Inhaltsverzeichnis
323
Eine Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 InsO liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Aktivmasse verringert oder die Schuldenmasse erhöht, wenn sich also die Befriedigungschancen der Gläubiger ohne die Rechtshandlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. BGH NZI 2022, 777 Rn. 12; NZI 2022, 221 Rn. 12; NZI 2019, 933 Rn. 7; NZI 2019, 851 Rn. 21; NZI 2018, 840 Rn. 15; NZI 2018, 800 Rn. 15; NZI 2018, 216 Rn. 9; NZI 2018, 22 Rn. 22.; NZI 2017, 68 Rn. 13. Die Zahlung von Steuern an das Finanzamt, die Rückzahlung eines Darlehens, die Bestellung einer Buchgrundschuld, der Verzicht auf die Verjährungseinrede oder die unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks an einen Familienangehörigen sind typische Rechtshandlungen, die einer Schmälerung der Masse bewirken.
324
Zwischen Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligung muss zwar Kausalität bestehen. In der Regel genügt eine bloß mittelbare Gläubigerbenachteiligung. BGH NZI 2022, 221 Rn. 13 (§ 135 Abs. 2 InsO); BGH NZI 2017, 28 Rn. 12 (§ 130 Abs. 1 S. 1 InsO). Sie ist gegeben, wenn die Rechtshandlung die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger in irgendeiner Weise verschlechtert und sei es auch erst durch das Hinzutreten weiterer (negativer) Umstände. BGH NZI 2021, 387 Rn. 26; NZI 2020, 170 Rn. 14; Braun/Bra InsO § 129 Rn. 26. Es genügt, wenn der Nachteil am Ende des Anfechtungsprozesses feststeht. Beispiel: Der Schuldner verkauft ein Grundstück, das nach Insolvenzeröffnung erheblich an Wert gewinnt.
325
Nur in wenigen Fällen wird eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung gefordert (§§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 4 InsO). Unmittelbar ist eine Benachteiligung, die ohne Hinzukommen späterer Umstände schon mit der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung selbst eintritt. BGH NZI 2016, 773 Rn. 17; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg InsO § 129 Rn. 113 ff. Das ist der Fall, wenn der Schuldner Vermögensgegenstände unentgeltlich überträgt oder unter Wert verschleudert. Vgl. Bork Insolvenzrecht Rn. 252; Becker Insolvenzrecht § 8 Rn. 23. Erbringt der Anfechtungsgegner unmittelbar nach Erhalt der Schuldnerleistung eine vollwertige Gegenleistung, scheidet eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung aus, da die Masse nicht verkürzt wird. BGH NZI 2022, 385 Rn. 100; NZI 2020, 170 Rn. 13; NZI 2019, 812 Rn. 14; NZI 2016, 773 Rn. 17. Gleiches gilt, wenn der Schuldner einen Gegenstand weggibt, der gar nicht zur Insolvenzmasse gehört (z.B. Zahlungen vom Pfändungsschutzkonto in Höhe des unpfändbaren Betrags, § 850k Abs. 1 ZPO). BGH NZI 2019, 851 Rn. 21; NZI 2016, 584 Rn. 17.