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Hat ein Gläubiger bereits vor Verfahrenseröffnung ein Pfändungspfandrecht im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt, ordnet § 80 Abs. 2 S. 2 InsO an, dass die Vorschriften über die Wirkung einer Pfändung unberührt bleiben. Das Pfändungspfandrecht würde dem Gläubiger demnach ein Recht auf abgesonderte Befriedigung gewähren (§ 50 Abs. 1 InsO). Allerdings sieht § 88 Abs. 1 InsO eine Rückschlagsperre vor. Nach § 88 Abs. 1 InsO wird eine durch Vollstreckung erlangte Sicherung unwirksam, die ein Gläubiger im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag oder danach durch Zwangsvollstreckung erlangt hat. Bei einem vorausgegangenen Restrukturierungsverfahren verlängert sich der Monatszeitraum nach § 91 StaRUG um den Zeitraum der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache. Graf-Schlicker/Breitenbücher InsO § 88 Rn. 7. In Verbraucherinsolvenzverfahren beträgt die Sperrfrist drei Monate (§ 88 Abs. 2 InsO).
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Mit „Sicherung“ ist das Pfändungspfandrecht gemeint. Wird es im Zeitraum der Rückschlagsperre erlangt, wird es mit Eröffnung des Verfahrens absolut (schwebend) unwirksam. Die Verstrickung bleibt bestehen. BGH NZI 2021, 489 Rn. 8; NZI 2021, 125 Rn. 10f.; NZI 2017, 892 Rn. 14; Bast/Becker NZI 2021, 481 f. Im Fall der Forderungspfändung kann der Drittschuldner daher bis zur förmlichen Aufhebung der Verstrickung das Zahlungsverlangen des Insolvenzverwalters zurückweisen. Die Beseitigung der Verstrickung kann von Amts wegen oder auf Antrag des Insolvenzverwalters erfolgen. Ähnlich wie bei § 89 InsO kann das Vollstreckungsorgan zwischen zwei Methoden wählen. Es kann entweder die Verstrickung aufheben oder die Aussetzung der Vollziehung anordnen. BGH NZI 2017, 892 Rn. 14. Da die Rückschlagsperre in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht des Gläubigers eingreift (Art. 14 Abs. 1 GG), ist die Aussetzung der Vollziehung als milderes Mittel vorrangig. Wird die Vollziehung ausgesetzt, lebt die Sicherung des Gläubigers (rangwahrend) ex iure wieder auf, sobald der betroffene Gegenstand vom Insolvenzverwalter freigegeben oder das Insolvenzverfahren ohne Verwertung des Gegenstandes wieder aufgehoben wird. BGH NZI 2021, 125 Rn. 12; Graf-Schlicker/Breitenbücher InsO § 88 Rn. 16 f. Einer erneuten Vornahme der Pfändung bedarf es nicht.
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Die Rückschlagsperre des § 88 InsO gilt nicht, wenn der Gläubiger bereits die Befriedigung seiner Forderung erlangt hat.[5]OLG Frankfurt NZI 2002, 491, 492; Jauernig/Berger/Thole Insolvenzrecht § 23 Rn. 1. Das ist der Fall, wenn Gerichtsvollzieher im Zeitraum der Rückschlagsperre den Erlös aushändigt oder der Drittschuldner auf die gepfändete Forderung zahlt. Allerdings können Vollstreckungsmaßnahmen, die zwischen zwei und drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag erfolgt sind, vom Insolvenzverwalter nach §§ 129 ff. InsO angefochten werden.