BGB Allgemeiner Teil 1

Aufbau von Rechtsgeschäften

D. Aufbau von Rechtsgeschäften

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Alle Rechtsgeschäfte haben folgende Struktur

Dem Gesetz lässt sich die systematische (Prüfungs-)Struktur von Willenserklärung und Rechtsgeschäft nicht eindeutig entnehmen, so dass verschiedene Aufbauvorschläge existieren, die allesamt vertretbar sind. Bei der Prüfung von Willenserklärung und Rechtsgeschäft folgt dieses Skript dem z.B. von Leenen in seinem Lehrbuch zum BGB AT vertretenen Aufbau. Dieser hat sich in meiner langjährigen Praxis als Repetitor als der günstigste Weg erwiesen, um alle Prüfungsschritte gedanklich sauber abzuschichten und möglichst nahe und widerspruchsfrei (!) am Gesetzestext zu arbeiten.:

Rechtliche Wirkungen löst ein Rechtsgeschäft nur aus, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind. Die Voraussetzungen variieren je nach Art und Inhalt des konkret gewünschten Rechtsgeschäfts. Bei der Prüfung eines konkreten Rechtsgeschäfts ordnen wir die verschiedenen Voraussetzungen bestimmten Prüfungskategorien zu, die wir in eine logische Reihenfolge bringen. Wir unterscheiden gedanklich zwischen drei Kategorien: das Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts

Man kann auch vom „Tatbestand eines Rechtsgeschäfts“ sprechen, vgl. Leenen BGB AT vor § 8 Rn. 1 ff.; § 11 Rn. 11 ff., seine jeweiligen Wirksamkeitserfordernisse sowie besondere Wirksamkeitshindernisse.

Expertentipp

Zwischen dem Zustandekommen und der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ist streng zu unterscheiden. Wir beginnen mit dem Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts. Erst wenn das Rechtsgeschäft zustande gekommen ist, steht fest, was gewollt ist. Erst wenn feststeht, was gewollt ist, wissen wir, ob und welche Wirksamkeitserfordernisse und -hindernisse für dieses Rechtsgeschäft einschlägig sein können.

Das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts ist logisch daher an erster Stelle zu prüfen. Sodann folgen die Wirksamkeitserfordernisse und -hindernisse. In der Klausur müssen Sie selbstverständlich nur solche Wirksamkeitserfordernisse und -hindernisse erörtern, zu deren Erwähnung der Fall Anlass gibt. Keinesfalls sind alle erdenklichen Tatbestände aufzuführen.

I. Zustandekommen von Rechtsgeschäften durch wirksame Willenserklärung(en)

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Zunächst ist daher zu fragen, ob und welches konkrete Rechtsgeschäft überhaupt zustande gekommen ist. Mit dem Zustandekommen ist die „Geburtsstunde“ des Rechtsgeschäfts gemeint: In dem Moment, in dem es zustande gekommen ist, steht fest, welche Rechtsfolgen die beteiligten Personen mit dem Rechtsgeschäft herbeiführen wollen. Ein Rechtsgeschäft kommt zustande, wenn Art und Inhalt des gewollten Rechtsgeschäfts durch wirksame Willenserklärungen eindeutig bestimmbar sind. In diesem Moment existiert es als Gegenstand unserer weiteren Prüfung. Wenn es hier heißt, dass die Willenserklärungen ihrerseits wirksam sein müssen, ist damit nicht die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts gemeint. Das BGB unterscheidet in seinen Tatbeständen zwischen solchen Normen, die die Wirksamkeit der Willenserklärung betreffen (z.B. §§ 104 ff., §§ 116–118) und solchen, die die Wirksamkeit der mit diesen Willenserklärungen hervorgebrachten Rechtsgeschäfte behandeln. Nur wirksame Willenserklärungen bringen ein Rechtsgeschäft zustande.

Vgl. Leenen BGB AT § 6 Rn. 1 ff.; Petersen JURA 2009, 183.

Hinweis

Im hier vorgestellten Aufbau

Vgl. Leenen BGB AT vor § 8 Rn. 1 ff.; § 11 Rn. 11 ff. wird daher gedanklich zwischen der Wirksamkeit einer Willenserklärung und der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts unterschieden. 

Diese in den gesetzlichen Tatbeständen angelegte (feine) Unterscheidung wird von Vielen aber häufig auch gedanklich zusammengefasst, indem Fragen der Wirksamkeit einer Willenserklärung zugleich Fragen der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts sein sollen.

Vgl. etwa Grüneberg-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 3, wo sämtliche Aspekte, die die Wirksamkeit von Willenserklärung und Rechtsgeschäft betreffen, unter dem Begriff „Wirksamkeitsvoraussetzungen“ zusammengefasst werden.

Beide Darstellungsweisen sind vertretbar und werden nie zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Es geht darum, welche gedankliche Prüfungsreihenfolge dem Gesetzeswortlaut am nächsten kommt und zu einer möglichst einfachen, klaren und logisch sauberen Abschichtung der Themen führt. Allein aus Gründen der klareren und stringenteren Prüfung wurde dem hier vorgestellten Aufbau der Vorzug gegeben.

Beim Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes ist zwischen einseitigen Rechtsgeschäften und Verträgen zu unterscheiden:

Bitte Beschreibung eingeben

Je nach Art und Inhalt des Rechtsgeschäfts und der an ihm beteiligten Personen können außerdem besondere Wirksamkeitshindernisse für das Rechtsgeschäft bestehen.

Der Ausdruck „Wirksamkeitshindernisse“ dient der Abgrenzung von den Wirksamkeitserfordernissen, die bis zu ihrer Erfüllung nur zur schwebenden Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts führen, vgl. Leenen BGB AT § 9 Rn. 13; „Wirksamkeitserfordernisse“ und „Wirksamkeitshindernisse“ lassen sich unter dem Begriff „Wirksamkeitsvoraussetzungen“ zusammenfassen, Leenen a.a.O. m.w.N. In diesen Fällen wird das Rechtsgeschäft von der Rechtsordnung von Anfang an nicht anerkannt und soll deshalb wirkungslos bleiben. Das Rechtsgeschäft kann die mit ihm gewünschten Folgen von Anfang an nicht herbeiführen. Dies wird regelmäßig als „Nichtigkeit“ bezeichnet.Grüneberg-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 27 der zugleich in Rn. 29 darauf hinweist, dass das Gesetz nicht immer von „Nichtigkeit“ spricht, wenn „Nichtigkeit“ gemeint ist und einen Überblick über die Varianten in den verschiedenen Tatbeständen gibt (unbedingt einmal nachlesen!).

Definition

Definition: Wirksamkeitshindernisse für ein Rechtsgeschäft

Wirksamkeitshindernisse für ein Rechtsgeschäft werden durch solche Normen begründet, die zur Nichtigkeit eines konkret zustande gekommenen Rechtsgeschäfts führen.

Leenen BGB AT § 9 Rn. 10 ff.; diejenigen Normen, die zur Nichtigkeit einer Willenserklärung führen, werden nach dem hier vorgestellten Aufbau gedanklich bereits bei der jeweiligen Willenserklärung auf der ersten gedanklichen Prüfungsebene „Zustandekommen“ des Rechtsgeschäfts geprüft.

Anders als die Wirksamkeitserfordernisse fällen die Wirksamkeitshindernisse das endgültige Urteil über die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts, indem sie es für nichtig (= endgültig unwirksam) erklären. Wirksamkeitshindernisse können sich aus Gesetz oder früheren Vereinbarung ergeben.

Beispiel

Gesetzliche Nichtigkeitsanordnungen in §§ 111 S. 1, 125 S. 1, 134, 138, 142 Abs. 1, 174 S. 1, 180 S. 1, 248 Abs. 1, 494 Abs. 1, 925 Abs. 2;

Verstoß gegen vertraglich vereinbartes Formerfordernis (vgl. Auslegungsregel in § 125 S. 2), z.B. formlose Kündigung eines Mietvertrages über Büroräume, obwohl dafür im Vertrag Schriftform vereinbart wurde.

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In Ausnahmefällen gibt es gesetzlich angeordnete Heilungsmöglichkeiten.

Gibt es keine Heilungsmöglichkeit, ist das Rechtsgeschäft unheilbar nichtig, d.h. wirkungslos. Es muss unter Beachtung der Wirksamkeitshindernisse neu vorgenommen oder bestätigt (§ 141) werden.

Grüneberg-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 3, 27 ff. Teilwirkungen des nichtigen Rechtsgeschäfts lassen sich möglicherweise noch über seine Umdeutung in ein wirksames Rechtsgeschäft nach § 140 „retten“.Bestätigung und Umdeutung sind Gegenstand des Skripts „BGB AT II“.

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