Zivilprozessordnung

Ablauf eines Zivilprozesses

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D. Ablauf eines Zivilprozesses

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Mit Eingang der Klageschrift bei Gericht (§ 253 Abs. 5 ZPO) wird der Prozess „losgetreten“. Das Verfahren nimmt nun seinen Gang. Die Abfolge eines Zivilprozesses unterliegt einer gewissen Grundstruktur. Mona verschafft sich anhand der nachfolgenden Grafik einen ersten Überblick, wie sich der Ablauf eines Zivilprozesses und ihr Leben in den nächsten Monaten gestaltet.

I. Überblick

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Die wichtigsten Schlüsselbegriffe sind außergerichtliche Streitschlichtung, Klageerhebung (= Zustellung der Klage), schriftliches Vorverfahren, Gütetermin, mündliche Verhandlung, Beweisaufnahme, Endurteil und Vollstreckung. Im folgenden Kapitel werden vor allem die Stationen bis zur Beweisaufnahme näher dargestellt. Beweisaufnahme, Urteil sowie die Vollstreckung aus dem Urteil werden in gesonderten Kapiteln behandelt.

 

II. Außergerichtliche Streitschlichtung

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Manche Zivilprozesse setzen die vorherige Durchführung einer außergerichtlichen Streitschlichtung (§ 15a EGZPO) voraus (siehe Rn. 21 ff.). In bestimmten Fällen können die Bundesländer die Erhebung der Klage von einem vorherigen Versuch einer einvernehmlichen Konfliktlösung vor einer Gütestelle abhängig machen.

Überblick bei Pohlmann Zivilprozessrecht Rn. 114. Dies betrifft nachbarrechtliche Streitigkeiten, Ehrverletzungen sowie Ansprüche aus dem AGG. Die meisten Länder haben zwischenzeitlich für vermögensrechtliche Streitigkeiten (bis zu 750 €) auf das Erfordernis eines vorherigen obligatorischen Schlichtungsversuchs verzichtet, da der erhoffte Entlastungseffekt für die Gerichte nicht eingetreten ist. Keine Pflicht besteht zur Durchführung eines Mediationsverfahrens (Rn. 12, 24). Dieses Verfahren setzt absolute Freiwilligkeit voraus.

III. Klageerhebung

1. Voraussetzungen

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„Wo kein Kläger, da kein Richter“. Mit diesem Satz wird die zentrale Bedeutung der Klageerhebung für den Zivilprozess trefflich beschrieben. Die Einreichung der Klage ist notwendige Voraussetzung für den Beginn eines Zivilprozesses (§ 253 Abs. 5 ZPO). Die Anforderungen an den Inhalt einer Klageschrift sind in § 253 Abs. 2 ZPO festgelegt (hierzu Rn. 63 ff.). Die Klageschrift kann per Post gesendet, gefaxt oder in den (Nacht-)briefkasten bei Gericht geworfen werden. Auch eine elektronische Einreichung ist möglich (§ 130a ZPO; näher Rn. 75). Durch die Einreichung der Klageschrift wird die Klage bei Gericht anhängig. Wichtig für den Kläger ist nun der nächste Schritt, den das Gericht veranlasst. Die Klage muss dem Beklagten unverzüglich zugestellt werden (§ 271 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 166 ff. ZPO). Bislang erfolgte die Zustellung der Klage klassischerweise in Papierform per Post. Sie kann nun aber auch elektronisch erfolgen, im Anwaltsprozess gegen (elektronisches) Empfangsbekenntnis (§ 174 Abs. 4 ZPO). Damit das funktioniert, müssen die Anwälte ab 2018 ein beA bereithalten (§ 174 Abs. 3 S. 1 u. 4 ZPO). In Papierform ist eine beglaubigte Abschrift der Klage zuzustellen.

BGH NJW 2016, 1517, 1518. Wird nur eine einfache Abschrift zugestellt, ist eine Heilung gem. § 189 ZPO (durch tatsächlichen Zugang) möglich.BGH NJW 2017, 3721, 3722. Ein elektronisches Dokument wird i.d.R. ohne Beglaubigung zugestellt (vgl. § 169 Abs. 5 ZPO). Mit der Zustellung der Klage an den Beklagten ist die Klage erhoben (§ 253 Abs. 1 ZPO), auch wenn die Anlagen fehlen.BGH NJW 2013, 387, 390. Hierdurch wird die Klage rechtshängig (§ 261 Abs. 1 ZPO). Die Klage soll grundsätzlich erst dann zugestellt werden, wenn der Gerichtskostenvorschuss vom Kläger eingezahlt wurde (§ 12 Abs. 1 S. 1 GKG).
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2. Beteiligter Personenkreis

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Der Zivilprozess beruht auf dem Zwei-Parteien-Prinzip. Allerdings erweitert sich der beteiligte Personenkreis durch einen Prozess erheblich. Mit der Erhebung der Klage entsteht ein öffentlich-rechtliches Prozessrechtsverhältnis zwischen Kläger, Beklagtem und Gericht. Hierdurch werden zahlreiche Parteipflichten begründet (z.B. Prozessförderungspflichten, Wahrheits- und Vollständigkeitspflichten).

Ausführlich Zöller/Vollkommer ZPO Einl. Rn. 52 ff. Eine zentrale Schlüsselrolle fällt dem Gericht zu (Einzelrichter, Kammer), das nun über den Fall entscheidet. Im Anwaltsprozess übernehmen die von Kläger und Beklagten bevollmächtigten Rechtsanwälte wichtige Funktionen. Die Geschäftsstelle bei Gericht kümmert sich um die erforderlichen Zustellungen und Ladungen. Ist eine Beweiserhebung erforderlich, werden auch Zeugen und Sachverständige in den Prozess involviert. Kommt es zur Zwangsvollstreckung, nehmen Vollstreckungsgericht, Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher eine wesentliche Rolle im Verfahren ein. Nähere Regelungen zu den involvierten Personen finden sich in der ZPO und in den prozessualen „Nebengesetzen“ (z.B. BRAO, RVG, RpflegerG, ZVG, GVGA).

3. Wirkungen der Klageerhebung

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Die Klageerhebung bewirkt die Rechtshängigkeit der Klage (§ 261 Abs. 1 ZPO). Mit der Klageerhebung sind weitreichende prozessuale und materiell-rechtliche Folgen verbunden.

a) Prozessuale Wirkungen

aa) Anderweitige Rechtshängigkeit

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Die Rechtshängigkeit der Klage bewirkt, dass dieselbe Streitsache nicht bei einem anderen Gericht zum zweiten Mal rechtshängig gemacht werden darf (§ 261 Abs. 3 S. 1 ZPO). Sind die Parteien und der Streitgegenstand im zweiten Prozess identisch, muss das zweite Gericht die Klage als unzulässig abweisen (siehe Rn. 137).

Zeiss/Schreiber Zivilprozessrecht Rn. 346; Schilken Zivilprozessrecht Rn. 236. Diese Situation kommt in der Praxis selten vor.

bb) Perpetuatio fori

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Ist die Klage rechtshängig geworden, bleibt das Gericht zuständig, auch wenn sich die zugrunde liegenden Umstände ändern (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO), sog. perpetuatio fori (Weitergeltung des Forums). Aus Gründen der Prozessökonomie bleiben die örtliche, sachliche und internationale Zuständigkeit erhalten. Dies gilt sogar, wenn ein neuer ausschließlicher Gerichtsstand begründet wird.

BGH NJW 2001, 2477, 2478; vgl. auch BGH NJW-RR 2010, 891. Gleiches gilt für die Rechtswegzuständigkeit. Die Parteien sollen rasch zu einer Sachentscheidung gelangen können. Ein „Gerichte-Hopping“ während eines anhängigen Rechtsstreits ist nicht erwünscht.

Beispiel

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Mona erhebt ihre Klage am Sitz der V-GmbH in Köln (§ 17 ZPO). Verlegt die V-GmbH ihren Satzungssitz durch Änderung des Gesellschaftsvertrags nach Nürnberg, bleibt das angerufene Gericht weiterhin zuständig.

Hinweis

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Bei der sachlichen Zuständigkeit gilt der Grundsatz der perpetuatio fori allerdings nur eingeschränkt. Ist das angerufene Landgericht sachlich zuständig, bleibt es zuständig, auch wenn der Streitwert unter die Zuständigkeitsgrenze von 5000 € fällt. Anders ist die Situation beim Amtsgericht bei einer Streitwerterhöhung (beachte § 506 Abs. 1 ZPO). In diesem Fall ist die Sache auf Antrag einer Partei an das Landgericht zu verweisen (siehe Rn. 89).

cc) Klageänderungen

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Die Klage legt die Parteien und den Streitgegenstand fest. Mit Eintritt der Rechtshängigkeit kann der Streitgegenstand der Klage nur noch unter erschwerten Voraussetzungen geändert werden. Grund ist, dass der Beklagte nicht gezwungen werden soll, sich ständig gegen einen neuen Streitgegenstand verteidigen zu müssen. Die Voraussetzungen der Klageänderung sind in §§ 263, 264 ZPO geregelt (hierzu näher Rn. 235 ff.).

dd) Veräußerung der streitbefangenen Sache

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Der Kläger darf auch nach Rechtshängigkeit seine Forderung an einen Dritten abtreten (§ 265 Abs. 1 ZPO). Allerdings wird der Prozess ohne Rücksicht auf die Veräußerung fortgesetzt. Der Veräußerer bleibt nach § 265 Abs. 2 ZPO in seiner Klägerrolle verhaftet (näher Rn. 128).

b) Materiell-rechtliche Wirkungen

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Expertentipp

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Lesen Sie die zitierten Vorschriften aus dem BGB und der ZPO. Nutzen Sie insbesondere die Gelegenheit, die Höhe der Verzugszinsen für Verbraucher und Unternehmer zu wiederholen.

Die wichtigste Wirkung der Klageerhebung betrifft die Verjährung. Die Klageerhebung hemmt die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche (§§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 209 BGB). Da der Kläger auf die Zustellung der Klage und damit die Rechtshängigkeit keinen Einfluss hat, bestimmt § 167 ZPO, dass die Hemmung schon mit dem Eingang des Antrags eintritt, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Die Hemmung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder der anderweitigen Beendigung des Prozesses (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB). Bedeutung hat die Klageerhebung auch für den Schuldnerverzug. Nach § 286 Abs. 1 S. 2 BGB steht der Mahnung die Erhebung der Klage gleich. Außerdem ist eine Geldschuld vom Eintritt der Rechtshängigkeit zu verzinsen, selbst wenn der Schuldner nicht in Verzug ist (§ 291 S. 1 Hs. 1 BGB).

Vgl. Palandt/Grüneberg BGB § 291 Rn. 1 (geringe praktische Bedeutung der Norm). Die Höhe der Zinsen ergibt sich aus § 288 BGB, der zwischen Verbraucher (§ 13 BGB) und Unternehmer (§ 14 BGB) unterscheidet. Verschiedene Vorschriften im BGB zur Haftungsverschärfung knüpfen ebenfalls an die Rechtshängigkeit an (z.B. §§ 292, 818 Abs. 4, 987, 989, 994 Abs. 2, 996 BGB).

IV. Entscheidung über den weiteren Prozessablauf

1. Entscheidungsmöglichkeiten

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Nach § 272 Abs. 1 ZPO soll der Prozess in einem einzigen Termin erledigt werden. Damit dies realisiert werden kann, muss das Gericht, noch bevor es die Klage zustellen lässt, über die weitere Vorgehensweise entscheiden. Dem Richter stehen nach § 272 Abs. 2 ZPO zwei Wege zur Verfügung. Er kann entweder einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen (§ 275 ZPO) oder ein schriftliches Vorverfahren anordnen (§ 276 ZPO).

Der weitere Verfahrensablauf hängt davon ab, für welchen Weg sich der Richter entscheidet. Die Entscheidung liegt in seinem freien Ermessen. In der Praxis ist das schriftliche Vorverfahren die Regel. Hier bekommt das Gericht die Gegenauffassung des Beklagten vor dem „ersten gemeinsamen Treffen“ schriftlich vorgelegt, so dass es in Ruhe die unterschiedlichen Standpunkte der Parteien prüfen und würdigen kann. Auf dieser Grundlage kann das Gericht dann die Festlegung des Haupttermins planen.

Beispiel

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Die Klage von Mona betrifft Gewährleistungsansprüche und damit eine „komplexe Materie“. Das Gericht wird sich hier für die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens entscheiden, um die (ausführlichen) Gegenargumente der V-GmbH schriftlich übermittelt zu bekommen. Gegebenenfalls wird Mona Gelegenheit gegeben, auf die schriftliche Klageerwiderung der V-GmbH zu antworten (sog. Replik).

2. Früher erster Termin

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Wählt der Richter den frühen ersten Termin (§ 275 ZPO), muss er unverzüglich den Termin bestimmen (§ 216 Abs. 2 ZPO), also ein Datum festlegen. Da jeder mündlichen Verhandlung ein Gütetermin vorausgehen muss (§ 278 Abs. 2 ZPO), ist dieser zeitgleich zu datieren. Als nächstes muss das Gericht die Klage dem Beklagten zustellen und beide Parteien zum Termin laden. Außerdem muss der Richter dem Beklagten eine Frist zur (schriftlichen) Klageerwiderung setzen (§ 275 Abs. 1 S. 1 ZPO) oder ihn auffordern, die Verteidigungsmittel unverzüglich mitzuteilen (§ 275 Abs. 1 S. 2 ZPO). In jedem Fall muss dem Beklagten mindestens zwei Wochen Zeit gegeben werden (§ 274 Abs. 3 S. 1 ZPO).

Vgl. Musielak/Voit/Foerste ZPO § 275 Rn. 3 (Einräumung längerer Fristen regelmäßig erforderlich). Diese Frist heißt „Einlassungsfrist“. Bei Zustellungen im Ausland (§ 183 ZPO) beträgt die Frist sogar einen Monat (§ 274 Abs. 3 S. 2 ZPO). Der frühe erste Termin ist ein vollwertiger Termin zur mündlichen Verhandlung, so dass der Rechtsstreit sogleich entschieden werden kann. Kann eine Entscheidung noch nicht ergehen (z.B. weil Zeugen geladen werden müssen), ist unverzüglich das Datum des Haupttermins zu bestimmen. Der Nachteil des frühen ersten Termins liegt auf der Hand. Der Richter kennt zu diesem Zeitpunkt nur die Klage, nicht aber die Strategie des Beklagten. Daher kommt dieser Weg eher bei einfach gelagerten Fällen in Betracht.

 

3. Schriftliches Vorverfahren

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Wählt das Gericht das schriftliche Vorverfahren (§ 276 ZPO), gibt es zunächst keine Terminbestimmung. Dem Beklagten wird die Klage mit der Aufforderung zugestellt, seine Verteidigungsbereitschaft binnen einer Notfrist von zwei Wochen anzuzeigen (§ 276 Abs. 1 S. 1 ZPO). Zugleich wird ihm eine weitere Frist von nochmals zwei Wochen zur Klageerwiderung gesetzt (§ 276 Abs. 1 S. 2 ZPO); bei Auslandszustellung beträgt sie einen Monat (§ 276 Abs. 1 S. 3 ZPO). Ein inländischer Beklagter hat damit für seine inhaltliche Stellungnahme insgesamt vier Wochen Zeit. Die zweifache Fristsetzung erfordert eine zweifache Belehrung (§ 276 Abs. 2 ZPO).

Zöller/Greger ZPO § 276 Rn. 2. Versäumt der Beklagte es trotz Belehrung, seine Verteidigungsbereitschaft innerhalb der Zwei-Wochen-Frist anzuzeigen (im Anwaltsprozess muss dies durch einen Rechtsanwalt erfolgen, § 276 Abs. 2 ZPO), ergeht Versäumnisurteil (hierzu Rn. 268 ff.).

Beispiel

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Die Klage wird der V-GmbH am 14.3.2022 zugestellt. Bei der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft handelt es sich um eine Notfrist. Notfristen sind nicht verlängerbar (§ 224 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Berechnung der Frist von zwei Wochen erfolgt über § 222 ZPO nach den Vorschriften des BGB. Damit sind die §§ 187 bis 193 BGB relevant. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Klage. Nach § 222 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB beginnt die Frist am 15.3.2022 zu laufen und endet nach § 222 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB am 28.3.2022. Da hier kein Anwaltszwang besteht (Amtsgericht), kann der Geschäftsführer der V-GmbH die Verteidigungsanzeige selbst formulieren.

Zeigt der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft rechtzeitig an und reicht er seine Klageerwiderung ein, kann das Gericht dem Kläger wiederum eine Frist zur „Gegenerwiderung“ setzen (§ 276 Abs. 3 ZPO). Nach Studium der Akten muss das Gericht sodann einen Gütetermin (§ 278 Abs. 2 ZPO) und einen Termin zur mündlichen Verhandlung (Haupttermin) festlegen und die Parteien hierzu laden.

Expertentipp

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Die Berechnung von Fristen (§§ 187–193 BGB) ist stets examensrelevant und sollte unbedingt, ohne groß nachzudenken, gelingen. Da Fristen in allen Rechtsgebieten eine wichtige Rolle spielen, gehört dies zum „Grundrepertoire“.

 

V. Die Güteverhandlung

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Expertentipp

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Wissen Sie noch, seit wann es die Güteverhandlung in der ZPO gibt und in welchem Jahr der sog. Güterichter eingeführt wurde? Die Lösung finden Sie in Rn. 33 f.

Bevor das Gericht in einer mündlichen Verhandlung die Parteien anhört, muss es eine Güteverhandlung vorschalten (§ 278 Abs. 2 ZPO). Seit 2012 hat das Gericht die Wahl, ob es die Güteverhandlung selbst durchführt oder die Parteien an einen speziellen Güterichter verweist, der alle Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung anwenden darf (§ 278 Abs. 5 ZPO; s. auch Rn. 33). Zweck ist der Vorrang einer einvernehmlichen Streitbeilegung mit Hilfe des Gerichts. Daher ist grundsätzlich das persönliche Erscheinen der Parteien anzuordnen (§ 278 Abs. 3 ZPO). Im Gütetermin hat das Gericht den Sach- und Streitstand mit den Parteien zu erörtern. Es gilt, die Vergleichsbereitschaft „auszuloten“. In geeigneten Fällen kann das Gericht eine außergerichtliche Mediation vorschlagen (§ 278a ZPO), was in der Praxis derzeit kaum vorkommt.

Adolphsen Zivilprozessrecht § 10 Rn. 8. Die Güteverhandlung ist kein Teil der mündlichen Verhandlung.Zeiss/Schreiber Zivilprozessrecht Rn. 210. Erscheint die Partei im Gütetermin im Verfahren mit Anwaltszwang ohne Anwalt, ist sie nicht säumig. Ein Versäumnisurteil kann nicht ergehen. Im Fall des Scheiterns der Güteverhandlung wird die mündliche Verhandlung im Regelfall unmittelbar nach dem Gütetermin durchgeführt. Schließt sich an die Güteverhandlung sofort die mündliche Verhandlung an, ist nun ein Versäumnisurteil möglich. Die Güteverhandlung ist nur in seltenen Fällen entbehrlich (§ 278 Abs. 2 S. 1 ZPO; hierzu bereits Rn. 33).

VI. Die mündliche Verhandlung (der Haupttermin)

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Der Mündlichkeitsgrundsatz erfordert es, dass der Rechtsstreit vor dem zuständigen Gericht mündlich verhandelt wird (hierzu Rn. 53). Der Haupttermin gewährleistet dieses Recht. Er ist ein wichtiger Knotenpunkt im Prozess. Hier erfolgt eine Bestandsaufnahme und Zwischenbilanz durch den Richter und die Parteien erfahren zugleich, wie der Prozess weiter gehen wird.

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Der exakte Ablauf des Haupttermins ist in der ZPO nicht zwingend vorgeschrieben. In der gerichtlichen Praxis hat sich folgende Vorgehensweise etabliert.

Vgl. Pohlmann Zivilprozessrecht Rn. 128 ff. Der Termin beginnt stets mit dem Aufruf der Sache (§ 220 Abs. 1 ZPO). In der Praxis nehmen die Parteien und ihre Anwälte im Sitzungssaal Platz und der Richter nennt Kläger und Beklagten sowie das Aktenzeichen. Sodann eröffnet der Vorsitzende formell die Verhandlung (§ 136 Abs. 1 ZPO) und stellt die Anwesenheit der Prozessbeteiligten fest (§ 160 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Dabei wird geprüft, ob Kläger und Beklagter bzw. deren gesetzlichen Vertreter persönlich erschienen sind und welche Rechtsanwälte sich in der Sache anzeigen. Gegebenenfalls wird an dieser Stelle die Güteverhandlung eingeschoben, in der der Sach- und Streitstand mit den Parteien umfassend erörtert wird (§ 278 Abs. 2 ZPO). Findet keine Güteverhandlung statt, führt das Gericht vor der streitigen Verhandlung ebenfalls in den Sach- und Streitstand ein (§ 139 ZPO). Es stellt Fragen und gibt seine Meinung zu den maßgeblichen Sach- und Rechtsfragen wieder. Insbesondere müssen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage erörtert werden, da die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Amts wegen geprüft werden. Das Gericht wird sodann erneut versuchen, zu einer gütlichen Einigung zu gelangen (§ 278 Abs. 1 ZPO). Im Anschluss daran beginnt die eigentliche streitige Verhandlung, indem die Parteien ihre Anträge stellen (§ 137 Abs. 1 ZPO). Dies geschieht in der Praxis derart, dass der Kläger auf seinen Antrag (auf Seite 1 der Klageschrift) und der Beklagte auf seinen Klageabweisungsantrag in der Klageerwiderung (auf Seite 2) verweist. Diese Bezugnahme ist erlaubt; der Mündlichkeitsgrundsatz wird eingehalten. Im Folgenden können die Parteien über Zulässigkeit und Begründetheit der Klage streitig diskutieren (§ 137 Abs. 2 ZPO). Das Gericht ist für die Prozessleitung verantwortlich und kann den Parteien das Wort erteilen oder entziehen (§ 136 ZPO).

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Wie der Prozess nun weiter geht, entscheidet sich danach, ob eine Beweisaufnahme erforderlich wird oder nicht. Sind erhebliche Tatsachen zwischen den Parteien streitig, findet, soweit die Tatsachen beweisbedürftig sind, eine Beweisaufnahme statt (§ 279 Abs. 2 ZPO). Bedarf es keiner Beweisaufnahme (z.B. weil es nur um Rechtsfragen geht), wird die mündliche Verhandlung zu Ende gebracht.

VII. Beweisaufnahme

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Die Beweisaufnahme soll der streitigen Verhandlung unmittelbar nachfolgen. Sie ist nicht Teil der mündlichen Verhandlung. Die mündliche Verhandlung wird durch die Beweisaufnahme unterbrochen. Für die möglichen Beweismittel existiert ein numerus clausus. In Betracht kommen nur Zeugenbeweis, Sachverständigenbeweis, Urkundenbeweis, Augenschein sowie Parteivernehmung (hierzu näher Rn. 344 ff.).

Beispiel

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Bestreitet die V-GmbH die Mangelhaftigkeit der Fliesen, kommen grundsätzlich Zeugenbeweis (Aussage des außergerichtlichen Sachverständigen Simon Sand als sachverständiger Zeuge) oder Sachverständigenbeweis in Betracht. Höchstwahrscheinlich wird das Gericht einen gerichtlichen Sachverständigen zur Klärung dieser Tatsache beauftragen, es sei denn, das Gericht will durch Augenschein entscheiden.

VIII. Fortsetzung der mündlichen Verhandlung

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Nach der Beweisaufnahme wird die mündliche Verhandlung fortgesetzt. Der Sach- und Streitstand sowie das Ergebnis der Beweisaufnahme werden nochmals erörtert (§ 279 Abs. 3 ZPO). Das Gericht muss insbesondere darlegen, ob es die unter Beweis gestellte Behauptung für bewiesen hält oder nicht. Die wesentlichen Aspekte der Beweiswürdigung muss es zur Diskussion stellen. Hierdurch soll den Parteien Gelegenheit gegeben werden, durch weitere Aufklärungs- oder Überzeugungsarbeit, Richtigstellungen oder neue Beweisanträge noch Einfluss auf die Tatsachenfeststellung zu nehmen.

Zöller/Greger ZPO § 279 Rn. 5. Wird den Parteien die Abschlusserörterung verwehrt, verletzt dies den Anspruch auf rechtliches Gehör. Außerdem bietet die Schlusserörterung die Möglichkeit, die Parteien – letztmalig – zu einer gütlichen Einigung zu bewegen. Sobald der Streit zur Entscheidung reif ist, schließt das Gericht die mündliche Verhandlung.

IX. Urteil

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Sobald die mündliche Verhandlung geschlossen ist, erlässt der Richter ein Urteil (§§ 136 Abs. 4, 300 Abs. 1 ZPO). Das Urteil kann sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet werden. Dieses wird auch als „Stuhlurteil“ bezeichnet. Andernfalls erfolgt die Verkündung in einem separaten Verkündungstermin (§ 310 Abs. 1), zu dem die Parteien aber in der Regel nicht hingehen. Nicht selten rufen die Anwälte bei der Geschäftsstelle an und fragen nach dem Inhalt des Urteils. Andernfalls wird die Zustellung des Urteils abgewartet, die stets von Amts wegen erfolgt (§§ 317 Abs. 1, 270 ZPO).

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