Inhaltsverzeichnis
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In § 96 InsO sind vier Aufrechnungsverbote normiert. Die Norm knüpft an die fehlende Schutzwürdigkeit des Gläubigers an. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung unstatthaft, wenn die Hauptforderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, d.h. das Geschäft zwischen Gläubiger und Insolvenzverwalter erst nach Eröffnung getätigt wurde. Die Norm ist überflüssig, da die Aufrechnung schon gar nicht zulässig ist (weder nach § 94 InsO noch nach § 95 InsO). Foerste Insolvenzrecht Rn. 225. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Aufrechnung verboten, wenn der Gläubiger die aufrechenbare Forderung nach Insolvenzeröffnung von einem anderen Gläubiger erworben hat. Derartige taktische Handlungen verdienen keinen Schutz.
Beispiel
Kundin Kim (K) hat im Mai eine Handtasche für 1500 EUR bei der MODEHAUS GmbH gekauft. Die Rechnung wurde nicht bezahlt. Der Insolvenzverwalter fordert (K) zur Zahlung auf. (K) erfährt zufällig, dass die MODEHAUS GmbH ihrem Handwerker Hans (H) noch 1500 EUR schuldet. (K) kauft (H) dessen Forderung kurzentschlossen für 300 EUR ab und lässt sich diese abtreten (§ 398 BGB). Sodann erklärt (K) die Aufrechnung. Lösung: Derartige Rechtshandlungen verbietet § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unter dem Gesichtspunkt der Gläubigergleichbehandlung. Die Aufrechnung ist unzulässig. (K) muss die 1500 EUR in die Masse zahlen.
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Eine in der Praxis wichtige Regelung stellt § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO dar. Die Norm umfasst auch Aufrechnungslagen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. BGH NZI 2017, 349 Rn. 8. Anknüpfungspunkt ist, dass die Aufrechnungssituation durch eine anfechtbare Rechtshandlung (§§ 129 ff. InsO) erlangt worden ist. In diesem Fall wird die Aufrechnungserklärung des Gläubigers mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (kraft Gesetzes) unwirksam. BGH NZI 2020, 687 Rn. 19; NZI 2012, 323; NJW 2007, 78, 79. Der Verwalter kann Zahlung verlangen. Zahlt der Gläubiger nicht, muss der Verwalter die Zahlung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 1 InsO klageweise geltend machen. BGH NZI 2018, 721 Rn. 39. Die vierte Fallkonstellation ist in § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO geregelt. Danach ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Gläubiger etwas zur Masse schuldet und mit einem Gegenanspruch aufrechnen will, der aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist (sog. Neugläubiger). Vgl. Foerste Insolvenzrecht Rn. 228.