt und damit weniger schutzbedürftig ist als in privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnissen. Schließlich ist auch das akteneinsichtsnehmende Ratsmitglied nach § 43 Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 GO zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dem Ratsmitglied ist deshalb die begehrte Akteneinsicht zu gewähren.OVG NRW Beschluss vom 22.5.2013 – 15 B 556/13 –, KommJur 2013, 416.

Dem Wortlaut nach knüpft § 55 Abs. 4 S. 1 GO die Gewährung von Akteneinsicht für Fraktionen an keine besonderen materiellen Voraussetzungen. Gleichwohl besteht dieses Akteneinsichtsrecht aufgrund der Einheit der Rechtsordnung nicht unbegrenzt. Es kann durch zumindest gleichrangige gesetzliche Regelungen über den Schutz von Daten beschränkt oder gar ausgeschlossen werden.OVG NRW Urteil vom 6.11.2018 – 15 A 2638/17 –, juris.


Beispiel

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OVG NRW Urteil vom 6.11.2018 – 15 A 2638/17 –, juris.Eine Fraktion im Rat der Gemeinde beantragt beim Bürgermeister, ihr über ein Fraktionsmitglied, Einsicht in die Gewerbesteuerakten der dreißig größten Gewerbesteuerzahler der Gemeinde zu gewähren. Durch eine nähere Kenntnis der Art der Betriebe könne eine Strategie entwickelt werden, mit deren Hilfe die Gemeinde zielgerichtet als Wirtschaftsstandort attraktiv gemacht werden könne. Der Bürgermeister lehnt das Akteneinsichtsrecht mit Hinweis auf das Steuergeheimnis aus § 30 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1c) aa) Kommunalabgabengesetz NRW (KAG NRW) ab.

Die von der Fraktion erhobene Klage ist als allgemeine Leistungsklage im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens zulässig. Die Fraktion ist insbesondere im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie geltend machen kann, durch die Ablehnung ihres Akteneinsichtsbegehrens durch den Beklagten in ihrem (teil-)organschaftlichen Recht aus § 55 Abs. 4 S. 1 Var. 3 GO verletzt zu sein.

Die Klage ist aber unbegründet, da die Fraktion keinen Anspruch auf Einsicht in die Gewerbesteuerakten hat. Ihrem Akteneinsichtsbegehren steht vielmehr das Steuergeheimnis entgegen. Der Bürgermeister und die in seinem Steueramt Beschäftigten sind als Amtsträger im Sinne des § 30 AO zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet. Zudem enthalten die beim Bürgermeister vorhandenen Gewerbesteuerakten auch durch das Steuergeheimnis geschützte Daten (Betriebstyp, Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamtes, Stundungsfragen, Zahlungsverhalten etc.). Diese würde der Bürgermeister der Fraktion widerrechtlich offenbaren, wenn er ihr die beanspruchte Akteneinsicht gewährte. Offenbaren in diesem Sinne ist die Offenlegung eines noch bestehenden Geheimnisses, dass ein Dritter nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht in dieser Form sicher kennt. Auch ein Ratsmitglied ist gegenüber dem Steuerakten führenden Amtsträger (Bürgermeister und Beschäftigte des Steueramtes) ein nicht berechtigter „Dritter“. Die Offenbarung geschähe auch unbefugt, da Ratsmitglieder insbesondere keine selbst durch das Steuergeheimnis verpflichteten Amtsträger sind. Sie sind nicht mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut, die über ihre Mandatstätigkeit hinausgehen.Vgl. zur fehlenden Amtsträgereigenschaft von Ratsmitgliedern: BGH Urteile vom 12.7.2006 – 2 StR 557/05 –, juris, Rn. 9 und vom 9.5.2006 – 5 StR 453/05 –, juris, Rn. 22 ff.

Die Vorschriften über das Akteneinsichtsrecht enthalten keine Regelungen darüber, ob die Anspruchsberechtigten anlässlich oder anstatt der Akteneinsicht von den Akten Ablichtungen fertigen (lassen) können. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ein solches Recht vom Akteneinsichtsrecht nicht umfasst ist. Vielmehr ist es – ebenso wie im Anwendungsbereich des Akteneinsichtsrechts im allgemeinen Verwaltungsverfahren (§ 29 VwVfG NRW)Vgl. hierzu Sächsisches OVG Beschluss vom 31.5.2011 – 4 A 2/10 –, juris Rn. 4; Bonk/Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 29 Rn. 30. – trotz Fehlens einer ausdrücklichen Regelung anerkannt, dass der Bürgermeister nach pflichtgemäßen Ermessen die Fertigung von Ablichtungen zulassen kann. Hiermit korrespondiert ein entsprechender Anspruch auf fehlerfreie Ermessenausübung, der sich je nach den Umständen des Einzelfalls auch zugunsten des Betroffenen zu einem Anspruch verdichten kann. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn es sich um sehr umfangreiche und komplexe oder auch in einer anderen Sprache abgefasste Verwaltungsvorgänge handelt.In Einzelfällen wurden die Voraussetzungen bejaht von VG Gelsenkirchen Urteil vom 18.12.2013 – 15 K 2741/11 – juris (rechtlich und tatsächlich komplexe sowie umfangreiche Vertragsakte in englicher Sprache), bwz. verneint von VG Aachen Beschluss vom 25.8.2014 – 4 L 492/14 –, juris (Aktenvermerk über eine Besprechung zum Thema der Änderung eines Flächennutzungsplanes).

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