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Weitere Voraussetzung der Vorsatzanfechtung ist, dass der Anfechtungsgegner den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) positiv kennt (§ 130 Abs. 1 S. 1 InsO). BGH NZG 2019, 1355 Rn. 25; NJW 2014, 465, 466. Der Insolvenzverwalter ist hierfür darlegungs- und beweispflichtig. Er hat dabei zwei Möglichkeiten, die Kenntnis nachzuweisen. Vgl. BGH NZI 2022, 385 Rn. 109; NZI 2021, 720 Rn. 9. Zum einen kann er den Vollbeweis für die Kenntnis des Anfechtungsgegners nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO erbringen. Spiegelbildich zum Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ist erforderlich, dass der Anfechtungsgegner die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners positiv kennt und zusätzlich davon Kenntnis hat, dass keine Aussicht auf Besserung besteht. BGH NJW 2021, 720 Rn. 30 ff. Beweisbelastet ist der Insolvenzverwalter.
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Um die Kenntnis des Anfechtungsgegners zu beweisen, kann sich der Insolvenzverwalter auch auf die (widerlegliche) Vermutungsregel des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO stützen. Danach wird die Kenntnis des Empfängers vermutet, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die (anderen) Gläubiger benachteiligt. Eine Abschwächung enthält der 2017 neu eingefügte § 133 Abs. 3 S. 1 InsO. In Fällen kongruenter Deckungshandlungen wird die Kenntnis des Anfechtungsgegners nur noch vermutet, wenn er positiv weiß, dass Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Im Hinblick auf § 17 Abs. 2 S. 2 InsO genügt es aber, wenn der Gläubiger die Zahlungseinstellung kennt bzw. Umstände kennt, die einen zwingenden Rückschluss auf eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit zulassen. BGH NZI 2017, 718 Rn. 18; NZI 2017, 64 Rn. 8. Eine weitere widerlegbare Gegenvermutung enthält § 133 Abs. 3 S. 2 InsO, der ebenfalls 2017 eingefügt wurde. Hat der Anfechtungsgegner mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung, etwa in Form einer Ratenzahlung oder Stundung, getroffen, wird vermutet, dass er die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Eine Zahlungsvereinbarung führt also nicht mehr zwangsläufig dazu, dass der Anfechtungsgegner auf die Zahlungseinstellung schließen muss.
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Die Kenntnis, dass durch die Handlung andere Gläubiger benachteiligt werden, die zweite Voraussetzung des Vermutungstatbestands, wird nach der Rechtsprechung des BGH durch die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit indiziert, wenn der Anfechtungsgegner weiß, dass der Schuldner unternehmerisch (gewerblich) tätig ist, so dass er damit rechnen muss, dass es weitere Gläubiger mit ungedeckten Forderungen gibt. BGH NZI 2021, 387 Rn. 30 ff.; NZI 2021, 720 Rn. 51; NZI 2020, 682 Rn. 21; NZI 2019, 812 Rn. 25; NZI 2019, 594 Rn. 10; NZI 2018, 325 Rn. 12; NZI 2017, 718 Rn. 30; NZI 2016, 636 Rn. 22.