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Eine Änderung des Steuerbescheids kann auch aufgrund einer widerstreitenden Steuerfestsetzung erfolgen. Das Gesetz kennt drei Arten widerstreitender Steuerfestsetzung: den positiven Widerstreit, den negativen Widerstreit und den durch Rechtsbehelf ausgelösten Widerstreit.
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Der positive Widerstreit ist in § 174 Abs. 1, Abs. 2 AO erfasst. Dabei wird ein und derselbe Sachverhalt mehrfach zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt. Dies kann in folgender Weise geschehen:
• | Derselbe Sachverhalt wird mehreren, sich gegenseitig ausschließenden Steuerarten unterworfen. |
Beispiel
Die Einkünfte einer Gesellschaft werden als körperschaftsteuerpflichtig behandelt, gleichzeitig werden die Einkünfte der Gesellschafter als Einkünfte aus gewerblicher Mitunternehmerschaft behandelt.
• | Derselbe Sachverhalt wird mehreren Steuerpflichtigen zugeordnet, obwohl er nur einem zugeordnet werden kann. |
Beispiel
Der Abzug von AfA bei einer Maschine wird dem Leasinggeber und dem Leasingnehmer gestattet.
• | Derselbe Sachverhalt wird in mehreren Veranlagungszeiträumen erfasst. |
Beispiel
Die Januarmiete geht im Dezember 2016 ein und wird sowohl im Veranlagungsjahr 2016 als auch im Veranlagungsjahr 2017 berücksichtigt.
• | Derselbe Sachverhalt wird von mehreren Finanzämtern wegen derselben Steuerschuld berücksichtigt. |
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Der negative Widerstreit ist in § 174 Abs. 3 AO erfasst. In einem solchen Fall wird ein bestimmter Sachverhalt bei einer Steuerfestsetzung in der erkennbaren Annahme nicht berücksichtigt, dass der Sachverhalt in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei.
Bei dem in § 174 Abs. 4 AO erfassten durch Rechtsbehelf ausgelösten Widerstreit kann eine Korrektur erfolgen, wenn aufgrund eines Antrags oder Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen ein fehlerhafter anderer Bescheid zugunsten des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert wurde und deshalb die Steuerfestsetzung mit der infolge des erfolgreichen Antrags bzw. Rechtsbehelfs eingetretene Rechtslage unvereinbar ist. Die Korrektur kann für den Steuerpflichtigen, der den Antrag gestellt bzw. den Rechtsbehelf erhoben hat, oder für einen Dritten (§ 174 Abs. 5 AO) erfolgen.
Hinweis
Zu beachten ist unbedingt, dass eine Änderung nach § 174 AO immer nur dann in Frage kommt, wenn es um die Unvereinbarkeit von Festsetzungen in zwei verschiedenen Steuerbescheiden geht.
Beispiel
Im Einkommensteuerbescheid 2022 werden Mieteinnahmen sowohl als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG als auch als Einnahmen aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt. Eine Änderung nach § 174 AO kommt nicht in Frage, da es sich um eine Mehrfachberücksichtigung in ein- und demselben Steuerbescheid handelt. Der Steuerpflichtige kann dagegen nur mit dem Einspruch vorgehen. Eine Änderung nach § 174 AO ist verschuldensunabhängig möglich, so dass diese Regelung für den Steuerpflichtigen eine Änderung auch dann ermöglicht, wenn wegen seines Verschuldens eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausgeschlossen ist