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Insolvenzrecht - 1. Anwendungsbereich

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Insolvenzrecht

1. Anwendungsbereich

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Die Grundregel für gegenseitige Verträge ist in § 103 InsO enthalten. Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder vom Schuldner noch vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, hat der Insolvenzverwalter nach § 103 Abs. 1, 2 InsO die Wahl, ob er den Vertrag erfüllen will oder nicht. Typische gegenseitige Verträge sind Kaufverträge (§ 433 BGB), Werkverträge (§ 631 BGB) oder Werklieferungsverträge (§ 650 BGB). Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters entsteht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 103 Abs. 1 InsO erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Es gilt daher nicht für den vorläufigen Verwalter. BGH NZI 2018, 111 Rn. 19; NZI 2008, 36 Rn. 9; K. Schmidt/Ringstmeier InsO § 103 Rn. 21.

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§ 103 InsO knüpft an die beidseitige Nichterfüllung an und scheidet daher von vornherein aus, wenn der Vertrag von beiden Seiten bereits vollständig erfüllt war. Zum Lizenzvertrag BGH NZI 2016, 97 Rn. 45; Becker Insolvenzrecht § 7 Rn. 8. Hat eine Partei im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ihre Hauptpflicht aus dem gegenseitigen Vertrag bereits einseitig vollständig erfüllt hat (= Vorleistung), findet § 103 InsO ebenfalls keine Anwendung, da der Schutzzweck des § 320 BGB nicht tangiert ist. BGH NZI 2019, 587 Rn. 16 ff. Im Fall der Vorleistung gelten die allgemeinen Folgen. Hat der Gläubiger den Vertrag im Eröffnungszeitpunkt bereits vollständig erfüllt (z.B. die Kaufsache übereignet), kann er seinen Anspruch (auf Kaufpreiszahlung § 433 Abs. 2 BGB) nur als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) geltend machen. Hat umgekehrt der Schuldner den Vertrag einseitig erfüllt, muss der Gläubiger seine Gegenleistung in die Masse erbringen.

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Vom Wortlaut her unterscheidet § 103 InsO nicht nach Art und Umfang der beidseitigen Nichtleistung. Jedoch rechtfertigt nicht jede kleinste Nichtleistung die Anwendung des § 103 InsO. Denn Zweck der Vorschrift ist, den Schutz des § 320 BGB (Einrede des nichterfüllten Vertrags) zu erhalten und dem Verwalter die Möglichkeit zu geben, den gegenseitigen Vertrag zum Vorteil der Masse auszuführen. BGH NZI 2019, 587 Rn. 21, 23; NZI 2018, 746 Rn. 22. Daher kommt § 103 InsO nach überwiegender Ansicht nur bei nicht erfüllten Hauptleistungspflichten, die im Synallagma stehen, oder bei sonstigen vertraglichen Pflichten, die nach dem Vertragszweck von wesentlicher Bedeutung sind, nicht aber Nebenpflichten, zum Einsatz. BGH NZI 2019, 587 Rn. 19 ff., 28; a.A. MüKoInsO/Huber InsO § 103 Rn. 123. Diese synallagmatischen Pflichten dürfen beidseitig noch nicht vollständig erfüllt sein. BGH NZI 2019, 587 Rn. 23; NZI 2018, 111 Rn. 13; NZI 2018, 22 Rn. 16.

Beispiel

Die MODEHAUS GmbH hat mit Bauunternehmer Ben (B) einen Werkvertrag geschlossen und Werkleistungen an den Fenstern des Modehauses (Kosten 5000 EUR) in Auftrag gegeben. Die Fenster wurden vor Insolvenzeröffnung mangelhaft eingebaut. Der Werklohn wurde wegen der Mängel nicht bezahlt. Lösung: Das ist ein Fall des § 103 InsO. Der Werkvertrag ist von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllt, da die Vergütung nicht erbracht wurde und die Bauleistung zwar ausgeführt und abgenommen wurde, aber (beseitigungsfähige) Mängel hat. Der Verwalter hat die Wahl, ob er den Vertrag erfüllen will oder nicht, d.h. je nach Nutzen für die Masse und ohne Rücksicht auf den Vertragspartner. Vgl. etwa BGH NZI 2016, 128 Rn. 17.

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