Inhaltsverzeichnis
G. Heilung von Verfahrens- und Formvorschriften
309
Wurden Satzungen unter Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften erlassen, führt dies nicht per se zu ihrer Unwirksamkeit. Vielmehr statuiert § 4 Abs. 4 GemO einen allgemeinen Heilungstatbestand, nach dem Satzungen ein Jahr nach Bekanntmachung trotz Verfahrens- oder Formfehler als „von Anfang an gültig zustande gekommen“ gelten.
Expertentipp
Typische Verfahrens- und Formvorschriften, die Ihnen in der Klausur begegnen können sind die Regelungen über
• | die Einberufung der Gemeinderatssitzung (§ 34 GemO), |
• | den Geschäftsgang (§ 36 Abs. 2 GemO), |
• | die Beschlussfassung (§ 37 GemO), |
• | die Befangenheit (§ 18 GemO), |
• | das Zusammenwirken von Gemeinderat und Ausschuss (§ 39 Abs. 2 und 4 GemO). |
310
§ 4 Abs. 4 GemO dient damit der Rechtssicherheit. Sachlich beschränkt ist die Regelungswirkung der Vorschrift auf „Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzes oder auf Grund dieses Gesetzes“. Nicht der Heilung unterliegen folglich Fehler, die aus anderen Rechtsbereichen resultieren. Ausgeschlossen ist ferner eine Heilung von Satzungen, die unter Missachtung von Vorschriften über die Öffentlichkeit der Sitzung zustande gekommen sind, da der Gesetzgeber dem Öffentlichkeitsgrundsatz eine überaus hohe Bedeutung zumisst. Gleiches gilt bei Verstößen gegen die Genehmigungspflicht oder die Bekanntmachung.
311
§ 4 Abs. 4 Nr. 2 GemO schließt darüber hinaus eine Heilung in den Fällen aus, in denen der Bürgermeister dem Beschluss des Gemeinderats wegen Gesetzeswidrigkeit widersprochen hat oder die Rechtsaufsicht eine entsprechende Beanstandung vornimmt. Schließlich kann die Heilung ebenfalls nicht eintreten, wenn ein Bürger einen Verfahrens- oder Formfehler gegenüber der Gemeinde binnen Jahresfrist schriftlich rügt. Eine besondere Rügebefugnis – etwa ein Betroffensein von der gerügten Satzung – ist nicht erforderlich. Wurde eine Rüge i.S.d. § 4 Abs. 4 Nr. 2 GemO erhoben (gleich ob durch den Bürgermeister, die Rechtsaufsicht oder durch einen Dritten), kann fortan jedermann die gerügten Mängel geltend machen.
Voraussetzung für die Heilungswirkung des § 4 Abs. 4 GemO ist ein entsprechender Hinweis hierauf bei der Bekanntmachung (§ 4 Abs. 4 S. 4 GemO). Fehlt dieser, kann keine Heilung eintreten.
Nur unwesentliche Verfahrensverstöße stehen der Wirksamkeit einer Satzung unabhängig von § 4 Abs. 4 GemO nicht entgegen, sofern sie keine Auswirkung auf den Satzungsinhalt haben.
Beispiel
Fehlende Nennung der Ermächtigungsgrundlage.
BVerfG NJW 1974, 2301.