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Bei einer formell und materiell baurechtswidrigen Anlage ist der Erlass einer Abrissverfügung i.S.d. § 82 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 grundsätzlichVgl. aber OVG NRW NWVBl. 2016, 248, zur (ausnahmsweisen) Rechtswidrigkeit einer Abrissverfügung. gerechtfertigt. Weder der Bestandsschutz noch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht hier dem Erlass einer solchen Abrissverfügung entgegen. – So könnte der Fall in unserem Beispiel 3 oben (Rn. 441) liegen. Hinsichtlich der Errichtung des sechsten Vollgeschosses ohne die erforderliche Baugenehmigung ist das Wohnhaus des R formell baurechtswidrig. Um eine Abrissverfügung i.S.d. § 82 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 erlassen zu können, müsste die Anlage des R auch materiell rechtswidrig sein. Insoweit bestehen Zweifel, weil R das zu Wohnzwecken genutzte Gebäude zunächst als Wohnhaus und erst später teilweise gewerblich genutzt hat. Jedenfalls entsprach die ursprüngliche Nutzung des Hauses den Vorgaben der Baugenehmigung und war somit rechtmäßig. Die entscheidende Frage ist demnach, ob es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf den Zeitpunkt der Errichtung der Anlage oder auf einen späteren Zeitpunkt ankommt. Abgestellt wird auf den Zeitpunkt der Errichtung der Anlage.Vgl. Hellermann in: Dietlein/Hellermann Öffentliches Baurecht in Nordrhein-Westfalen, § 4 Rn. 294 m.N. Demnach wäre der Erlass einer Abrissverfügung i.S.d. § 82 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 rechtswidrig.
Expertentipp
Bedenken Sie also: Eine Abrissverfügung i.S.d. § 82 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 ist nur zulässig, wenn die Anlage seit ihrer Errichtung formell und materiell baurechtswidrig ist. War die Anlage zu irgendeinem Zeitpunkt materiell baurechtmäßig, wird eine solche Abrissverfügung für unzulässig gehalten.