Strafrecht Besonderer Teil 2

Versuch und Regelbeispiel

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X. Versuch und Regelbeispiel

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Das Zusammenspiel von Versuch und Regelbeispiel kann in der Klausur problematisch werden. Dabei sind 3 Konstellationen zu unterscheiden:

Der Täter hat den Diebstahl nur versucht, aber dabei eines der Regelbeispiele verwirklicht.

Der Täter hat den Diebstahl nur versucht und auch das Regelbeispiel nur „versucht“.

Der Täter hat den Diebstahl vollendet, aber das Regelbeispiel nur „versucht“.

Die erste Konstellation ist unproblematisch und nicht umstritten. Anders die beiden anderen Fallkonstellationen, die aufgrund des Streits zwischen Rechtsprechung und Literatur zu den Klausurklassikern gehören.

1. Der Täter hat den Diebstahl nur versucht, aber dabei eines der Regelbeispiele verwirklicht

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Ist der Diebstahl im Versuch stecken geblieben, das Regelbeispiel aber voll verwirklicht worden, so liegt ein versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall vor.

Beispiel

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Im obigen Beispielsfall ist A durch das Seitenfenster in den Modeladen des C eingestiegen, hat nun aber nichts Stehlenswertes gefunden und ist unverrichteter Dinge wieder nach Hause gegangen.

Hier hat A das Einsteigen gem. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 verwirklicht und damit die Indizwirkung ausgelöst, den Diebstahl aber nur versucht.

Hinweis

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Bei einem solchen Sachverhalt prüfen Sie zunächst den versuchten Diebstahl und dann nach dem Rücktritt die Voraussetzungen des § 243.

2. Der Täter hat den Diebstahl nur versucht und auch das Regelbeispiel nur „versucht“ (Konstellation 1) und der Täter hat den Diebstahl vollendet, aber das Regelbeispiel nur „versucht“ (Konstellation 2)

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Umstritten ist zunächst, ob es einen versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall auch dann gibt, wenn weder der Diebstahl noch das Regelbeispiel verwirklicht wurden (Konstellation 1).

Beispiel

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A will gerade durch das offene Fenster in den Modeladen des C einsteigen, als er eine Polizeisirene hört. Er beschließt, die Tat später fortzusetzen und geht zunächst nach Hause.

Dadurch dass A versucht hat, durch das offene Fenster einzusteigen, hat er unmittelbar zum Diebstahl angesetzt und diesen versucht.

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Fraglich ist, ob die straferhöhende Wirkung des Regelbeispiels, die zu der Annahme eines besonders schweren Falles führen kann, auch in diesem Fall durchgreift.

Hinweis

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Der nachfolgend dargestellte Streit ist nur bei den benannten schweren Fällen relevant. Dem Versuch eines unbenannten besonders schweren Falls gibt es nach einhelliger Auffassung nicht.

152

Die Rechtsprechung bejaht die Möglichkeit, dass die Indizwirkung des Regelbeispiels auch dann greift, wenn dieses zwar nicht in objektiver Hinsicht verwirklicht ist, der Täter aber den Willen zur Verwirklichung hatte.

BGHSt 33, 370; BayObLG NStZ 1997, 442.

Hinweis

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Beachten Sie, dass das Regelbeispiel streng genommen nicht „versucht“ werden kann, da es kein Tatbestand ist. Es geht nur darum, ob die Indizwirkung allein durch den Handlungsunwert ausgelöst werden kann.

Zur Begründung wird angeführt, dass sich der Strafrahmen beim Versuch nach dem jeweiligen Tatentschluss und der daraus zu entnehmenden beabsichtigten Tat bestimme. Grundlage der Strafzumessung sei die im Tatentschluss zum Ausdruck kommende Schuld des Täters. Richte sich der Tatentschluss auf die Begehung eines besonders schweren Falls, so sei die Schuld entsprechend zu bestimmen.

BGHSt 33, 370; BayObLG NStZ 1997, 442.

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Außerdem sei § 243 früher als Qualifikation ausgestaltet gewesen mit der Folge, dass auch nach der Neufassung die Regelbeispiele noch tatbestandlichen Charakter hätten. Sinn der Änderung sei nicht gewesen, die Reichweite der Vorschrift einzuschränken, sondern vielmehr, dem Tatrichter Ermessen zu gewähren, um einzelfallgerecht entscheiden zu können.

BGHSt 33, 370; BayObLG NStZ 1997, 442.

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Die Rechtsprechung stellt also für den Eintritt der Regelwirkung entscheidend auf die Vorstellung des Täters ab und bejaht die straferhöhende Wirkung des Regelbeispiels, sobald der Täter entsprechend seinem Tatentschluss unmittelbar ansetzt.

Hinweis

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Damit behandelt die Rechtsprechung Regelbeispiele wie Tatbestände. Bei Tatbeständen ist es anerkannt, dass der Strafrahmen ausgelöst wird, wenn der Täter einen Tatentschluss hatte und entsprechend seiner Vorstellung unmittelbar zur Tatverwirklichung ansetzt. Dies ergibt sich aus § 22. (Lesen!) Dass die Rechtsprechung die Regelbeispiele wie Tatbestände behandelt, macht sie zudem deutlich, indem sie auf den tatbestandlichen Charakter und die ehemalige Natur als Qualifikation hinweist.

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Dies wird von der herrschenden Literatur abgelehnt. Die Literatur verweist darauf, dass der BGH im Wege einer verbotenen Analogie zu den §§ 22, 23 schon dem bloßen Ansetzen zum Regelbeispiel die gleiche Indizwirkung zumisst wie der vollständigen Verwirklichung des Regelbeispiels. Regelbeispiele seien aber nun einmal Strafzumessungsnormen und keine Tatbestände, so dass die Wirkungen der §§ 22, 23 nicht übertragbar seien.

Die Auffassung des BGH würde ferner dazu führen, dass vollständig verwirklichte und versuchte Regelbeispiele, soweit es um den Eintritt der Regelwirkung ginge, gleichzustellen seien. Dann müsste aber auch ein benannter besonders schwerer Fall angenommen werden, wenn der Diebstahl verwirklicht, das Regelbeispiel aber nur versucht (Konstellation 2) wurde. Diese Fälle seien vom Unwertgehalt her aber nicht mit der vollständigen Verwirklichung des Regelbeispiels zu vergleichen.

Wessels/Hillenkamp Strafrecht BT/2 Rn. 216 f; Schönke/Schröder-Eser/Bosch § 243 Rn. 44.

Beispiel

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A will durch ein Seitenfenster in das Geschäft des C einsteigen. Als er gerade dabei ist, das Fenster zu öffnen, stellt er fest, dass die Türe unverschlossen ist, und betritt den Laden ordnungsgemäß durch diese Türe, um anschließend die Perlenkette mitzunehmen.

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Der BGH hat sich einer Stellungnahme zu der letztgenannten Fallgruppe jedenfalls bei § 243 bislang enthalten.

BGHSt 33, 370. Es spricht jedoch einiges dafür, dass er im Wege eines „Erst–Recht-Schlusses“ die straferhöhende Wirkung des Regelbeispiels auch in diesem Fall bejahen würde.Vgl. Joecks § 243 Rn. 49; Fischer § 46 Rn. 102.

Nach der h.M. käme in solchen Fällen kein benannter besonders schwerer Grund in Frage. Allerdings könnte die Möglichkeit der Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls gegeben sein, was von einer Gesamtwürdigung der Tat (und damit nicht mehr von der Indizwirkung eines Regelbeispiels) abhinge.

Vgl. Joecks § 243 Rn. 49; Fischer § 46 Rn. 102.

Hinweis

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Von der soeben dargestellten Problematik ist die Frage abzugrenzen, ob die Verwirklichung eines Regelbeispiels schon das unmittelbare Ansetzen zum Versuch des Grunddelikts darstellt. Hier gibt es keinen Automatismus, d.h. es kommt wie immer beim Versuch darauf an, ob der Täter die Schwelle zum „Jetzt gehtʼs los“ überschritten hat und aus seiner Sicht keine wesentlichen Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung mehr erforderlich sind, mithin das Rechtsgut also schon konkret gefährdet ist.

Wessels/Hillenkamp Strafrecht BT/2 Rn. 219; BGH NStZ 2017, 86.

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