Insolvenzrecht

Die strategische Unternehmensinsolvenz - Vorbereitungsphase

C. Zuständigkeit des Insolvenzgerichts

I. Sachliche Zuständigkeit

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Hinweis

§ 2 InsO und § 3 InsO enthalten alle relevanten Informationen zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit. Kommentieren Sie Art. 3 EuInsVO neben § 3 InsO, sofern die Prüfungsordnung Ihres Bundeslandes dies erlaubt.

Die sachliche Zuständigkeit ist in § 2 InsO geregelt. Für Insolvenzverfahren ist gem. § 2 Abs. 1 InsO ausschließlich das Amtsgericht zuständig und zwar dasjenige, in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat. Dort wird eine entsprechende Insolvenzabteilung (Insolvenzgericht) eingerichtet. Dieses Insolvenzgericht erhält die ausschließliche sachliche Zuständigkeit für den gesamten Landgerichtsbezirk. Hierdurch sollen richterlicher Sachverstand und technische Ausstattung konzentriert werden.BeckOK InsR/Madaus InsO § 2 Rn. 2. Die meisten der sechzehn Bundesländer haben weitere Insolvenzgerichte eingerichtet (§ 2 Abs. 2 InsO) und davon abgesehen, pro Landgerichtsbezirk nur ein Amtsgericht zu benennen. Damit konnte sich die Idee einer stärkeren Zuständigkeitskonzentration nicht durchsetzen.Für eine Konzentration Brzoza NZI 2021, 513, 514 f. Insgesamt gibt es derzeit 182 Insolvenzgerichte.

II. Örtliche Zuständigkeit

1. COMI und allgemeiner Gerichtsstand

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§ 3 Abs. 1 InsO nennt für die örtliche Zuständigkeit zwei Anknüpfungspunkte, den allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners (§ 3 Abs. 1 S. 1 InsO) und den Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit (§ 3 Abs. 1 S. 2 InsO). Es handelt sich um ausschließliche Gerichtsstände. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 S. 2 InsO ist die örtliche Zuständigkeit vorrangig danach zu bestimmen, wo sich der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners befindet.Vgl. BayOblG NZI 2020, 560 Rn. 31; OLG Brandenburg NZI 2019, 667 Rn. 7. Im Englischen wird dieser als COMI (= centre of main interests) bezeichnet. Maßgeblich ist der Ort, an dem die Entscheidungen der Geschäftsleitung getroffen, dokumentiert und nach außen in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.AG Hannover NZI 2019, 115; Reischl Insolvenzrecht Rn. 50. Der Mittelpunkt ist nach objektiven, für Dritte erkennbaren Kriterien zu bestimmen.BGH NJW-RR 2007, 1062, 1063. Die bloße Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen reicht hierfür nicht.BayOblG NZI 2020, 560 Rn. 33.

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Erst in zweiter Linie ist für die örtliche Zuständigkeit gem. § 3 Abs. 1 S. 1 InsO auf den allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners abzustellen. Bei juristischen Personen oder Personengesellschaften richtet sich der allgemeine Gerichtsstand nach dem Satzungssitz (§ 17 ZPO). Bei natürlichen Personen ist der Wohnsitz maßgeblich (§ 13 ZPO). Das Gericht muss seine Zuständigkeit nach § 5 InsO von Amts wegen prüfen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anknüpfung ist der Eingang des Eröffnungsantrags bei Gericht.BGH NZI 2007, 344; BeckOK InsR/Madaus InsO § 3 Rn. 3. Sind mehrere Gerichte zuständig, etwa wenn der Schuldner eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit an verschiedenen Orten ausübt, gilt der Prioritätsgrundsatz. Das Gericht, bei dem zuerst Eröffnungsantrag gestellt wurde, schließt die anderen Gerichte aus (§ 3 Abs. 3 InsO).

Beispiel

Die MODEHAUS GmbH betreibt ihr einziges Kaufhaus in Nürnberg. Dort treffen die Geschäftsführer Gloria (G) und Serkan (S) ihre Entscheidungen. Da der COMI in Nürnberg liegt, ist örtlich ausschließlich das Insolvenzgericht Nürnberg zuständig (§ 3 Abs. 1 S. 2 InsO). Wäre der COMI nicht zweifelsfrei feststellbar, käme es auf den Satzungssitz (§ 17 ZPO) an (§ 3 Abs. 1 S. 1 InsO).

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Eine Verlegung des COMI oder des Satzungssitzes beeinflusst die örtliche Zuständigkeit. Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen aus taktischen Gründen ihren Sitz vor Insolvenzeröffnung in einen anderen Gerichtsbezirk verlegen. Die Sitzverlegung (kurz) vor Insolvenzantragstellung ist nicht per se unzulässig, sondern im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit anzuerkennen.Vgl. BeckOK InsR/Madaus InsO § 3 Rn. 25 ff. Etwas Anderes muss bei rechtsmissbräuchlicher Zuständigkeitserschleichung gelten, etwa wenn die Sitzverlegung der gewerbsmäßigen Firmenbestattung dient.BayOblG NZI 2020, 560 Rn. 36; LG Bremen NZI 2021, 83 Rn. 17. Dies ist daran zu erkennen, dass die Gesellschaft am neuen Ort keine werbende Tätigkeit ausübt und ein neuer Geschäftsführer bestellt wird, der über keinerlei Unterlagen der Gesellschaft verfügt.Reischl Insolvenzrecht Rn. 52. Verlegt der Schuldner nach dem Eröffnungsantrag seinen COMI oder Satzungssitz, bleibt das angegangene Insolvenzgericht zuständig (§ 4 InsO i.V.m. § 261 ZPO).BGH BeckRS 2008, 24714 Rn. 8.

2. Wahlgerichtsstand des Restrukturierungsgerichts

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Ein Wahlgerichtsstand wird durch § 3 Abs. 2 InsO eröffnet. Hat der Schuldner in den letzten sechs Monaten vor dem Insolvenzverfahren bereits Instrumente des Restrukturierungsrahmens gem. § 29 StaRUG genutzt, ist auch das Gericht örtlich zuständig, das als Restrukturierungsgericht zuständig war.

3. Konzerninsolvenz

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Besonderheiten gelten bei Konzerninsolvenzen. Konzern ist eine Unternehmensgruppe, die aus mehreren rechtlich selbstständigen Rechtsträgern besteht und die miteinander verbunden (einheitliche Leitung, beherrschender Einfluss) sind (§ 3e InsO).

Beispiel

Die ZUCKER AG ist eine Holding. Die AG ist Alleingesellschafterin der MEHL GmbH und der GELIER GmbH. Da ihr 100 % der Geschäftsanteile an den beiden GmbHs zustehen („Töchter“), kann sie die Geschäftsführer bestimmen (§ 46 Nr. 5 GmbHG) und ihnen Weisungen erteilen (§ 37 GmbHG). Damit kann die ZUCKER AG als „Mutter“ beherrschenden Einfluss ausüben. Die drei rechtlich selbständigen Unternehmen bilden eine Unternehmensgruppe (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 InsO).


Werden einzelne Gesellschaften eines Konzerns insolvent, muss jeder Rechtsträger ein eigenes Insolvenzverfahren durchlaufen („eine Gesellschaft, ein Insolvenzverfahren“). Haben die Gesellschaften ihren Sitz an unterschiedlichen Orten, führt dies dazu, dass verschiedene Gerichte zuständig sind. Aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtungen der Konzerngesellschaften ist das nicht ideal. Daher stellt § 3a Abs. 1 InsO für Konzerninsolvenzen einen Gruppengerichtsstand zur Verfügung. Nach § 3a Abs. 1 S. 1 InsO kann jeder Schuldner, der für seine Unternehmensgruppe (§ 3e InsO) nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung ist, neben dem Eröffnungsantrag einen Antrag auf Begründung eines Gruppengerichtsstands für die gesamte Unternehmensgruppe stellen. In diesem Fall erklärt sich das angerufene Insolvenzgericht für die Insolvenzverfahren aller gruppenangehörigen Schuldner (Gruppen-Folgeverfahren) für zuständig. Der so begründete Gruppengerichtsstand steht den anderen konzernangehörigen Gesellschaften als Wahlgerichtsstand neben dem Gerichtsstand des § 3 Abs. 1 InsO zur Verfügung.BeckOK InsR/Gelbrich/Flöther InsO § 3a Rn. 6. Jedes insolvente Konzernmitglied kann selbst entscheiden, ob es seinen Eröffnungsantrag bei dem nach § 3 Abs. 1 InsO oder dem nach § 3a InsO zuständigen Gericht stellt. Liegen bei verschiedenen Insolvenzgerichten konkurrierende Gruppenanträge i.S.d. § 3a InsO vor, gilt das Prioritätsprinzip.Vallender NZI 2020, 761, 767; Baumert NZI 2019, 103. Ist unklar, welche Gesellschaft zuerst den Antrag gestellt hat, sticht das Gruppenmitglied mit den meisten Arbeitnehmern (§ 3a Abs. 1 S. 3 InsO). Eine zusätzliche Sonderreglung findet sich in § 3d InsO. Wird für eine einzelne Konzerngesellschaft das Insolvenzverfahren bei einem anderen Gericht als dem Gericht des Gruppengerichtstands eröffnet, kann das Gericht das Verfahren an den Gruppengerichtsstand verweisen (§ 3d Abs. 1 S. 1 InsO). Die Entscheidung liegt im Ermessen des Gerichts.BeckOK InsR/Gelbrich/Flöther InsO § 3d Rn. 2 f.; a.A. Baumert NZI 2019, 103, 105 ff.

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Das Ziel, Insolvenz- und Restrukturierungssachen in Konzernsachverhalten bei einem einzigen Gericht zu konzentrieren, findet sich auch in § 37 Abs. 1 StaRUG. Danach kann der Schuldner bei dem für ihn zuständigen Restrukturierungsgericht beantragen, dass es sich für sämtliche Restrukturierungsverfahren der Unternehmensgruppe für zuständig erklärt. Bejaht das Gericht die Zuständigkeit, wird ein Wahlgerichtsstand für die anderen gruppenangehörigen Gesellschaften begründet. § 37 Abs. 3 StaRUG wiederum verknüpft Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren.Flöther/Laroche StaRUG § 37 Rn. 12.

III. Funktionelle Zuständigkeit

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Die funktionelle Zuständigkeit ist in §§ 3 Abs. 2e, 18, 19a RPflG geregelt. Für den Eröffnungsantrag und das gesamte Eröffnungsverfahren ist der Richter zuständig (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG). Im eröffneten Verfahren übernimmt vom Grundsatz her der Rechtspfleger das Verfahren (§ 3 Nr. 2e RpflG). Komplexe Entscheidungen bleiben dem Richtervorbehalt unterstellt, wie die Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG) oder das Insolvenzplanverfahren (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG).

IV. Internationale Zuständigkeit

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Die Bestimmung des international zuständigen Gericht wird durch die InsO nicht normiert. Für den Bereich der EU gilt Art. 3 EuInsVO, der im letzten Abschnitt des Skripts näher behandelt wird (Rn. 669 ff.).

Hinweis

Der COMI ist auch im Rahmen der internationalen Zuständigkeit maßgeblicher Anknüpfungspunkt, ist aber dort autonom auszulegen.

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