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Der Insolvenzbeschlag erfasst die Insolvenzmasse, die in §§ 35 Abs. 1, 36 InsO definiert wird. Nach der Grundsatznorm des § 35 Abs. 1 InsO fällt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört (Altvermögen) und das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Neuerwerb), in die Insolvenzmasse. BGH NZI 2021, 923 Rn. 9; Foerste Insolvenzrecht Rn. 158. Nicht zur Insolvenzmasse gehören unpfändbare Sachen (§ 36 Abs. 1 InsO) oder Gegenstände, die vom Insolvenzverwalter freigegeben werden oder im Eigentum eines Dritten stehen (Aussonderungsrechte § 47 InsO).
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Der Insolvenzbeschlag erfasst das „gesamte Vermögen“, also auch das Auslandsvermögen (sog. Universalitätsprinzip). BGH NZI 2016, 365 Rn. 16; Braun/Bäuerle InsO § 35 Rn. 3. Im Einzelnen gehören zur Insolvenzmasse: Grundstücke, dingliche Rechte (Hypotheken etc.), Eigentum an beweglichen Sachen (Fuhrpark, Maschinen etc.), Anwartschaftsrechte, Immaterialgüterrechte (z.B. Patente, Markenrechte), Forderungen (z.B. Ansprüche auf Kaufpreiszahlung, Steuererstattungsansprüche, Schadensersatzansprüche), das Unternehmen selbst (Kundenstamm und „Goodwill“) sowie die Mitgliedschaftsrechte an einer Gesellschaft (z.B. GmbH, AG). Vgl. BGH NZI 2018, 668 Rn. 15: MüKoInsO/Peters InsO § 35 Rn. 194 ff. Da auch die Firma in die Insolvenzmasse fällt, egal ob Fantasie-, Sach- (z.B. „Windreich“, „Air Berlin“) oder Personenfirma (z.B. „Grundig“, „Metz“, „Schießer“), Vgl. Foerste Insolvenzrecht Rn. 162 (auch bei Einzelkaufleuten). kann der Insolvenzverwalter das Handelsgeschäft an einen Dritten veräußern und ihm die Zustimmung zur Fortführung unter der bisherigen Firma erteilen (§§ 22 Abs. 1, 23 HGB). BGH NZI 2020, 234 Rn. 10. Wegen des Gebots der Firmenunterscheidbarkeit (§§ 18 Abs. 2, 30 HGB) ist umstritten, ob die noch im Handelsregister eingetragene Firma des Schuldners nach der Veräußerung (bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens) umbenannt werden muss. Der BGH erlaubt eine zeitlich begrenzte Doppelfirmierung, außer bei Firmengleichheit am selben Ort (§ 30 HGB). BGH NZI 2020, 234 Rn. 18 ff.
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Zur Insolvenzmasse gehört nach § 35 Abs. 1 InsO auch das Vermögen, das der Schuldner während des Insolvenzverfahrens neu erlangt (sog. Neuerwerb). BGH NZI 2007, 407; Kritik übt Foerste Insolvenzrecht Rn. 166. Wichtigstes Beispiel ist das Erwerbseinkommen, sei es aus selbstständiger, sei es aus unselbstständiger Tätigkeit. Grundsätzlich fällt die persönliche Arbeitskraft nicht in die Insolvenzmasse, da niemand zur Arbeit gezwungen werden kann (Art. 2 Abs. 1, 12 GG). BGH NZI 2013, 797, 799; BAG NJW 2015, 107, 108; NZI 2022, 76 Rn. 40. Arbeitet der Schuldner jedoch weiter, was er tun wird, um Restschuldbefreiung zu erlangen, fällt sein pfändbares Arbeitseinkommen in die Insolvenzmasse (§ 36 Abs. 1 S. 2, §§ 850 ff. ZPO). BAG NZI 2022, 76 Rn. 39; Bork Insolvenzrecht Rn. 144. Bei Selbstständigen (z.B. Ärzte, Architektinnen, Anwälte) sind sämtliche Einkünfte Bestandteile des Neuerwerbs. BGH NZI 2007, 407; Graf-Schlicker/Kexel InsO § 35 Rn. 21. Zum Neuerwerb gehören auch Erbschaften oder Lottogewinne.