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Strafrecht Allgemeiner Teil 2 - Das Unterlassungsdelikt - Rechtswidrigkeit

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Strafrecht Allgemeiner Teil 2

Das Unterlassungsdelikt - Rechtswidrigkeit

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Inhaltsverzeichnis

D. Rechtswidrigkeit

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Neben den allgemeinen Rechtfertigungsgründen kommt bei den Unterlassungsdelikten die gesetzlich nicht normierte, rechtfertigende Pflichtenkollision als besonderer Rechtfertigungsgrund in Betracht. Die rechtfertigende Pflichtenkollision ist ein gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtfertigungsgrund, dem das Analogieverbot nicht entgegensteht, da es sich um eine Analogie zugunsten des Täters handelt.

 

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Die rechtfertigende Pflichtenkollision

I.

Mehrere rechtliche begründete Handlungspflichten treten an den Täter heran

II.

Er kann nur eine Handlungspflicht auf Kosten der anderen erfüllen

III.

Er erfüllt die höherrangige Pflicht zulasten der niederen Pflicht

IV.

Er steht subjektiv im Widerstreit der unterschiedlichen Pflichten

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Expertentipp

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Ob ein subjektives Rechtfertigungselement erforderlich ist wird ausführlich im Skript „Strafrecht AT I“ dargestellt. Nutzen Sie die Gelegenheit und lesen Sie dieses Thema nach.

Bei der rechtfertigen Pflichtenkollision handelt der Täter dann nicht rechtswidrig, wenn er bei rangverschiedenen Pflichten die höherrangige auf Kosten der zweitrangigen Pflicht erfüllt. Liegen gleichwertige Pflichten vor, lässt die Rechtsordnung dem Täter die Wahl, sich für die eine oder für die andere zu entscheiden. Unabdingbare Voraussetzung bei der Pflichtenkollision ist, dass die eine Pflicht nur auf Kosten der anderen Pflicht erfüllt werden kann.Joecks/Jäger § 13 Rn 74 ff. Das Rangverhältnis hängt ab   

von dem Wert der gefährdeten Güter (Leben vor Vermögen),

von der rechtlichen Stellung des Täters zum Objekt (Garantenstellung oder normale Hilfspflicht aus § 323c),

von der Nähe der Gefahr und

der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.

Beispiel

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Wenn in obigem Häuserbrandfall (Rn. 84) eine Lebensgefahr für die Nachbarin N bestanden hätte und lediglich die Gefahr einer einfachen Körperverletzung für die Mutter M, A jedoch nur eine der beiden hätte retten können und sich aufgrund der Lebensgefahr für die Nachbarin N entschieden hätte, läge keine Körperverletzung durch Unterlassen im Hinblick auf die Mutter M vor. Zwar besteht gegenüber der Mutter eine Garantenstellung. Im Rahmen der Rechtswidrigkeit ist jedoch festzustellen, dass A nur eine von zwei Pflichten erfüllen konnte und sich insofern für die höherwertige Pflicht der Lebensrettung entschieden hat, auch wenn er als Garant in erster Linie der Mutter gegenüber verpflichtet ist, für diese aber lediglich eine leichte Leibesgefahr bestand.

Hätte für beide eine Lebensgefahr bestanden, hätte A die Pflicht gehabt, seine Mutter zu retten. Die Tötung der Nachbarin gem. § 323c durch Unterlassen wäre dann gerechtfertigt gewesen.

Expertentipp

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Sind Ihnen noch oder schon alle Irrtümer vertraut? Wenn nicht, dann sollten Sie an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und die Irrtümer im Bereich der Rechtfertigung lernen.

Hätte A irrig angenommen, er müsse die Nachbarin retten, weil diese jünger ist als die Mutter, so hätte er sich in einem Erlaubnisirrtum befunden. Hätte er die Nachbarin gerettet in der irrigen Annahme, es handele sich um seine Mutter, läge ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor.

Der rechtfertigenden Pflichtenkollision kommt in Anbetracht der Corona-Pandemie eine aktuelle Bedeutung zu. Es stellt sich die Frage, ob das medizinische Fachpersonal sich gem. §§ 212, 13 strafbar macht, wenn es mangels entsprechender Kapazitäten auf den Intensivstationen die Behandlung von Patienten ablehnt und diese anschließend versterben (Triage-Situation).

Hinweis

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Die Triage ist keine erst durch Corona entstandene Herausforderung. Sie gehört immer dann zum medizinischen Alltag, wenn mehrere Patienten gleichzeitig eingeliefert werden, z.B. aufgrund einer Massenkarambolage auf der Autobahn, und in den Krankenhäusern entschieden werden muss, wer zuerst behandelt wird. Für das medizinische Personal gibt es Richtlinien von Ärztevereinigungen, die festlegen, dass vor allem die klinischen Erfolgsaussichten relevant sein sollen, wobei Entscheidungen nach dem 4-Augen-Prinzip zu treffen sind. Während der Corona-Pandemie hat man diese Richtlinien angepasst und ausgeführt, dass der Impfstatus bei der Abwägung keine Rolle spielen dürfe.Zu den Voraussetzungen siehe https://www.deutschlandfunk.de/intensivmedizin-triage-bundesverfassungsgericht-menschen-mit-behinderung-100.html. 

Nach den oben genannten Prinzipien stehen gleichrangige Pflichten nebeneinander. Die Ärzte, die als Beschützergaranten zur Behandlung der eingelieferten Patienten verpflichtet sind, dürfen also bei gleicher Lebensbedrohung der einzelnen Patienten frei entscheiden. Dabei dürfen grds. Alter, Geschlecht, Herkunft oder sozialer Status keine Rolle spielen. Orientiert man sich jedoch am gängigen Kriterium der Erfolgsaussicht, dann können das Alter und auch eine körperliche Behinderung gleichwohl relevant werden. Aus diesem Grund hat das BVerfG am 16.12.2021 (1 BvR 1541/20) aufgrund einer Verfassungsbeschwerde von Menschen mit körperlicher Behinderung entschieden, dass „der Gesetzgeber Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verletzt hat, weil er es unterlassen hat, Vorkehrungen zu treffen, damit niemand wegen einer Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger, nicht für alle zur Verfügung stehenden intensivmedizinischer Behandlungsressourcen benachteiligt wird.“

Von der Situation der gleichzeitigen Einlieferung von intensiv-medizinisch zu behandelnden Patienten („ex-ante-Konkurrenz“) ist jene zu unterscheiden, bei welcher eine bereits bestehende intensiv-medizinische Behandlung (eines beispielsweise alten und schwerkranken Menschen) beendet wird zugunsten der Behandlung eines neu eingelieferten, jungen Menschen mit einer Coronaerkrankung („ex-post-Konkurrenz“).Rengier Strafrecht AT § 49 Rn. 46a ff.

Hier steht nach h.M. ein aktives Tun in Gestalt des Abschaltens des Beatmungsgeräts einem Unterlassen gegenüber, so dass die rechtfertigende Pflichtenkollision keine Anwendung finden kann. Das Abschalten kann dann nur über § 34 gerechtfertigt sein, der jedoch eine Abwägung „Leben gegen Leben“ nicht zulässt.Rönnau/Wegner JuS 2020, 403; Rengier Strafrecht AT § 49 Rn 46c; Engländer/Zimmermann NJW 2020, 1398.

Die gegenteilige AuffassungJäger/Gründel ZIS 2020, 151; Hoven/Hahn JA 2020, 481. greift einen früheren Gedanken des BGH zur passiven Sterbehilfe auf und sieht in dem Abschalten kein positives Tun, sondern unter dem Aspekt des Schwerpunkts der Vorwerfbarkeit ein Unterlassen der weiteren Beatmung, so dass eine rechtfertigende Pflichtenkollision wieder in Betracht kommt.   

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