Zivilprozessordnung

Klagerücknahme Zivilprozess

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I. Klagerücknahme

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Beispiel

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Mona muss in ihrem „Fliesenrechtsstreit“ enttäuscht feststellen, dass überwiegend angenommen wird, dass gerade in ihrem Fall, wo die Fliesen durch einen anderen Fliesenleger eingebaut wurden, kein Anspruch gegen die Verkäuferin der Fliesen auf Einbau und Ausbau selbst besteht. Ihr Freund Thomas rät ihr erneut, mit dem Prozessieren aufzuhören. Er findet, die ganze Klage sei „Geldverbrennen“.

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Expertentipp

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Lesen Sie zunächst den gesamten § 269 ZPO, der alle wichtigen Informationen in seinem Wortlaut enthält (und daher ein wenig lang geraten ist).

Möchte der Kläger nicht mehr an seiner Klage festhalten und eine Erledigung des Prozesses ohne Urteil erreichen, kann er die Klage unter den Voraussetzungen des § 269 ZPO zurücknehmen. Die Klagerücknahme wird der Kläger regelmäßig anstreben, wenn er seinen Prozess für wenig aussichtsreich hält, etwa weil ihm Beweismittel fehlen oder – wie im obigen Beispiel – eine entgegenstehende höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist.

 

1. Vorteile aus Klägersicht

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Aus Sicht des Klägers bietet die Klagerücknahme bei (derzeit) aussichtslosen Klagen einige Vorteile. Ein Vorteil liegt darin, dass kein streitiges Urteil ergeht und daher nur eine Gerichtsgebühr (statt drei Gebühren) anfällt. Damit nimmt der Prozess ein etwas billigeres Ende. Die Interessen des Beklagten werden eher zwiespältig sein. Einerseits ist er das Gerichtsverfahren „auf die Schnelle“ los. Andererseits kann der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt erneut Klage erheben (§ 269 Abs. 6 ZPO). Denn die Klagerücknahme hat lediglich die Wirkung, als sei die Klage nie rechtshängig geworden (§ 269 Abs. 3 S. 1 ZPO). Damit bleibt der Beklagte bis zum Verjährungseintritt des Anspruchs im Ungewissen, ob der Kläger erneut Klage erhebt.

2. Voraussetzungen

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Zunächst muss der Kläger die Klagerücknahme gegenüber dem Gericht erklären (§ 269 Abs. 2 S. 1 ZPO). Das kann in der mündlichen Verhandlung oder in einem Schriftsatz erfolgen (§ 269 Abs. 2 S. 2 ZPO). Im Anwaltsprozess (§ 78 ZPO) muss die Erklärung von einem Rechtsanwalt abgegeben werden. Die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen müssen vorliegen. Die Klagerücknahme ist Bewirkungshandlung, so dass Anfechtung und Widerruf ausgeschlossen sind.

Schilken Zivilprozessrecht Rn. 621. Die Klagerücknahme setzt eine Klage, d.h. Rechtshängigkeit, voraus. Die Rücknahme kann daher ab Zustellung der Klage (= ab Rechtshängigkeit) bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft erklärt werden.Zeiss/Schreiber Zivilprozessrecht Rn. 485. Die h.M. erlaubt darüber hinaus die Klagerücknahme schon zwischen Anhängigkeit und Zustellung (= vor Rechtshängigkeit) der Klage.Zöller/Greger ZPO § 269 Rn. 8; Adolphsen Zivilprozessrecht § 14 Rn. 9. Grund ist die Neufassung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, der die Kostenfrage für die Rücknahme der Klage zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit regelt. Ist der Anlass der Klage vor Anhängigkeit entfallen, gilt § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO analog (hierzu Rn. 217).

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Benötigt der Kläger für seine Klagerücknahme die Einwilligung des Beklagten? Nach § 269 Abs. 1 ZPO kann der Kläger bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung seine Klage ohne weiteres zurücknehmen. Nach Beginn der mündlichen Verhandlung (= Äußerungen der Parteien zur Sache = Stellung der Sachanträge) ist die Klagerücknahme nur noch mit Einwilligung des Beklagten möglich (§ 269 Abs. 1 ZPO). Denn der Beklagte hat ab diesem Zeitpunkt ein Recht darauf, dass die Klage rechtskräftig entschieden wird. Wird die Klagerücknahme schriftsätzlich erklärt und dem Beklagten zugestellt, gilt sein Schweigen als Einwilligung, wenn er auf die Folge seines Schweigens hingewiesen wurde (§ 269 Abs. 2 S. 4 ZPO).

3. Rechtliche Folgen

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Die Klagerücknahme hat prozessuale, kostenrechtliche und materiell-rechtliche Wirkungen. Durch die Klagerücknahme wird der Prozess beendet. Die Rechtshängigkeit der Klage wird durch die Rücknahme rückwirkend beseitigt (§ 269 Abs. 3 S. 1 ZPO). Das Gericht darf daher keine Sachentscheidung treffen. Ein bereits ergangenes (nicht rechtskräftiges) Urteil wird automatisch wirkungslos (§ 269 Abs. 3 S. 1 ZPO). Es ergeht lediglich eine Kostenentscheidung. Diese Kostenregelung hat der Gesetzgeber mehrfach reformiert. Als Veranlasser der Klage (und der Klagerücknahme) muss der Kläger grundsätzlich die bereits angefallenen Kosten tragen (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO). In einem besonderen Fall ist diese Kostenregel gemildert. Nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO kann das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen entscheiden, wenn der Anlass zur Klage vor Rechtshängigkeit entfallen ist (z.B. der Beklagte erfüllt schnell den Anspruch). Die h.M. wendet diese Norm analog für den Wegfall des Anlasses vor Anhängigkeit an, wenn der Kläger nichts davon wusste.

Vgl. OLG Karlsruhe NJW 2012, 1373, 1374; Musielak/Voit/Foerste ZPO § 269 Rn. 13b. Statt über § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO vorzugehen, kann der Kläger wahlweise Kostenerstattungsklage erheben.BGH NJW 2013, 2201. Ist der Anlass nach Rechtshängigkeit weggefallen, hilft die Erledigungserklärung.BGH NJW 2014, 3520, 3521.

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Die Klagerücknahme entfaltet keine „Sperrwirkung“ für einen neuen Prozess. Der Kläger kann jederzeit erneut Klage erheben (§ 269 Abs. 6 ZPO). Das ist das Risiko für den Beklagten. Materiell-rechtlich ist die Verjährungsvorschrift des § 204 Abs. 2 S. 1 BGB zu beachten. Der Kläger hat für eine etwaige erneute Klage Zeit. Denn die Wirkung der Hemmung entfällt erst sechs Monate nach Klagerücknahme (= „anderweitige Beendigung“).

Beispiel

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Mona nimmt wegen der Zweifel die Klage noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurück. Sollte Mona eine abweichende BGH- oder EuGH-Entscheidung finden, könnte Mona erneut Klage erheben (§ 269 Abs. 6 ZPO), falls der Anspruch bis dahin nicht verjährt ist. Die Prozesskosten der ersten Klage (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO) muss Mona tragen.

4. Verpflichtung zur Klagerücknahme

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Die Parteien können (beispielsweise im Rahmen von Vergleichsgesprächen) außerhalb des Prozesses eine Vereinbarung treffen, dass der Kläger die Klage zurücknimmt. Umstritten ist, ob es sich um eine prozessuale oder materiell-rechtliche Vereinbarung handelt. Nach überwiegender Ansicht in der Literatur handelt es sich um einen Prozessvertrag.

Adolphsen Zivilprozessrecht § 14 Rn. 12. Die Vereinbarung führt nicht automatisch zum Wegfall der Rechtshängigkeit. Der Kläger muss auch hier erst die Klagerücknahme gegenüber dem Gericht erklären (§ 269 ZPO). Hält er sich nicht an seine Vereinbarung, ist auf prozessuale Einrede des Beklagten hin die Klage als unzulässig abzuweisen.MüKo-Becker-Eberhard ZPO § 269 Rn. 12; Schilken Zivilprozessrecht Rn. 624. Die Gegenansicht kommt über die Arglisteinrede (§ 242 BGB) zu demselben Ergebnis.

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