Inhaltsverzeichnis
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Die Auswirkungen der Eigenverwaltung auf das Kompetenzgefüge bei juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften ist in § 276a Abs. 1 InsO geregelt. Um die Unabhängigkeit der Vertretungsorgane zu stärken, sieht § 276a Abs. 1 S. 2 InsO vor, dass Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat die Befugnis, Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen, verlieren. Damit verliert die Gesellschafterversammlung einer GmbH das Recht, den Geschäftsführern Weisungen zu erteilen (vgl. § 37 GmbHG). Bei der AG muss der Vorstand, der ohnehin weisungsfrei handelt (§ 78 AktG), im Fall von zustimmungsbedürftigen Geschäften (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) nicht mehr mit dem Aufsichtsrat kooperieren. Der Kompetenzverlust wird damit gerechtfertigt, dass die Vertretungsorgane, sobald Eigenverwaltung angeordnet ist, ihr Handeln am Insolvenzzweck und den Interessen der Gläubigergesamtheit ausrichten müssen.BGH NZI 2020, 285 Rn. 18. Zudem stehen Gläubigerversammlung, Gläubigerausschuss und Sachwalter als „neue Überwachungsorgane“ bereit.
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Eine Ausnahme gilt für die Abberufung und Neubestellung der Leitungsorgane (vgl. §§ 46 Nr. 4 GmbHG, 84 AktG). Diese Maßnahmen können weiterhin vorgenommen werden, bedürfen aber nach § 276a Abs. 1 S. 2 InsO der Zustimmung des Sachwalters.BGH NZI 2018, 519 Rn. 20. Grund für das Zustimmungserfordernis ist, dass die Eigenverwaltung vor allem auf dem Vertrauen der Gläubiger in die aktuelle Geschäftsleitung und deren Planungen basiert. Die Zustimmung muss erteilt werden, wenn Abberufung oder Neubestellung nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt (§ 276a Abs. 1 S. 3 InsO). Nach der Neuregelung des § 276a Abs. 3 InsO gelten die Bestimmungen des § 276a Abs. 1 InsO bereits im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren. Damit ist die Sorge ausgeräumt, dass sanierungswillige Geschäftsführer in dieser Phase zugunsten von „Marionetten“ abberufen werden.