Inhaltsverzeichnis
102
Ergibt die Liquiditätsbilanz eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Unterdeckung von 10 % oder mehr, ist der Schuldner zahlungsunfähig. Eine Ausnahme gilt nur, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke zwar erst mehr als drei Wochen später, aber in absehbarer Zeit (fast) vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumutbar ist.BGH NZI 2022, 733 Rn. 24; NZI 2017, 64 Rn. 17; NZI 2016, 588 Rn. 31; NZI 2007, 579, 581. Gelingt es dem Schuldner, die Liquiditätslücke im Drei-Wochen-Zeitraum auf unter 10 % zurückzuführen, ist der Schuldner zum Stichtag zahlungsfähig.BGH NJW 2018, 1089 Rn. 32. Andernfalls liegt Zahlungsunfähigkeit vor.
Beispiel
Die MODEHAUS GmbH verfügt am 20.5. noch über 60 000 EUR Bargeld, einen Überziehungskredit von 100 000 EUR sowie veräußerliche Waren für 40 000 EUR. Dem stehen am 20.5. fällige Lieferantenverbindlichkeiten über 200 000 EUR, Steuern von 40 000 EUR sowie Versicherungen i.H.v. 20 000 EUR gegenüber. Das ergibt eine Unterdeckung von ca. 23 %. Die nächsten drei Wochen versprechen keine Besserung. Es kommen auf der Passivseite (Passiva II) 200 000 Lohnkosten hinzu, während auf der Einnahmenseite (Aktiva II) Forderungseingänge von 80 000 EUR und Warenverkäufe von 60 000 EUR erwartet werden. Das entspricht einer Unterdeckung von ca. 26 %. Damit ist die GmbH am Stichtag (20.5.) zahlungsunfähig, da sie eine Unterdeckung von mehr als 10 % hat.