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Der Anwendungsbereich des § 133 Abs. 1, 2 InsO ist weit. Erfasst sind sämtliche Rechtshandlungen, die die Gläubiger mittelbar benachteiligen. Gerechtfertigt ist die lange Frist von 10 Jahren/4 Jahren durch die subjektiven Kriterien (§ 133 Abs. 1 S. 1 InsO). Der Schuldner muss bei Vornahme der Rechtshandlung mit dem Vorsatz handeln, seine Gläubiger zu benachteiligen (Gläubigerbenachteiligungsvorsatz). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt bedingter Vorsatz. BGH NZI 2022, 733 Rn. 12; NZI 2022, 425 Rn. 19; NZI 2022, 385 Rn. 17; NZI 2018, 114 Rn. 8. Er liegt vor, wenn der Schuldner die Benachteiligung der Gläubiger als mutmaßliche Folge seiner Rechtshandlung erkennt und billigt. Im Prozess muss der Benachteiligungsvorsatz positiv festgestellt werden. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast. Da es sich bei dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners um innere, dem unmittelbaren Beweis nur schwer zugängliche Tatsachen handelt, lässt die Rechtsprechung es genügen, dass dieser mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet wird. BGH NZI 2022, 733 Rn. 12; NZI 2022, 476 Rn. 9; NZI 2021, 387 Rn. 16; NZI 2020, 1101 Rn. 17. Der Verwalter muss daher lediglich Indizien zur Zahlungsunfähigkeit vortragen. Das Gericht muss die Indizien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung umfassend und widerspruchsfrei würdigen (§ 286 ZPO). Statt vieler BGH NZI 2022, 397 Rn. 11; NZI 2020, 682 Rn. 7; NZI 2017, 718 Rn. 13.
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Nach der neueren Rechtsprechung des BGH kann der Benachteiligungsvorsatz bei kongruenten Deckungen nicht allein darauf gestützt werden, dass der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig war. BGH NZI 2022, 733 Rn. 14; NZI 2021, 720 Rn. 30; hierzu Ganter NZI 2021, 945, 948 f. Vielmehr ist erforderlich, dass der Schuldner weiß oder billigend in Kauf nimmt, seine übrigen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können. BGH NZI 2022, 733 Rn. 14; NZI 2022, 425 Rn. 21; NZI 2022, 397 Rn. 13; NZI 2022, 385 Rn. 19, 74; NZI 2021, 720 Rn. 36. Dass die Liquiditätslage im Zeitpunkt der Rechtshandlung „desaströs“ war, reicht somit als alleiniges Indiz für den Benachteiligungsvorsatz nicht aus. Der Schuldner kann im Prozess einwenden, er habe bei Ausführung der Rechtshandlung mit einer baldigen Überwindung der Krise, z.B. durch die Aufnahme von Fremd- oder Eigenkapital, rechnen dürfen. Der Insolvenzverwalter ist für den Umstand, dass keine begründete Aussicht auf Beseitigung der Illiquidität bestand, auch wenn es sich um negative Tatsachen handelt, beweisbelastet. BGH NZI 2022, 385 Rn. 74; NZI 2021, 720 Rn. 48. So kann der Verwalter vortragen, dass der Schuldner angesichts des Ausmaßes der Deckungslücke nicht auf Besserung hoffen konnte bzw. er das Scheitern seiner Sanierungsbemühungen erkannt hat. BGH NZI 2022, 733 Rn. 15; NZI 2022, 385 Rn. 23, 54 ff., 74 ff.; NZI 2021, 720 Rn. 46.