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Man könnte nach der Formulierung „anfechtbares Rechtsgeschäft“ in § 142 Abs. 1 annehmen, dass die Anfechtung eines bereits früher wirksam angefochtenen
Z.B. Anfechtung erst wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB und später nach § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung: Im einen Fall haftet der Anfechtende nach § 122 BGB, im anderen Fall nicht! oder aus anderen Gründen – z.B. § 108 Abs. 1 oder § 138 – unwirksamen Rechtsgeschäfts ins Leere geht. Solche Rechtsgeschäfte sind ja bereits nichtig und deshalb möglicherweise nicht mehr anfechtbar.330
Eine solche Auffassung führt zu unbilligen Nachteilen für den Anfechtungsberechtigten und wird deswegen ganz überwiegend abgelehnt. Auch ein nichtiges Rechtsgeschäft kann angefochten werden, um die Vorteile einer Anfechtung nutzen zu können.
Palandt-Ellenberger § 142 Rn. 1; Leenen BGB AT § 14 Rn. 137 ff.; Faust BGB AT § 23 Rn. 16.Zum einen kann die Anfechtung zur Verbesserung der Verteidigung im Prozess nötig sein, wenn die Anfechtung unproblematisch möglich ist, aber der andere Nichtigkeitsgrund (z.B. § 134) hinsichtlich der damit verbundenen Rechtsfragen oder anhand der zur Verfügungen stehenden Beweismittel nicht eindeutig beurteilt werden kann. Der Richter kann dann auf die Anfechtung zurückgreifen und andere Nichtigkeitsgründe offen lassen.
Zum anderen kann die Anfechtung eines nichtigen Rechtsgeschäfts weitere rechtliche Wirkungen herbeiführen oder zerstören.
MüKo-Busche § 142 Rn. 12; Faust BGB AT § 23 Rn. 16.Beispiel
A ficht den mit B geschlossenen Vertrag wegen Irrtums nach § 119 Abs. 2 an. Entdeckt er später, dass sein Irrtum durch arglistige Täuschung des B hervorgerufen wurde, kann er das bereits durch Anfechtung vernichtete Rechtsgeschäft noch wegen Täuschung anfechten, um seiner Haftung aus § 122 zu entgehen.
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Wie sich aus § 142 weiter ergibt, führt nur die Ausübung der Anfechtung zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Es handelt sich bei der Anfechtung um ein Gestaltungsrecht, das durch einseitiges Rechtsgeschäft („Anfechtung“) ausgeübt wird. Das Anfechtungsrecht gibt somit dem Erklärenden ein Wahlrecht. Er kann wählen, ob er seine Willenserklärung so gelten lässt wie bisher oder mithilfe der Anfechtung „wieder aus dem Verkehr zieht“. Solange er diesbezüglich keine Entscheidung getroffen hat, bleibt es bei dem bisherigen Rechtszustand. Das Anfechtungsrecht als solches, also das bloße Erfüllen des objektiven Anfechtungstatbestandes, hat somit auf das anfechtbare Rechtsgeschäft überhaupt keine Auswirkungen.
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Die bloße Anfechtbarkeit wirkt sich aber auf akzessorische Sicherheiten aus. So steht dem Bürgen, dem Eigentümer einer verpfändeten beweglichen Sache, dem Eigentümer eines mit einer Hypothek belasteten Grundstücks und dem Inhaber eines verpfändeten Rechts eine Einrede für den Fall zu, dass der Schuldner das Schuldverhältnis, dessen Erfüllung sie absichern wollen, durch Anfechtung wieder beseitigen könnte (vgl. §§ 770, 1137 Abs. 1 S. 1, 1211 Abs. 1 S. 1). Solange also der Schuldner noch die Wahl hat, ob er das Schuldverhältnis durch Anfechtung wieder zu Fall bringt, dürfen diese Sicherungsgeber sich dem Zugriff des Gläubigers auf ihr Vermögen bzw. auf die Pfandsache widersetzen. Erst wenn feststeht, dass der Schuldner keine Anfechtungsmöglichkeit besitzt und damit die Schuld nicht mehr beseitigt werden kann, entfällt auch dieser Einredetatbestand.