Zivilprozessordnung

Streitverkündung im Zivilprozess

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2. Streitverkündung

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Während im Fall der Nebenintervention ein Dritter freiwillig zur Unterstützung einer Partei dem Prozess „hinzutritt“, wird bei der Streitverkündung (§§ 72 ff. ZPO) ein Dritter von einer Partei zwangsweise in den Rechtsstreit „hineingezogen“. Zweck ist es, die Interventionswirkung des § 68 ZPO herbeizuführen. Gerechtfertigt wird dies damit, dass der Dritte ja rechtliches Gehör bekommt, er zur Aufklärung beitragen kann und so verschiedene Prozesse mit widersprüchlichen Prozessergebnissen verhindert werden.

BGH NJW 2015, 559, 560.

Beispiel

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Mona verklagt die V-GmbH wegen der mangelhaften Fliesen auf Übernahme der Nacherfüllungskosten. Das Gericht bejaht einen Sachmangel und gibt der Klage statt. Nun verklagt die V-GmbH den Fliesenhersteller auf Schadensersatz. Das zweite Gericht kommt zu der Auffassung, dass kein Sachmangel besteht. Damit stünde die V-GmbH als Verliererin dar. Deshalb erlaubt die ZPO durch das Instrument der Streitverkündung, den Dritten (= Regresspflichtigen) „in den Erstprozess zu ziehen“, um die Interventionswirkung herbeizuführen. Dadurch werden widersprüchliche Urteile vermieden.

 

a) Voraussetzungen

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Die Voraussetzungen sind in § 72 ZPO geregelt. Die Streitverkündung setzt einen anhängigen Rechtsstreit voraus. Zudem muss ein besonderer Streitverkündungsgrund vorliegen. In § 72 Abs. 1 ZPO werden zwei Fallgruppen unterschieden. Ein Streitverkündungsgrund liegt zum einen vor, wenn die Partei Angst vor einem ungünstigen Prozessausgang hat und glaubt, dann einen Anspruch gegen einen Dritten auf Gewährleistung oder Schadloshaltung zu haben (§ 72 Abs. 1 Alt. 1 ZPO) oder „den Anspruch eines Dritten besorgt“ (§ 72 Abs. 1 Alt. 2 ZPO). Ansprüche auf Gewährleistung können sich etwa aus Kaufvertrag (§ 437 BGB), aus Werkvertrag (§ 634 BGB) oder aus Mietvertrag (§§ 536, 536a BGB) ergeben Schadloshaltung kommt etwa im Fall eines Regressanspruches des Bürgen gegen den Hauptschuldner in Betracht (§ 774 BGB) oder des Verkäufers gegen seinen Lieferanten (§§ 474, 445a, 445b BGB). Eine Streitverkündung zur Abwehr drohender Drittansprüche regelt § 72 Abs. 1 Alt. 2 ZPO. Hierher gehören etwa zur Drittschadensliquidation berechtigte Parteien. Nach allgemeiner Ansicht ist der Wortlaut des § 72 ZPO zu eng, so dass die Streitverkündung auch zulässig ist, wenn die Ansprüche in einem Alternativverhältnis bestehen.

BGH NJW 2015, 559, 560.

b) Vornahme der Streitverkündung

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Die Streitverkündung muss in der Form des § 73 ZPO vorgenommen werden. Sie erfolgt in einem anhängigen Rechtsstreit durch einen Schriftsatz, der dem Dritten (= Streitverkündungsempfänger) zugestellt und dem Gegner bekannt gegeben werden muss (§ 73 ZPO). Der Schriftsatz muss den Grund des im Folgeprozess geltend zu machenden Anspruchs nennen, damit der Dritte den Eintritt in den Rechtsstreit prüfen kann.

BGH NJW 2012, 674, 675. Nicht Dritter ist z.B. der gesetzliche Vertreter einer Partei oder ein vom Gericht zugezogener Sachverständiger (§ 72 Abs. 2 ZPO), selbst wenn gegen den Sachverständigen Schadensersatzansprüche wegen eines falschen Gutachtens bestehen (§ 839a BGB).BGH NJW 2006, 3214. Das Gericht prüft, ob die Prozesshandlungsvoraussetzungen (insbesondere Postulationsfähigkeit im Anwaltsprozess § 78 ZPO) vorliegen. Ob ein Streitverkündungsgrund vorliegt, wird erst im Folgeprozess geklärt, es sei denn, eine Entscheidung wird hierzu beantragt (§§ 74 Abs. 1, 71 ZPO).

c) Reaktionsmöglichkeiten des Dritten

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Der Dritte hat zwei Möglichkeiten zu reagieren. Nach § 74 Abs. 1 ZPO kann der Dritte (= Streitverkündungsempfänger) dem Streitverkünder beitreten. Dann erlangt er die Stellung eines Nebenintervenienten (§§ 66 ff. ZPO). Tritt er nicht bei, wird der Prozess eben ohne seine Beteiligung fortgesetzt (§ 74 Abs. 2 ZPO). Die Wirkung der Streitverkündung tritt in beiden Fällen ein.

d) Wirkung der Streitverkündung

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Expertentipp

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Haben Sie die Interventionswirkung noch im Gedächtnis? Wenn nicht, wiederholen Sie diese kurz (Rn. 315 f.).

Die zulässige Streitverkündung zieht die Interventionswirkung (§ 68 ZPO) nach sich. Dabei tritt die Interventionswirkung nach § 74 Abs. 3 ZPO unabhängig davon ein, ob der Streitverkündungsempfänger dem Rechtsstreit aktiv beigetreten ist (§ 74 Abs. 1 ZPO) oder nicht (§ 74 Abs. 2 ZPO). Im Folgeprozess ist der Richter also an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Vorprozesses („die tragenden Grundlagen des Urteils“) gebunden.

BGH NJW 2015, 559, 560; NJW 2015, 1824, 1825. Der Streitverkündungsempfänger kann nicht mehr behaupten, der Erstprozess sei falsch entschieden worden. Die Interventionswirkung tritt stets nur zu Gunsten des Streitverkünders ein, nicht zu seinen Lasten.BGH NJW 2015, 1824, 1825. Ein weiterer Vorteil besteht für den Streitverkünder bezüglich der Verjährung. Die Verjährung wird bei zulässiger Streitverkündung (zu den Mindestangaben im Schriftsatz Rn. 321) gegenüber dem Dritten gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB).BGH NJW 2012, 674, 676; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht § 51 Rn. 24. Die Hemmung tritt bereits mit dem Eingang der Streitverkündungsschrift bei Gericht ein (§ 167 ZPO), unabhängig davon, ob die Zustellung des Schriftsatzes noch vor Ablauf der Verjährungsfrist oder danach erfolgt.BGH NJW 2010, 856, 857. Die Rückwirkung des § 167 ZPO darf den früher Einreichenden nicht schlechter stellen.

Beispiel

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Verkündet die V-GmbH im obigen Beispiel dem Fliesenhersteller F unter Angabe des Regressgrundes den Streit, kann die V-GmbH „in Ruhe“ den Ausgang des Prozesses mit Mona abwarten. Die Verjährung des Regressanspruches gegenüber dem Fliesenhersteller wird durch die zulässige Streitverkündung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB). Verliert die V-GmbH den Prozess gegen Mona, kann die V-GmbH den noch unverjährten Regressanspruch gegen den Fliesenhersteller einklagen. Das hierüber entscheidende Gericht ist an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Erstgerichts aufgrund der Interventionswirkung (§ 68 ZPO) gebunden. Der Fliesenhersteller kann nicht mehr geltend machen, der Erstprozess mit Mona sei falsch entschieden.

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