Inhaltsverzeichnis
B. Bürger
I. Begriff
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Definition
Bürger
Bürger der Gemeinde ist, wer Deutscher i.S.d. Art. 116 GG oder Unionsbürger ist, das 16. Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde wohnt, d.h. dort seinen Hauptwohnsitz hat (§ 12 Abs. 1 GemO).
Bei der Fristberechnung der Dreimonatsfrist ist § 12 Abs. 4 GemO zu beachten. In Anlehnung zu den Regelungen des Wahlrechts (z.B. § 12 BWG) ist dort normiert, dass der Tag der Wohnungsaufnahme in die Frist einzubeziehen ist.
Beispiel
Wenn der Einzug in die Wohnung am 5. Juli erfolgt, ist die Frist des § 12 Abs. 1 GemO mit Ablauf des 4. Oktober erfüllt, mithin ist – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – der Bürgerstatus am 5. Oktober erlangt.
Bürger sind demnach Einwohner, welche die genannten, besonderen „Qualifikationsmerkmale“ des § 12 Abs. 1 GemO erfüllen.
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Der Rechte- und Pflichtenkreis der Bürger umfasst den der Einwohner. Darüber hinaus haben Bürger aber auch weitergehende Bürgerrechte und -pflichten. Die wohl bedeutendsten Rechte eines Gemeindebürgers sind das aktive und passive Wahlrecht zu Gemeindewahlen (Rn. 151 ff.) sowie das Stimmrecht in sonstigen Gemeindeangelegenheiten (§ 14 GemO), die Mitwirkung bei Bürgerentscheid und -begehren (§ 21 GemO, Rn. 84 ff.). Typische Bürgerpflicht ist die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit (§ 15 GemO, Rn. 63 ff.).
II. Ehrenamtliche Tätigkeit – § 15 GemO
1. Pflicht zur ehrenamtlichen Tätigkeit
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Definition
Ehrenamtliche Tätigkeit
Eine ehrenamtliche Tätigkeit i.S.d. GemO liegt vor, wenn ein Bürger der Gemeinde unentgeltlich und außerhalb eines Dienstverhältnisses bei der Erfüllung öffentlicher kommunaler Aufgaben mitwirkt.
Die Gemeindeordnung differenziert drei Arten der ehrenamtlichen Tätigkeit, nämlich die Wahl zum Gemeinde- oder Ortschaftsrat, das gemeindliche Ehrenamt (= längerfristige Ausübung von bestimmten Verwaltungsangelegenheiten als Ehrenbeamter, z.B. als ehrenamtlich tätiger Bürgermeister, § 42 Abs. 2 GemO) sowie die ehrenamtliche Mitwirkung (= Erledigung einzelner Aufgaben, ohne als Gemeinde- oder Ortschaftsrat oder Ehrenbeamter tätig zu sein, z.B. als ehrenamtlicher Wahlhelfer).
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Expertentipp
Lesen Sie § 16 Abs. 1 GemO, damit Sie ein Gespür für die „wichtigen Gründe“ i.S.d. § 16 GemO entwickeln.
Nach § 15 GemO besteht die Pflicht des Bürgers, ein Ehrenamt anzunehmen und für eine bestimmte Zeit auszuüben. In Ansehung dieses Grundsatzes kann ein Bürger die ehrenamtliche Tätigkeit, zu der er z.B. durch Wahl bestimmt wurde, nur aus wichtigem Grund ablehnen. Wann ein solch wichtiger Grund vorliegt, regelt der nicht abschließende („insbesondere“) Katalog des § 16 Abs. 1 GemO. Grundsätzlich gilt: Einen wichtigen Grund wird man bejahen können, wenn objektiv feststellbare Umstände aus der persönlichen Sphäre des Bürgers ihm die weitere Ausübung des Ehrenamtes unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse unzumutbar machen. Die bloße Unlust auf die Ausübung des Ehrenamtes reicht für eine Ablehnung eben so wenig aus wie ein Streit mit dem Bürgermeister oder eine Niederlage bei einer Abstimmung.
BeckOK KommunalR BW/Fleckenstein GemO § 16 Rn. 18.Expertentipp
Bitte beachten Sie bei Ihrer Beurteilung, ob ein nicht in § 16 GemO ausdrücklich genannter Grund für die Ablehnung einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausreichend ist, dass dieser „sonstige Grund“ von gleichem Gewicht wie die in § 16 Abs. 1 GemO ausdrücklich genannten Gründe sein muss.
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Die Pflichten, die mit einem Ehrenamt verbunden sind, ergeben sich aus § 17 GemO: Wer zur ehrenamtlichen Tätigkeit berufen wurde, muss die ihm übertragenen Geschäfte uneigennützig und verantwortungsbewusst führen (§ 17 Abs. 1 GemO). Er darf folglich bei dieser Tätigkeit nicht auf eigene Vorteile bedacht sein noch die Vermeidung der ihn betreffenden Nachteile im Sinn haben. Darüber hinaus ordnet § 17 Abs. 2 GemO eine Verschwiegenheitspflicht für die Fälle an, in denen eine solche gesetzlich vorgeschrieben, besonders angeordnet oder ihrer Natur nach erforderlich ist.
Beispiel
§ 35 Abs. 2 GemO ordnet eine Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf nichtöffentliche Gemeinderatssitzungen an, die so lange andauert, bis der Bürgermeister hiervon entbindet oder die in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse in einer öffentlichen Ratssitzung bekannt gegeben worden sind. § 39 Abs. 5 GemO sieht eine Verschwiegenheitsregelung für beschließende Ausschüsse vor.
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In finanzieller Hinsicht haben ehrenamtlich Tätige Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen und ihres Verdienstausfalls (§ 19 GemO). Die Einzelheiten zur Entschädigung sind durch gemeindliche Satzung zu regeln.
2. Vertretungsverbot – § 17 Abs. 3 GemO
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Eine sowohl für die Klausur wie auch für die Praxis wichtige Norm, welche die ehrenamtliche Tätigkeit im Einzelfall einschränkt, ist § 17 Abs. 3 GemO. Der das Ehrenamt ausübende Bürger darf Ansprüche und Interessen eines anderen gegen die Gemeinde nicht geltend machen, soweit er nicht als dessen gesetzlicher Vertreter handelt. Man spricht insoweit von einem Vertretungsverbot.
a) Inhalt des Vertretungsverbots
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Sinn und Zweck des kommunalrechtlichen Vertretungsverbots ist, den Gemeinderat und damit die Gemeindeverwaltung von allen Einflüssen freizuhalten, die eine objektive, unparteiische und einwandfreie Führung der Gemeindegeschäfte gefährden könnten. Es soll verhindern, dass Mitglieder von Gemeindevertretungen ihren politischen Einfluss in der Gemeindeverwaltung zugunsten der von ihnen vertretenen Personen ausnutzen und ihre berufliche Tätigkeit in Widerstreit mit den von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen gerät. Betroffen sind vom Vertretungsverbot in praxi insbesondere Gemeinderäte, die hauptberuflich als Rechtsanwälte oder Steuerberater tätig sind, wenn sie die Interessen ihrer Mandanten gegenüber der Gemeinde geltend machen sollen.
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Die Begriffe „Ansprüche“ oder „Interessen“ i.S.d. § 17 Abs. 3 GemO sind weit auszulegen. Bei den Ansprüchen i.S.d. § 17 Abs. 3 GemO kommt es nach allgemeiner Meinung nicht darauf an, ob diese privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind oder ob sie sich auf den weisungsfreien oder weisungsgebundenen Bereich der Gemeinde beziehen (zur Differenzierung vgl. Rn. 47 ff.). Die Geltendmachung von Interessen ist dann anzunehmen, wenn Belange gegenüber der Gemeinde durchgesetzt werden sollen, auf die gerade kein Anspruch besteht.
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Zu beachten ist der eingeschränkte personelle Anwendungsbereich des § 17 Abs. 3 GemO: das Vertretungsverbot greift nach dem klaren Wortlaut der Norm nur dann, wenn die Vertretung eines Dritten durch den ehrenamtlich Tätigen im Raume steht; macht der das Ehrenamt Ausübende eigene Ansprüche oder Interessen geltend, ist dies nicht durch § 17 Abs. 3 GemO untersagt.
b) Entscheidung über das Vertretungsverbot
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Ob ein Vertretungsverbot vorliegt, entscheidet bei Gemeinde- und Ortschaftsräten der Gemeinderat (nicht der Ortschaftsrat!), im Übrigen der Bürgermeister (§ 17 Abs. 3 S. 3 GemO). Die Feststellung über das Vorliegen eines Vertretungsverbots stellt einen Verwaltungsakt dar, der verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist.
Wird gegen § 17 Abs. 3 GemO verstoßen, kann ein Ordnungsgeld verhängt werden (§ 17 Abs. 4 i.V.m. § 16 Abs. 3 GemO, § 9 DVO GemO). Hingegen sind Rechtshandlungen, die unter Missachtung des Verbots vorgenommen wurden, wirksam.
3. Ausschluss wegen Befangenheit – § 18 GemO
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§ 18 GemO verbietet es dem ehrenamtlich tätigen Bürger, an Entscheidungen, die ihm oder einer in § 18 Abs. 1 und 2 GemO genannten Person einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen, mitzuwirken. Einzelheiten zur Befangenheit werden im Zusammenhang mit der Gemeinderatssitzung erläutert (Rn. 262 ff.).