Strafrecht Besonderer Teil 1

Aussetzung, § 221

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G. Aussetzung, § 221

I. Überblick

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Die Aussetzung ist ein konkretes Gefährdungsdelikt. Schutzzweck des § 221 Abs. 1 ist die Verhinderung konkreter Gefahren für die körperliche Unversehrtheit oder das Leben. Auf eine Verletzung der geschützten Rechtsgüter kommt es bei § 221 nicht an.

Abs. 1 stellt das Grunddelikt dar, Abs. 2 Nr. 1 eine Qualifikation, Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 sind Erfolgsqualifikationen. Bei Abs. 4 handelt es sich um eine Strafzumessungsnorm für minder schwere Fälle.

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Der Versuch der Aussetzung ist nicht strafbar, da die Aussetzung ein Vergehen gem. § 12 Abs. 2 ist und der Gesetzgeber die Versuchsstrafbarkeit nicht angeordnet hat. Dies schafft Probleme, wenn der Täter bei dem Versuch der Aussetzung bereits eine der Folgen gem. § 221 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 herbeigeführt hat (sog. erfolgsqualifizierter Versuch).

Beispiel

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Taxifahrer T möchte seinen total betrunkenen Fahrgast F, der sich bereits in seinem Taxi übergeben hat, aus dem Wagen werfen. Bei dem Versuch, F in einem einsamen Waldstück hinauszuwerfen, schlägt F mit dem Kopf an der Karosserie an und zieht sich ein schweres Stammhirnhämatom zu.

Hier könnte sich der Taxifahrer T wegen versuchter Aussetzung mit schwerer Gesundheitsschädigung gem. §§ 221 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 22, 23 strafbar gemacht haben. Voraussetzung dafür ist jedoch zunächst, dass der Versuch strafbar ist.

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Nach einer Auffassung ist dieser erfolgsqualifizierte Versuch nicht strafbar, da die Erfolgsqualifikation auf dem Grunddelikt aufbaut, das Grunddelikt aber nicht strafbar ist.LK-Krüger § 221 Rn. 84; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben § 18 Rn. 9 Nach anderer Auffassung erlangt die Erfolgsqualifikation aufgrund der Straferhöhung Verbrechenscharakter, so dass der erfolgsqualifizierte Versuch möglich ist.SK-Wolters § 221 Rn. 16; Rath JuS 1999, 142

Hinweis

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Da die meisten Grunddelikte, zu denen es Erfolgsqualifikationen gibt, im Versuch strafbar sind, stellt sich diese Problematik nur bei § 221 und bei dem neuen § 238.

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Der Aufbau der Aussetzung gem. § 221 sieht wie folgt aus:

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Aussetzung, § 221

I.

Objektiver Tatbestand

 

1.

Tathandlung gem. Nr. 1: Versetzen in eine hilflose Lage durch jedermann

 

2.

Tathandlung gem. Nr. 2: Im-Stich-Lassen in einer hilflosen Lage trotz Obhuts- und Beistandspflicht

 

3.

dadurch (kausal und unmittelbar)

 

4.

Taterfolg: konkrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung

 

5.

evtl. Qualifikation gem. Abs. 2 Nr. 1

II.

Subjektiver Tatbestand

 

 

Vorsatz, dolus eventualis reicht

III.

Evtl. Erfolgsqualifikation gem. Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3

 

1.

Eintritt der Folge

 

2.

Kausalität und

 

3.

Unmittelbarkeitszusammenhang

 

4.

wenigstens Fahrlässigkeit gem. § 18

IV.

Rechtswidrigkeit

V.

Schuld

II. Objektiver Tatbestand gemäß § 221 Abs. 1

125

Der objektive Tatbestand unterscheidet:

Versetzen in eine hilflose Lage durch jedermann

oder

Im-Stich-Lassen in einer hilflosen Lage durch Obhuts- oder Beistandsverpflichteten

126

Das Versetzen in eine hilflose Lage gem. Abs. 1 Nr. 1 kann von jedermann begangen werden (Allgemeindelikt). Das Im-Stich-Lassen gem. Abs. 1 Nr. 2 hingegen kann nur von einem Täter begangen werden, der das Opfer in seiner Obhut hatte oder ihm sonst beizustehen verpflichtet war. Es handelt sich bei dieser Alternative also um ein Sonderdelikt.

127

Voraussetzung beider Alternativen ist jedoch, dass sich das Opfer in einer hilflosen Lage befindet.

Definition

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Definition: hilflose Lage

Eine hilflose Lage liegt vor, wenn das Opfer sich in der konkreten Situation nicht selbst vor potenziellen Gefahren für Leib und Leben schützen kann und Hilfe nicht zu erlangen ist.Schönke/Schröder-Eser/Sternberg-Lieben § 221 Rn. 4.

 

1. Versetzen in eine hilflose Lage

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In der ersten Alternative muss der Täter das Opfer auf irgendeine Art in die oben beschriebene hilflose Lage versetzt haben. Nach der Neufassung der Vorschrift ist nach überwiegender Auffassung dabei ein räumliches Verbringen des Opfers nicht mehr erforderlich.Vgl. zum Meinungsstand Joecks/Jäger § 221 Rn. 6.

Beispiel

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A verpasst B im Rahmen einer lautstarken Auseinandersetzung einen gekonnten Faustschlag gegen das Kinn, der zur Folge hat, dass B leicht bekleidet und bewusstlos auf einem Schneehügel liegen bliebt.

A lockt B unter einem Vorwand in einen Keller und sperrt ihn dort ohne Wasser und Nahrungsmittel ein.

129

Ein Versetzen in eine hilflose Lage liegt nicht vor, wenn das Opfer zunächst frei verantwortlich seine hilflose Lage selbst herbeiführt, da es in diesem Fall an der Herrschaftsmacht des Täters fehlt.Schönke/Schröder-Eser/Sternberg-Lieben § 221 Rn. 4.

Beispiel

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Der unerfahrene Bergsteiger A begibt sich bei schlechtem Wetter in die Eiger Nordwand und verunglückt bei einem aufziehenden Unwetter. Mit gebrochenen Beinen bleibt er auf einem Felsvorsprung liegen, als ein vorbeikommender Tourist T ihn findet. T glaubt, dass dem A dies als Denkzettel dienen solle, beschließt diesen noch für einige Tage dort liegen zu lassen und geht weiter. In diesem Fall liegt kein Versetzen in eine hilflose Lage vor, da sich A selbst in die hilflose Lage gebracht hat. Da T dem A gegenüber auch keine Garantenstellung innehat, kommt die Nr. 2 ebenfalls nicht in Betracht. Verwirklicht ist jedoch eine unterlassene Hilfeleistung nach § 323c.

130

Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn der Täter als Garant verpflichtet war, das Opfer von der Gefährdung abzuhalten. In solchen Fällen kann unter den Voraussetzungen des § 13 ein Versetzen durch Unterlassen möglich sein.

Beispiel

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Im obigen Fall ist A mit dem Bergführer B unterwegs, der es unterlässt, A davon abzuhalten, bei schlechtem Wetter in die Eiger Nordwand zu steigen. B ist aufgrund Vertrages verpflichtet, Gefahren von A abzuwenden, so dass er sich gem. §§ 221 Abs. 1 Nr. 1, 13 strafbar gemacht hat.

Hinweis

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Wie Sie sehen, kann auch bei Abs. 1 Nr. 1 eine Obhuts- und Beistandspflicht relevant werden. Allerdings im Gegensatz zu Abs. 1 Nr. 2 nur unter den Voraussetzungen des § 13, der in der Klausur im Obersatz mit zu zitieren ist.

2. Im-Stich-Lassen in einer hilflosen Lage

131

Täter der zweiten Alternative kann nur derjenige sein, der das Opfer in einer hilflosen Lage im Stich lässt, obwohl er ihn in seiner Obhut hatte oder ihm sonst beizustehen verpflichtet ist.

Erforderlich für diese Alternative ist zunächst das Im-Stich-Lassen in einer hilflosen Lage. Dafür bedarf es keines räumlichen Sich-Entfernens. Der Handlungspflichtige kann sich auch auf andere Art und Weise der Beistandsleistung vorsätzlich entziehen. Entscheidend ist ausschließlich, dass der Beistandspflichtige den möglichen Beistand unterlässt, unabhängig davon, ob er sich räumlich entfernt oder trotz Anwesenheit nicht beisteht. Auch die Fälle des nicht rechtzeitigen Zurückkehrens sind über Abs. 1 Nr. 2 erfasst.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 164; Schönke/Schröder-Eser/Sternberg-Lieben § 221 Rn. 6 f.   

Beispiel

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Schwiegertochter S hat keine Lust mehr, sich um den ans Bett gefesselten, pflegebedürftigen Vater ihres Mannes, der im 1. OG des gemeinsamen Hauses lebt, zu kümmern und stellt eines Tages, als ihr Mann verreist ist, die Versorgung des Vaters ein, indem sie einfach nicht mehr nach oben geht und die Hilferufe geflissentlich ignoriert.

Der Ehemann erfährt durch Nachbarn von den Vorgängen im Haus, unterlässt es aber, zu seinem Vater zurückzukehren, da ihn gleichfalls die Lust verlassen hat, für den Vater zu sorgen.

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Unter Obhut ist ein bereits bestehendes Schutz- oder Betreuungsverhältnis zu verstehen. Der Täter muss Garant dafür sein, dass die unter seiner Obhut stehende Person nicht in eine Lebens- oder schwere Gesundheitsgefahr gerät. In erster Linie sind damit die so genannten Beschützergaranten gem. § 13 gemeint, so z.B. die Eltern für die unmündigen Kinder.

Beispiel

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Eine Obhutspflicht kann der Gastwirt haben, der einen schwer alkoholisierten Gast hinauswirft.BGHSt 26, 35. Gleiches gilt für einen Taxifahrer, der einen solchen Gast in einer menschenleeren Gegend zurück lässt.LG Zweibrücken DAR 00, 226.

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Daneben gibt es sonstige Beistandspflichten, für die ebenfalls die Grundsätze des echten Unterlassungsdeliktes für die Entstehung der Garantenstellung heranzuziehen sind. Eine Schutzpflicht kann demnach auch durch pflichtwidriges gefährdendes Vorverhalten (Ingerenz) entstehen.Fischer § 221 Rn. 4 f. Diese Ingerenz liegt jedenfalls immer dann vor, wenn der Täter das Opfer bereits in die hilflose Lage versetzt hat. Das Verhältnis der beiden Alternativen wird dann auf Konkurrenzebene geklärt.

Ob § 221 Abs. 1 Nr. 2 ein echtes UnterlassungsdeliktJäger JA 2012, 154; BGH JA 2012, 154; Joecks/Jäger StGB § 221, Rn 12 oder ein gesetzlich normiertes unechtes UnterlassungsdeliktRoxin Strafrecht Allgemeiner Teil Band II 2003 § 31 Rn. 18. oder aber gar ein Delikt ist, welches sowohl durch aktives Tun als auch gem. § 13 durch UnterlassenSchönke-Schröder-Eser (28. Aufl. 2010) § 221 Rn. 10. verwirklicht werden kann, ist streitig. Für die Verwirklichung des Tatbestands ist dies zunächst nicht wesentlich. Wichtig ist es jedoch für die Anwendbarkeit des § 13 Abs. 2, wonach eine Strafmilderung in Betracht kommen kann.  

Beispiel

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A lebt mit seiner wesentlich jüngeren Freundin F zusammen, für die er im Alltag „die Verantwortung“ übernommen hat. Als F, die zuvor schon Schwindelanfälle hatte, nachts aus nicht aufklärbaren Gründen über das Balkongeländer kippt und nun außen in 12 Meter Höhe hängt, verlässt A, der von den Schreien der F aufwacht, lachend die Wohnung, ohne ihr zu helfen, obgleich er die gefährliche Lage der F erkennt. Irgendwann verlassen F die Kräfte, sie stürzt ab und verletzt sich tödlich.BGH JA 2012, 154.

Das LG Memmingen konnte trotz der gefährlichen Umstände den Tötungsvorsatz nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen. Übrig blieb damit eine Aussetzung mit Todesfolge gem. § 221 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3.  

Sieht man § 221 Abs. 1 Nr. 2 als gesetzlich normiertes unechtes Unterlassungsdelikt oder als Delikt an, welches sowohl durch aktives Tun als auch über § 13 durch Unterlassen begangen werden kann, dann ist § 13 Abs. 2 anwendbar. Der BGHBGH JA 2012, 154. hat sich im obigen Fall der herrschenden Meinung angeschlossen, wonach § 221 Abs. 1 Nr. 2 ein echtes Unterlassungsdelikt sei, so dass eine Strafmilderung nicht in Betracht komme. Teilweise schließt sich die Literatur dieser Auffassung an, wendet aber § 13 Abs. 2 analog an, vor allem um einen Gleichlauf der Nr. 2 mit der Nr. 1 herzustellen, da bei der Nr. 1 eine Verwirklichung durch Unterlassen über § 13 möglich ist, mithin dort also auch eine Strafmilderung in Betracht kommen kann.Jäger JA 2012, 154.

3. Konkrete Gefahr

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Weitere Voraussetzung sowohl der ersten als auch der zweiten Alternative ist, dass das Opfer durch das Versetzen in die hilflose Lage bzw. das Im-Stich-Lassen in der hilflosen Lage in die konkrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung gebracht wird.

Definition

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Definition: konkrete Gefahr

Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn es in der konkreten Situation nur noch vom Zufall abhängt, ob die Schädigung (Verletzung) des Opfers ausbleibt oder eintritt.Küper/Zopfs Strafrecht BT Rn. 252.

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Bei der Gefahr handelt es sich um den Erfolg der Tathandlung. Das bedeutet, dass die Gefahr kausal und zurechenbar auf der Tathandlung beruhen muss. Daraus folgt, dass sich in der Gefahr gerade das Risiko realisiert haben muss, dass der Täter mit seiner Tathandlung geschaffen hat.

Definition

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Definition: schweren Gesundheitsbeschädigung

Unter einer schweren Gesundheitsbeschädigung versteht man alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die mit den in § 226 Aufgeführten vergleichbar sind, mithin also eine langwierige Krankheit darstellen, welche u.a. eine längere Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.Joecks/Jäger StGB § 221 Rn. 17

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Da die hilflose Lage schon begriffsnotwenig eine gewisse Gefährdung des Opfers beinhaltet ist unklar, wie sich die hilflose Lage, in die das Opfer versetzt wird oder in der es im Stich gelassen wird, überhaupt von der konkreten Gefahr unterscheidet. Der Tatbestand erfordert, dass durch die Nr. 1 oder die Nr. 2 erst die Gefahr des Todes oder der schweren Gesundheitsschädigung entsteht.

Allgemein wird zur Lösung dieses Problems angenommen, dass in der hilflosen Lage nur die potenzielle Hilflosigkeit und die damit einhergehende potenzielle Gefährlichkeit gemeint ist, zu welcher sodann eine konkrete Gefahr hinzutreten muss.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT I Rn 167

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Problematisch ist dies insbesondere bei der zweiten Alternative, bei welcher bereits eine hilflose Lage besteht und die Gefahr des Todes oder der schweren Gesundheitsbeschädigung durch das Im-Stich-Lassen entstehen muss. Entsprechend dem Wortlaut und der Vorstellung des Gesetzgebers ist diese Alternative so zu verstehen, dass das Opfer vorher zwar hilflos und damit potenziell gefährdet war, durch das Im-Stich-Lassen den Gefahren jedoch erst ausgesetzt wird bzw. diese erhöht werden.Fischer § 221 Rn. 10.

Beispiel

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Im obigen Fall (Rn. 131) ergab sich die hilflose Lage des A aus der Bewegungsunfähigkeit und dem Angewiesensein auf die Hilfe Dritter. Solange diese Hilfe erfolgte, bestanden keine konkreten Gefahren für Leib oder Leben des A. Erst dadurch, dass S die Ernährung unterließ und damit den A im Stich ließ im Sinne der Vorschrift, obwohl sie aufgrund der Übernahme des Betreuungsverhältnisses eine tatsächliche Beistandspflicht hatte, realisierte sich die in der Hilflosigkeit des A angelegte potenzielle Gefährlichkeit und wurde zu einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben.

III. Subjektiver Tatbestand

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In subjektiver Hinsicht benötigt der Täter Gefährdungsvorsatz, d.h. die Kenntnis, dass das Opfer in die hilflose Lage versetzt oder in der hilflosen Lage im Stich gelassen wurde und dadurch eine konkrete Gefahr des Todes oder der schweren Gesundheitsbeschädigung eingetreten ist. Im Falle des Abs. 1 Nr. 2 muss der Täter darüber hinaus die Umstände kennen, die seine Garantenstellung begründen.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 226.

Expertentipp

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Achten Sie in Klausuren darauf, dass der Vorsatz sich nur auf den Eintritt einer konkreten Gefahr, nicht jedoch auf die Realisierung dieser Gefahr beziehen muss.

IV. Qualifikation gemäß § 221 Abs. 2 Nr. 1

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Absatz 2 Nr. 1 stellt eine Qualifikation zu Abs. 1 dar, indem er das von der Tat betroffene Opfer näher umschreibt.

Unter den Begriff „sein“ Kind werden leibliche und adoptierte Kinder subsumiert. Nach h.M.Fischer § 221 Rn. 14. ist dabei das Alter des Kindes unbeachtlich. Ausschlaggebend sollen allein die personenstandsrechtlichen Verhältnisse sein, so dass auch ein 60-jähriger Vater, der seine 35-jährige Tochter aussetzt, die Qualifikation verwirklichen kann.

Zur Erziehung anvertraut sind Personen, denen gegenüber der Täter verpflichtet ist, die Lebensführung und die geistig-seelische Entwicklung zu überwachen.Joecks/Jäger § 221 Rn. 24. Neben den o.g. Kindern kommen damit auch Pflegekinder sowie Heim- und Stiefkinder in Betracht.

Zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut sind Personen, denen gegenüber der Täter verpflichtet ist, aufgrund tatsächlicher Übernahme während einer gewissen Dauer für das geistig-sittliche Wohl zu sorgen.Joecks/Jäger § 221 Rn. 25. Darunter sind Kinder zu verstehen, die Kindermädchen anvertraut wurden, aber auch Erwachsene, die unter Betreuung gestellt wurden.

V. Erfolgsqualifikation gemäß § 221 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3

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Expertentipp

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Wiederholen Sie an dieser Stelle das Kapitel „Erfolgsqualifiziertes Delikt“ aus dem Skript „Strafrecht AT I“.

Absatz 2 Nr. 2 enthält ebenso wie Abs. 3 eine Erfolgsqualifikation. Das bedeutet, dass hinsichtlich der schweren Folge (schwere Gesundheitsschädigung des Opfers im Sinne des Abs. 2 Nr. 2 oder aber der Tod im Sinne des Abs. 3) Fahrlässigkeit gemäß § 18 vorliegen muss. Darüber hinaus muss zwischen dem Grunddelikt und der Folge ein kausaler und unmittelbarer Zusammenhang bestehen, d.h. in der Folge muss sich gerade die Gefahr realisiert haben, die der Täter durch die Verwirklichung des Grunddelikts geschaffen hat.

VI. Rechtswidrigkeit und Schuld

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Es gibt keine deliktsspezifischen Besonderheiten, so dass die allgemeinen Grundsätze gelten.

VII. Konkurrenzen

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Sofern der Täter das Opfer in eine hilflose Lage versetzt hat, hat er damit zugleich eine Beistandspflicht gem. § 221 Abs. 1 Nr. 2 begründet. Verlässt der Täter das Opfer nun oder lässt er es auf andere Weise im Stich, dann tritt die Nr. 2 im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter der Nr. 1 zurück (Konsumtion). § 221 tritt hinter den vollendeten Tötungsdelikten zurück. Tateinheit ist möglich mit den versuchten Tötungsdelikten sowie mit den §§ 223 ff., § 221 Abs. 1 Nr. 2 verdrängt § 323c. § 221 Abs. 2 Nr. 2 verdrängt § 229 und § 221 Abs. 3 verdrängt § 222.

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