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Ein Auffangtatbestand ist in § 91 InsO enthalten. BGH NZI 2021, 826 Rn. 9; Foerste Insolvenzrecht Rn. 212. Danach kann jeder Rechtserwerb, der nicht von §§ 81, 89, 90 InsO erfasst ist, unwirksam sein. Die Norm gilt nur im eröffneten Verfahren. BGH NZI 2018, 601 Rn. 49; NZI 2012, 614 Rn. 6. § 91 InsO erfasst vor allem gestreckte Verfügungen, die vor Insolvenzeröffnung eingeleitet und danach ohne Zutun des Schuldners vollendet werden. Vgl. Foerste Insolvenzrecht Rn. 213 f. (auch zum gutgläubigen Erwerb bei Grundstücken).
Beispiel
Die MODEHAUS GmbH übersendet noch vor Insolvenzeröffnung das von Stammkundin Sara (S) bestellte Abendkleid. Das Abendkleid kommt erst nach Verfahrenseröffnung bei (S) an. Zwar ist die Einigung (§ 929 Abs. 1 BGB) vor Insolvenzeröffnung erfolgt, die Übergabe aber erst danach. Das ist ein Fall des § 91 InsO. Der Rechtserwerb von (S) ist unwirksam. Hat (S) den Kaufpreis bereits vor Insolvenzeröffnung bezahlt, ist sie einfache Insolvenzgläubigerin (§ 38 InsO).
Auch die Abtretung künftiger Forderungen vor Insolvenzeröffnung fällt unter § 91 InsO. Grund ist, dass die Verfügung mit Abschluss des Abtretungsvertrags (also vor Eröffnung) beendet ist, so dass kein Fall des § 81 Abs. 1 InsO vorliegt. Entsteht die Forderung später (nach Eröffnung), kann der Zessionar wegen § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungsrecht erwerben. Vgl. BGH NZI 2019, 745 Rn. 35 ff.; OLG Düsseldorf NZI 2019, 241, 242. Erst mit Beendigung des Insolvenzverfahrens kann der Zessionar von der Vorausabtretung wieder Gebrauch machen (dann gilt § 91 InsO nicht mehr). Von § 91 InsO wird auch die Valutierung einer bereits bestellten Grundschuld erfasst. BGH NZI 2018, 601 Rn. 31 ff. Ein weiterer Anwendungsfall sind Verfügungen des Schuldners über Grundstücke oder dingliche Rechte an Grundstücken vor Verfahrenseröffnung. Allerdings ist hier ein rechtswirksamer Erwerb über § 91 Abs. 2 InsO i.V.m. §§ 878, 892, 893 BGB möglich. Beispiele bei Becker Insolvenzrecht § 3 Rn. 42 (Fall 10); Foerste Insolvenzrecht Rn. 214 (Fall 2).