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Die Haftung setzt ein Verschulden des Geschäftsleiters voraus, wobei einfache Fahrlässigkeit genügt.BGH NZI 2022, 385 Rn. 30; Bork/Kebekus in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 15b Rn. 33. Nach § 15b Abs. 1 S. 2 InsO wird das Verschulden vermutet. Der Geschäftsführer kann die Vermutung widerlegen, indem er nachweist, dass er mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers gehandelt hat. Mangelnde Sachkenntnis („ich kann keine Bilanz lesen“) kann den Geschäftsführer nicht entschuldigen. Nach Ansicht des BGH muss der Geschäftsleiter zudem für eine Organisation sorgen, die ihm jederzeit eine Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft ermöglicht.BGH NZI 2021, 45 Rn. 53; NZI 2019, 225 Rn. 14. Kann er selbst nicht ausreichend sicher beurteilen, ob das Unternehmen insolvenzreif ist, muss er fachkundigen Rat einholen.Vgl. BGH NZI 2020, 425 Rn. 38; NZI 2016, 588 Rn. 34. Schaltet der Geschäftsleiter einen unabhängigen Experten ein, darf er dessen Empfehlung vertrauen, sofern er sämtliche Unterlagen offengelegt und das Ergebnis einer Plausibilitätskontrolle unterzogen hat.Vgl. BGH NZI 2021, 45 Rn. 53; NZI 2020, 425 Rn. 38; NZI 2016, 588 Rn. 34. In einem Dauermandat darf der Geschäftsführer ebenfalls darauf vertrauen, dass er von seinem Steuerberater gem. §§ 280 BGB, 102 StaRUG ungefragt auf eine mögliche Insolvenzreife hingewiesen wird.Vgl. BGH NZI 2016, 588 Rn. 36.
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Die in § 15b InsO normierte Pflicht trifft jedes Mitglied im Kollegialorgan. Sind sieben Vorstände bestellt, ist jedes Vorstandsmitglied haftbar. Ausnahmsweise kann sich ein Organmitglied darauf berufen, dass nicht er, sondern ein anderes Mitglied für die Prüfung der Insolvenzreife zuständig war. Das setzt eine wirksame Ressortverteilung voraus (z.B. Finanzen, Vertrieb, Personal, Entwicklung), d.h. eine eindeutige und einvernehmliche Abgrenzung der Aufgaben, die Übernahme der Aufgaben durch fachlich und persönlich geeignete Personen sowie die Zuständigkeit des Gesamtorgans für nicht delegierbare Aufgaben.BGH NZI 2019, 225 Rn. 17 ff.; Bork/Kebekus in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 15b Rn. 35. Weitere Voraussetzung ist ein gegenseitige, engmaschige Kontrolle.