Zivilprozessordnung

Übersicht über die Rechtsbehelfe und Rechtsmittel im Zivilprozess

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I. Allgemeine Grundsätze

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In der ZPO gibt es keinen „Allgemeinen Teil“ für Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel. Dennoch haben sich allgemeine Grundsätze herauskristallisiert.

1. Unterscheidung zwischen Rechtsbehelf und Rechtsmittel

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Der Begriff des Rechtsmittels ist enger als der Begriff Rechtsbehelf. Rechtsmittel sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Suspensiv- und Devolutiveffekt haben. Der Suspensiveffekt bedeutet, dass der Eintritt der formellen Rechtskraft durch die Einlegung des Rechtsmittels gehemmt wird. Der Devolutiveffekt befördert den Rechtsstreit auf eine höhere Ebene, nämlich in die nächsthöhere Instanz. Diese Kriterien erfüllen nur die Berufung, die Revision, die sofortige Beschwerde und die Rechtsbeschwerde. Der Begriff Rechtsbehelf beschreibt die Anfechtbarkeit einer Entscheidung. Beispiele sind der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil oder die Anhörungsrüge (§ 321a ZPO). Beide haben keinen Devolutiveffekt.

2. Beschwer

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Die sog. Beschwer ist Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes Rechtsmittel. Sie ist nirgendwo gesetzlich geregelt. Nach allgemeiner Ansicht ist die Beschwer eine besondere Ausprägung des Rechtsschutzbedürfnisses. Das Urteil soll nur dann von einer Partei angegriffen werden dürfen, wenn sie von dem Urteil „negativ betroffen“ (= beschwert) wird. Unterschieden wird zwischen formeller und materieller Beschwer. Formelle Beschwer liegt vor, wenn Urteilstenor und Sachantrag voneinander (formell) abweichen. Für den Kläger ist stets die formelle Beschwer maßgebend.

BGH NJW 2002, 212, 213; Zeiss/Schreiber Zivilprozessrecht Rn. 653.

Beispiel

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Das AG Köln hat Mona in seinem Urteil lediglich 273 € Austauschkosten zugesprochen. Damit ist Mona formell beschwert, denn ihr Klageantrag weicht vom Urteilstenor nachteilig ab.

400

Beim Rechtsmittel der Berufung muss zusätzlich eine bestimmte „Mindestbeschwersumme“ erreicht werden. Diese beträgt 600 €. Nun wird das Ganze etwas spitzfindig. In § 511 ZPO ist nicht von der „Beschwer“, sondern vom „Wert des Beschwerdegegenstandes“ die Rede. Das bedeutet, dass Mona mit ihrem Berufungsantrag die Schwelle des Beschwerdegegenstandswertes erreichen muss. Da ihre Klage in Höhe von 1377 € (= 1650 € - 273 €) abgewiesen wurde, muss sie in der Berufungsinstanz mindestens 600,01 € einklagen. Andernfalls erreicht sie nicht den Beschwerdegegenstandswert. Mona darf also mit ihrem Berufungsantrag nicht zu bescheiden sein.

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Für den Beklagten stellt die Rechtsprechung auf die materielle Beschwer ab. Diese liegt vor, wenn der Beklagte eine zu seinen Gunsten abweichende Entscheidung erreichen kann.

Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO § 511 Rn. 16. Dafür reicht jeder nachteilige Inhalt des Urteils. Beispiele dafür sind die teilweise Klagestattgabe oder die Klageabweisung als unzulässig statt als unbegründet.

 

3. Rechtsmittelverzicht, Rechtsmittelrücknahme

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Sowohl Kläger als auch Beklagter können auf Rechtsmittel verzichten (§§ 515, 565, 567 Abs. 3 S. 1, 574 Abs. 4 S. 1 ZPO). Der Verzicht ist eine Prozesshandlung und daher unanfechtbar und unwiderruflich. Wird der Verzicht (auch schon vor Erlass der Entscheidung) gegenüber dem Gericht erklärt, hat es diese Erklärung von Amts wegen zu berücksichtigen

BGH BeckRS 2017, 135207. und das dennoch eingelegte Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. Wird der Verzicht gegenüber dem Gegner erklärt, muss sich dieser darauf berufen. Erst dann kann das Gericht das Rechtsmittel als unzulässig verwerfen.

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Legt eine Partei ein Rechtsmittel ein, kann sie es bis zur Verkündung des Rechtsmittelurteils zurücknehmen. Für die Berufung ist dies in § 516 ZPO geregelt, für die Revision verweist § 565 ZPO auf § 516 ZPO. Die Rücknahmemöglichkeit gilt nach h.M. für die Beschwerde, wenngleich eine gesetzliche Regelung fehlt. Die Rücknahme muss gegenüber dem Gericht erklärt werden (§§ 516 Abs. 2 S. 1, 565 ZPO). Das Gericht entscheidet dann durch Beschluss über den Verlust des Rechtsmittels.

4. Verbot der reformatio in peius

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Für sämtliche Rechtsmittel gilt das Verschlechterungsverbot (= reformatio in peius). Für die Berufung ist es ausdrücklich in § 528 S. 2 ZPO geregelt. Es verbietet dem Rechtsmittelgericht, das angegriffene Urteil zum Nachteil des Rechtsmittelklägers zu verändern. Der Instanzenzug dient dem Schutz des Rechtsmittelführers, er darf nicht zu seinen Lasten gehen. Begründet wird dies mit der Dispositionsmaxime. Das Gericht dürfe nur über den Antrag des Klägers entscheiden, das Urteil zu seinen Gunsten abzuändern (vgl. auch § 308 ZPO). Die Position des Rechtsmittelklägers kann sich durch das Rechtsmittel also nur verbessern oder allenfalls gleich bleiben. Eine Verschlechterung ist nicht erlaubt. Von diesem Grundsatz gibt es eine wesentliche Ausnahme. Tritt der Rechtsmittelbeklagte nun in Aktion und legt ebenfalls Rechtsmittel oder ein sog. Anschlussrechtsmittel ein, was er darf (§§ 524, 554, 567, Abs. 3, 574 Abs. 4 ZPO), werden die Karten neu gemischt und das Gericht kann den Fall frei entscheiden. Das Anschlussrechtsmittel ist allerdings vom Hauptrechtsmittel abhängig und teilt daher sein Schicksal.

Hinweis

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Die reformatio in peius ist Ihnen bereits aus dem öffentlichen Recht bekannt. Wird Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt erhoben (§ 68 VwGO), ist äußerst umstritten, ob eine Verböserung zu Lasten des Widerspruchsführers durch die Widerspruchsbehörde erlaubt ist.

5. Meistbegünstigungsgrundsatz

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Auch Gerichten können Fehler passieren. Der Meistbegünstigungsgrundsatz besagt, dass die Parteien selbst bestimmen können, welches Rechtsmittel sie einlegen, wenn das Gericht eine falsche Entscheidungsart gewählt hat (z.B. Beschluss statt Urteil). Es ist ihnen gestattet, sowohl das formal passende als auch das objektiv richtige Rechtsmittel einzulegen.

BGH NJW 2016, 3380; NJW 2012, 1591, 1593; NJW 2013, 2358, 2359. Was gilt bei falschen/widersprüchlichen Rechtsbehelfsbelehrungen? Die Partei, aber auch der Anwalt dürfen sich grundsätzlich auf die Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung (§ 232 ZPO) verlassen.BGH NJW 2018, 165, 166; NJW 2018, 164, 165; NJW 2017, 1112, 1113; NJW 2017, 3002, 3003. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Belehrung offenkundig falsch ist (= also nicht einmal den Anschein der Richtigkeit erwecken kann).BGH NJW 2018, 165, 166. Hat der Kläger wegen der falschen Belehrung das falsche Gericht angerufen, ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 233 S. 1, 2 ZPO) zu gewähren (näher Rn. 175).

 

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