Inhaltsverzeichnis
D. Sicherungsmaßnahmen
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I. Schutz des Schuldnervermögens
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Hält das Gericht den Eröffnungsantrag für zulässig, prüft es in einem zweiten Schritt die Begründetheit des Antrags, d.h. ob tatsächlich ein Eröffnungsgrund (§ 16 InsO) vorliegt und ob das Vermögen des Schuldners ausreicht, um die Kosten eines staatlichen Insolvenzverfahrens zu decken (§ 26 Abs. 1 S. 1 InsO). In dieser Phase findet der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 InsO) Anwendung. Seit 1.11.2022 kann das Gericht selbst Auskünfte über den Schuldner einholen (§ 98 Abs. 1a InsO i.V.m. § 802l ZPO). Im Regelfall benötigt die Begründetheitsprüfung eine gewisse Zeit. Denn das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds (§§ 17, 18, 19 InsO) muss zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft feststehen. Zwischen dem Eingang des Eröffnungsantrags und der Entscheidung des Insolvenzgerichts können daher Wochen vergehen. Um das Vermögen des Schuldners in diesem Zeitraum vor Gefährdungen zu schützen, schreibt § 21 Abs. 1 S. 1 InsO vor, dass das Gericht von Amts wegen alle Sicherungsmaßnahmen treffen muss, die erforderlich erscheinen, um eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu verhindern.
Beispiel
Die Insolvenzrichterin findet am 1.6. um 8.00 Uhr den schriftlichen Eröffnungsantrag der MODEHAUS GmbH auf ihrem Schreibtisch vor. Die Richterin muss von Amts wegen entscheiden, welche Sicherungsmaßnahmen nötig sind, damit es in den folgenden Tagen und Wochen nicht zu einer Verringerung des Schuldnervermögens kommt. So besteht die Gefahr, dass die Lieferanten ihre unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Ware an sich nehmen oder sicherungsübereignete Gegenstände herausfordern oder der Gerichtsvollzieher noch bewegliches Vermögen pfändet.
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II. Katalog der Sicherheitsmaßnahmen
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Hinweis
Lesen Sie die Norm des § 21 InsO einmal vollständig durch. Sie ist die zentrale Vorschrift im Eröffnungsverfahren.
Nach der generalklauselartigen Formulierung des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO kann das Gericht alle erforderlichen Maßnahmen anordnen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Dabei gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Um dem Gericht Entscheidungshilfen zu geben, sind in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 5 InsO kataloghaft mögliche Sicherungsmaßnahmen aufgezählt. In Frage kommen die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (Nr. 1), die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (Nr. 1a), die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes oder eines Zustimmungsvorbehalts (Nr. 2), die Untersagung oder einstweilige Einstellung der Einzelzwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (Nr. 3), die Anordnung einer vorläufigen Postsperre (Nr. 4) sowie ein Vollstreckungsstopp gegenüber Aus- und Absonderungsberechtigten (Nr. 5). Eine Anhörung des Schuldners ist nicht erforderlich. BGH NZI 2011, 680, 681. Gegen die Anordnung der (einzelnen) Maßnahmen steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu (§ 21 Abs. 1 S. 2 InsO).