Strafrecht Allgemeiner Teil 1

Die Lehre von der objektiven Zurechnung

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III. Die Lehre von der objektiven Zurechnung

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Herrschend in der LiteraturRengier Strafrecht Allgemeiner Teil § 13 Rn. 41 m.w.N. ist die kausalitätsbegrenzende Lehre von der objektiven Zurechnung, die die Elemente der Adäquanz- und der Relevanztheorie in sich aufgenommen und weiter entwickelt hat.  

Expertentipp

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Die Adäquanz- und die Relevanztheorie haben im Strafrecht heute keine wesentliche Bedeutung mehr, weswegen sie in der Klausur auch nicht mehr erwähnt zu werden brauchen. Prüfen Sie daher nach der Bejahung der Kausalität ausschließlich die Lehre von der objektiven Zurechnung.

Die Rechtsprechung wendet einzelne Aspekte dieser Lehre lediglich bei Fahrlässigkeitstaten und bei der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, nicht jedoch bei vorsätzlichen Erfolgsdelikten anJahn Anmerkung zu BGH Urteil vom 22.11.2008, in: JUS 2009, 370.. Führen Sie sich das vor Augen, wenn Sie Urteile des BGH lesen. Eine Korrektur erfolgt bei der Rechtsprechung über den Vorsatz, der auch den Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen mit umfassen muss. Dieser Vorsatz ist zu verneinen bei atypischen Kausalverläufen bzw. dem Dazwischentreten eines Dritten.„Scheunenmordfall“, BGH Urteil vom 3.12.2015, 4 StR 223/15 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.

Sie sollten in der Klausur eine Begrenzung der Kausalität mit der objektiven Zurechnung vornehmen, unabhängig davon, ob es sich um ein vorsätzliches oder fahrlässiges Delikt handelt. Einer ausführlichen Begründung bedarf es nicht. Es reicht aus, wenn Sie die Prüfung einleiten, indem Sie feststellen, dass die uferlose conditio-sine-qua-non-Formel einer Eingrenzung bedarf, um unangemessene Ergebnisse zu vermeiden.   

Die Lehre von der objektiven Zurechnung fragt danach, ob der Erfolg dem Täter als sein Werk zugerechnet werden kann. Wie bereits angesprochen, erfolgt hier eine Wertung vom Erfolg zur Handlung hin. Die Grundformel der objektiven Zurechnung lautet wie folgt:

Definition

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Definition: Objektiv zurechenbar

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg dann, wenn die Handlung/das Unterlassen eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat und sich diese Gefahr in tatbestandskonformer Weise in dem Erfolg niedergeschlagen hat.Schönke/Schröder-Eisele Vor §§ 13 ff. Rn. 92 ff.; Jescheck/Weigend Strafrecht AT § 28 IV.

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Nach der Lehre von der objektiven Zurechnung können nachfolgende Fallgruppen unterschieden werden, die sich wie folgt einteilen lassen:

Hinweis

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Beachten Sie, dass es sich lediglich um exemplarische Fallgruppen handelt, die keinesfalls abschließend sind. Es ist also denkbar, dass Sie in der Klausur auf eine Fallgestaltung treffen, die nicht exakt in eine der nachgenannten Fallgruppen passt, bei der aber trotzdem infolge einer wertenden Betrachtung die objektive Zurechnung abgelehnt werden kann. Häufig lässt sich ein Sachverhalt auch mehreren Fallgruppen zuordnen. Die Fallgruppen schließen sich also nicht aus.

 

1. Rechtlich relevantes Risiko

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Der Erfolg ist dem Täter objektiv zurechenbar, wenn der Täter mit seiner Handlung ein rechtlich relevantes Risiko geschaffen hat. Dies ist bei den nachfolgenden Fallgruppen nicht der Fall:

a) Schadenseintritt außerhalb des menschlichen Beherrschungsvermögens

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Ein vom Täter geschaffenes rechtlich relevantes Risiko fehlt, wenn der Schadenseintritt außerhalb des menschlichen Beherrschungsvermögens liegt.

Beispiel

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A überredet den ahnungslosen B bei einem heraufziehenden Gewitter zu einem Spaziergang in der Hoffnung, B möge vom Blitz getroffen werden, was tatsächlich passiert.

Im vorliegenden Fall fehlt es an der Erfolgszurechnung, da A selbst kein rechtlich relevantes Risiko geschaffen hat, welches sich im Erfolg niedergeschlagen hat. Das Risiko, welches hier zum Erfolg geführt hat, war ein naturgewaltliches, von A nicht beherrschbares Risiko.

b) Erlaubtes Risiko

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Der Täter hat eine rechtlich relevante Gefahr dann nicht geschaffen, wenn sein Verhalten zwar gefährlich ist, aber aufgrund des sozialen Nutzens ein allgemein erlaubtes Risiko darstellt.

Beispiel

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Der geschützte Geschlechtsverkehr eines HIV-Infizierten mit einer nicht über dieses Risiko aufgeklärten Person wird teilweise in der Literatur als „erlaubtes Risiko“ eingestuft mit der Folge, dass weder die objektive Zurechnung noch ein fahrlässiges Verhalten vorliegen. Schließlich habe sich der Täter so verhalten, wie es staatliche Aufklärungskampagnen empfehlen.Knauer AIFO 1994, 465 ff. m.w.N. Dem wird jedoch von der h.M. entgegengehalten, dass die Kampagnen keinen Freibrief ausstellen, sondern nur über Schutzmöglichkeiten Nichtinfizierter aufklären wollen. In Anbetracht der nicht hundertprozentigen Sicherheit eines Kondoms sei das Verhalten gefährlich und verboten.Siehe die vertiefende Darstellung bei Jäger Strafrecht AT Rn. 54.

Die ordnungsgemäße Teilnahme am Straßenverkehr ist zwar gefährlich, aber erlaubt, so dass der Täter, wenn er unverschuldet einen Unfall „baut“, kein rechtlich relevantes Risiko gesetzt hat (und dementsprechend auch nicht fahrlässig gehandelt hat).     

c) Risikoverringerung

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Ein vom Täter geschaffenes rechtlich relevantes Risiko fehlt ferner in den Fällen der Risikoverringerung.

Von einer Risikoverringerung spricht man dann, wenn ein drohender schwerer Erfolg abgeschwächt oder zeitlich hinausgeschoben wird, ohne dass vom Täter eine neue, andersartige Gefahr gesetzt wird.

Beispiel

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A lenkt einen Schlag des B, den dieser gegen den Kopf des C gerichtet hatte, ab mit der Folge, dass der Schlag die Schulter des C trifft.

Hier war die Handlung des A kausal für die Schulterverletzung des C. Hätte er den Schlag nicht abgelenkt, wäre diese Verletzung in der konkreten Gestalt nicht entstanden. Unerheblich ist, ob C an anderer Stelle verletzt worden wäre. A hat jedoch kein neues rechtlich relevantes Risiko geschaffen, sondern vielmehr das bereits durch B hervorgerufene rechtlich relevante Risiko modifiziert, im vorliegenden Fall abgeschwächt.

Beachten Sie, dass der Fall völlig anders gelagert ist, wenn ein Rettungswilliger die ursprüngliche Gefahr zwar abwendet, dabei aber eine neue, eigenständige Gefahr schafft, die sich im Erfolg realisiert. Hier muss die objektive Zurechnung bejaht werden.

Beispiel

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Vater V steht mit seinem einjährigen Kind am Fenster im ersten Obergeschoss seines Hauses, welches lichterloh in Flammen steht, so dass V nicht mehr über die Treppe ins Freie gelangen kann. Um das Kind vor den Flammen zu retten, wirft er es nach unten in die Arme auffangbereiter Nachbarn. Dabei zieht sich das Kind einen Rippenbruch zu, womit V auch gerechnet hat.

Hier hat V zwar die Gefahr des Todes durch Verbrennen oder Ersticken von dem Kind abgewendet und „nur“ die Gefahr des Knochenbruchs geschaffen. Gleichwohl liegt keine Risikoverringerung vor, da V nicht das bestehende Risiko vermindert, sondern die Gefahr durch die Schaffung eines neuen Risikos abgewendet hat. Objektiver und subjektiver Tatbestand des § 223 sind damit verwirklicht. V ist jedoch gem. § 34 gerechtfertigt.

2. Risikozusammenhang

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Die vom Täter geschaffene, rechtlich relevante Gefahr muss sich dann in typischer Weise im Erfolg niederschlagen, damit ihm der Erfolg objektiv zurechenbar ist. Man spricht hier von dem Risikozusammenhang. Dieser Zusammenhang besteht bei den nachfolgenden Fallgruppen nicht:

a) Atypischer Kausalverlauf

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Der Erfolg stellt eine atypische Schadensfolge dar bzw. der Geschehensablauf liegt außerhalb aller Lebenserfahrung, so dass mit ihm vernünftiger Weise nicht gerechnet zu werden braucht.

Beispiel

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Im obigen Beispielsfall der kumulativen Kausalität (Rn. 69) haben A und B dem C unabhängig voneinander eine nicht tödlich wirkende Giftdosis verabreicht. Hier stellt die Handlung des jeweils anderen einen außerhalb der normalen Lebenserfahrung liegenden ungewöhnlichen Umstand dar mit dem der jeweilige Täter nicht rechnen konnte. Es hat sich mithin nicht in tatbestandstypischer Weise das vom Täter geschaffene rechtlich relevante Risiko realisiert. Dieses Risiko beinhaltete aufgrund der geringen Dosierung nur die Körperverletzung, nicht aber den Tod.

Klausurrelevant sind in diesem Zusammenhang auch Fälle, bei denen der Erfolg – zumeist der Tod – anders eintritt als zunächst geplant. Bekannt sind in diesem Zusammenhang, der „Scheunenmordfall“ (siehe nachfolgendes Beispiel) sowie der „Jauchegrubenfall“ (lesen Sie dazu das Beispiel unter Rn. 121) In beiden Fällen trat der Erfolg erst durch eine zweite Handlung ein. Es stellte sich damit die Frage, ob mit Vornahme der ersten Handlung bereits das Risiko der zweiten Handlung gesetzt wurde. Sofern man dies bejaht, führt schon die erste Handlung zum vollendeten Delikt.

Beispiel

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A und das spätere Opfer O gerieten vor einer Scheune, zu der sie sich begeben hatten, in einen eskalierenden Streit. Als O sich mit dem Rücken zu A bückte, stellte sich A hinter O und schlug diesem nun mit direktem Tötungsvorsatz mehrfach mit einer schweren Metallstange auf den Kopf. Nach dem letzten Schlag entfernte er sich, wobei er irrig davon ausging, O tödlich verletzt zu haben. Eine Stunde später kehrte er zur Scheune zurück in der Absicht, gegenüber der Polizei anzugeben, er habe überraschend seinen getöteten Freund gefunden. Als er den bewusstlosen O untersuchte stellte er jedoch fest, dass dieser noch lebte, woraufhin er sein Messer aus der Tasche zog und mit erheblicher Kraftentfaltung den Hals bis zur Wirbelsäule durchtrennte. O verblutete infolge dieser Handlung.

Das Landgericht verurteilte A wegen versuchten, heimtückischen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie tatmehrheitlich dazu wegen vollendeten Totschlags. Der BGHBGH Urteil vom 3.12.2015, 4 StR 223/15 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de. war der Auffassung, dass bereits in dem Zuschlagen mit der Stange das Risiko liege, dass diese Handlung nur vermeintlich zum Erfolg führe, dieser vielmehr erst durch eine weitere Handlung herbeigeführt werden müsse. Dass zwischen beiden Handlungen eine durchaus erhebliche Zeitspanne lag, sah der BGH als unbeachtlich an. Damit war das Zuschlagen mit der Stange nicht nur kausal i.S.d. conditio Formel sondern der Tod, der letztlich erst durch den Einsatz des Messers eintrat, war dem Täter auch schon zum Zeitpunkt des Zuschlagens objektiv zurechenbar (der BGH diskutiert diese Problematik – wie bereits ausgeführt – im Vorsatz). Es liege, so der BGH, nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass ein Täter zunächst irrig annehme, der Tod sei bereits eingetreten, dann aber später seinen Irrtum bemerke und das Werk vollende. Damit bejahte der BGH einen vollendeten Heimtückemord durch das Zuschlagen. 

Hinweis

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Wir werden gleich die Fallgruppe des „eigenverantwortlichen Dazwischentreten eines Dritten“ kennen lernen. Im Scheunenmordfall genauso wie im Jauchegrubenfall tritt nicht ein Dritter dazwischen, sondern der Täter/die Täterin selber könnte „dazwischen“ getreten sein. Beim Scheunenmordfall, indem er mit Tötungsvorsatz eine 2. Handlung vornimmt, die den Tod herbeiführt, beim Jauchegrubenfall, indem sie, nicht wissend, dass die 2. Handlung die tödliche sein wird, eben jene ausführt. Sowohl in diesen Fällen als auch in den Fällen des „Dazwischentreten eines Dritten“ stellt sich aber immer die gleiche Frage: Wurde mit der ersten Handlung bereits das Risiko gesetzt, dass der Täter selber oder ein Dritter die Tat durch eine weitere Handlung zu Ende bringt? Sofern das bejaht wird, ist die 2. Handlung kein die objektive Zurechnung beendendes „Dazwischen“-Treten, sondern der Täter/der Dritte arbeitet lediglich in dem Risiko weiter, welches die erste Handlung bereits geschaffen hat.

 

b) Schutzbereich der Norm

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Der Risikozusammenhang ist ebenfalls unterbrochen, wenn der Täter zwar eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, sich in dem eingetretenen Erfolg aber ein anderes Risiko verwirklicht hat, welches außerhalb des Schutzbereiches der verletzten Norm liegt.

Beispiel

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A und B fahren nachts auf einer dunklen Straße mit ihren Fahrrädern, bei denen die Beleuchtung nicht funktioniert. A fährt voraus, B folgt ihm, schräg links hinter ihm fahrend. Etwa in der Mitte der Straße stößt B mit dem entgegenkommenden Fahrrad des C zusammen, bei welchem ebenfalls die Beleuchtung nicht funktioniert. C erleidet beim Sturz tödliche Kopfverletzungen.„Radleuchtenfall“, RGSt 63, 392.

B hat sich nach § 222 strafbar gemacht. Die Handlung (Fahren mit einem unbeleuchteten Fahrrad) hat sowohl kausal als auch objektiv zurechenbar den Erfolg des Todes bei C herbeigeführt. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Beleuchtung eines Fahrrades dient in erster Linie der Erkennbarkeit der Radfahrer und der damit einhergehenden Vermeidbarkeit von Unfällen. B hat mithin ein rechtlich relevantes Risiko geschaffen, indem er mit einem unbeleuchteten Fahrrad fuhr, welches sich auch in tatbestandstypischer Weise im Erfolg niedergeschlagen hat. Dieses rechtlich relevante Risiko liegt innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Verhaltensnorm (Fahren nur mit beleuchteten Fahrrädern bei Dunkelheit).

Fraglich ist jedoch, ob auch A sich wegen fahrlässiger Tötung strafbar gemacht haben kann. Auch A ist mit einem unbeleuchteten Fahrrad gefahren und es muss davon ausgegangen werden, dass B im Scheinwerferlicht des A den entgegenkommenden C gesehen hätte. Er hätte dann entsprechend ausweichen können mit der Folge, dass es nicht zu einem Unfall gekommen wäre. Auch wenn die Kausalität wiederum zu bejahen ist, liegt hier die objektive Zurechnung nicht vor. Der Tod des C kann nicht als Werk des A betrachtet werden. Zwar hat auch A ein rechtlich relevantes Risiko geschaffen, indem er mit einem unbeleuchteten Fahrrad fuhr. Die Verhaltensnorm hat jedoch nicht den Zweck, Unfälle dadurch zu vermeiden, dass andere Verkehrsteilnehmer, hier der B, im Lichte des Scheinwerfers des A Hindernisse erkennen sollen. Die Beleuchtung dient in erster Linie dazu, dass der A selbst als Verkehrsteilnehmer erkannt wird und aufgrund der Beleuchtung Hindernisse zu erkennen vermag, die sich ihm in den Weg stellen. Der Erfolg liegt damit außerhalb des Schutzbereiches der verletzten Norm, sofern es den A betrifft. Im Hinblick auf den B hat das rechtlich relevante Risiko, was dieser geschaffen hat, sich in tatbestandsadäquater Weise im Erfolg niedergeschlagen.

Hinweis

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Bei dieser Fallgruppe werden Sie es häufig mit Sachverhalten aus dem Straßenverkehr zu tun haben. Fragen Sie sich, wen und wovor (also vor welchen Risiken) die betreffende Norm aus dem Straßenverkehrsrecht schützen will und ermitteln Sie so den Schutzbereich der Norm. Dann fragen Sie, ob sich genau das Risiko, vor welchem die Norm schützen soll, in dem Erfolg realisiert hat.

c) Eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten

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Der Risikozusammenhang ist ferner unterbrochen, bei einem eigenverantwortlichen Dazwischentreten eines Dritten.

Grundsätzlich gilt, dass die Verantwortung desjenigen, der die Erstursache gesetzt hat, dann endet, wenn ein Dritter vorsätzlich oder grob fahrlässig und damit voll verantwortlich eine neue, selbstständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr begründet, die sich dann allein im Erfolg realisiert.

Beispiel

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A und B prügeln sich. Im Verlaufe dieser Prügelei versetzt A dem B einen Kinnhaken, der dazu führt, dass B bewusstlos liegen bleibt. Eine tödliche Wirkung besitzt dieser Kinnhaken nicht. Nachdem A sich vom bewusstlosen B entfernt hat, kommt C hinzu, der die Situation ausnutzt und den wehrlosen B ersticht.

Hier ist das Niederschlagen des B durch den A kausal, da die Bedingung bis zum Erfolgseintritt fortwirkt. Allerdings hat hier C durch das Erstechen einen neuen Prozess in Gang gesetzt, der mit der Ausgangsgefahr nicht mehr verknüpft ist. In diesem Fall hat sich wiederum das rechtlich relevante Risiko, welches A durch das Niederschlagen geschaffen hat, nicht in tatbestandstypischer Weise im Erfolg realisiert, da dieser Erfolg als Werk des hinzukommenden C gewertet werden muss, der ein eigenes Risiko geschaffen hat, welches sich dann im Erfolg niedergeschlagen hat.

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Etwas anderes gilt nur dann, wenn der tatbestandliche Erfolg durch einen Dritten verursacht wird, der nur aufgrund der Abwendung der vom Ersttäter geschaffenen Gefahr handelt, sofern in diesem Fall dem Dritten keine grobe Fahrlässigkeit bzw. Vorsatz zur Last fällt.

Beispiel

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Im oben genannten Fall (Rn. 67) des verunfallten Rettungswagens, der den niedergestochenen B ins Krankenhaus transportieren soll und der aufgrund überhöhter Geschwindigkeit in der Kurve von der Fahrbahn abkommt, ist die objektive Zurechnung dann nicht unterbrochen, wenn den Fahrern lediglich der Vorwurf der leichten Fahrlässigkeit zu machen ist. In diesen Fällen hat sich das rechtlich relevante Risiko der Stiche sehr wohl im Erfolgseintritt niedergeschlagen, da es diesem Risiko immanent ist, dass bei einer Rettungsfahrt ins Krankenhaus aufgrund der damit verbundenen Eile und der einhergehenden Stresssituation der Sanitäter Fahrfehler gemacht werden können, die zu Unfällen führen.[1]Im Einzelnen streitig, vgl. zum Meinungsstand Schönke/Schröder-Eisele Vor §§ 13 ff. Rn. 100 m.w.N.

Anders wäre der Sachverhalt allerdings dann zu beurteilen, wenn sich der Unfall ereignet hätte, weil der Fahrer im Fußraum des Beifahrers nach seinem herunter gefallenen Handy gegriffen und dadurch das Lenkrad nach rechts gerissen hätte. In diesem Fall hätte sich nicht das übliche Risiko der Ersthandlung realisiert, sondern ein neues Risiko, welches der Fahrer grob fahrlässig gesetzt hätte. Die objektive Zurechnung wäre zu verneinen.   

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Die objektive Zurechnung kann trotz Tätigwerden eines Dritten auch dann bejaht werden, wenn das Verhalten des Dritten einen so engen Zusammenhang mit der Ausgangsgefahr aufweist, dass der Erfolg insgesamt noch als Werk des Täters angesehen werden kann.

Beispiel

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Aus Eifersucht sticht Pflegekind A ein anderes Pflegekind P mit einem Klappmesser nieder. P wird danach irrtümlich von A für tot gehalten. Um die Spuren zu beseitigen, bittet A ihren Freund F, das Opfer verschwinden zu lassen. Als F an den Tatort kommt, findet er P jedoch noch lebend, aber röchelnd vor und versetzt ihr mehrere Schläge mit einer Wasserflasche auf den Kopf. Es lässt sich später nicht mehr feststellen, ob P schließlich an den Messerstichen, die geeignet waren, den Tod herbeizuführen, oder an den Schlägen verstarb.„Pflegemutterfall“, BGH NStZ 2001, 29.

Das Zustechen hat zunächst kausal den Tod herbeigeführt, da F nur geschlagen hat, um das „Werk“ der A zu vollenden. Es liegt keine überholende Kausalität vor. Der Tod kann auch noch als das Werk der A angesehen werden, da F sich nur aufgrund der vorangegangenen Tat der A zum Schlagen veranlasst sah und das Risiko der Beweismittelbeseitigung schon im Zustechen verankert war. A hat sich also wegen vollendeten Totschlags strafbar gemacht.  

Beispiel

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Die Ärzte A und B arbeiten in einem psychiatrischen Krankenhaus und gewähren dem verurteilten Straftäter S, der wegen eines erheblichen Gefährdungspotenzials eingewiesen wurde, entgegen der Empfehlung der Stationsärztin Ausgang. S flieht und verübt in der Folge zwei Morde. Hier hat der BGH eine fahrlässige Tötung bejaht. A und B haben mit der Ausgangsgewährung das Risiko der Flucht und damit weiterer Verbrechen des gewaltbereiten S geschaffen. Eben dieses Risiko hat sich dann auch realisiert.BGHSt 49, 1; dazu auch Jäger Strafrecht AT Rn. 57.

Expertentipp

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Bei der objektiven Zurechnung handelt es sich um eine Wertungsebene. Sofern Sie es mit der soeben dargestellten Fallgruppe zu tun haben, fragen Sie sich, ob der Täter wirklich „dazwischen“ tritt im Sinne einer Unterbrechung oder ob es sich nicht – bildlich gesprochen – um ein „Anschluss“ Treten handelt. In letzterem Falle hat sich das Risiko der Ersthandlung realisiert. Mit entsprechender Argumentation ist wie immer vieles vertretbar.

d) Eigenverantwortliche Selbstgefährdung

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Der Erfolg wird ferner dem Täter dann nicht zugerechnet, wenn das Opfer sich eigenverantwortlich selbst gefährdet und sich aufgrund dieser Selbstgefährdung nicht mehr das vom Täter geschaffene, rechtlich relevante Risiko im Erfolg niederschlägt, sondern das vom Opfer selbst geschaffene rechtlich relevante Risiko.

Diese Fallgruppe erlangt große Bedeutung bei der Abgrenzung der straflosen Teilnahme an der Selbsttötung oder Selbstverletzung von der strafbaren täterschaftlichen Tötung oder Verletzung eines anderen.

Hinweis

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Eine ausführliche Erörterung dieser Problematik finden Sie im Skript „Strafrecht BT I“ bei der Darstellung des § 216.

Die §§ 211 ff. setzen die Tötung eines anderen Menschen voraus. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Normen, aber aus der Menschenwürde, wonach es ein Recht auf Leben, nicht aber eine Pflicht zum Leben gibt. Die Körperverletzungsdelikte gem. §§ 223 ff sprechen ausdrücklich von der Verletzung eines anderen Menschen. Daraus folgt, dass derjenige, der sich selbst tötet oder verletzt, keine Straftat begeht. Damit ist jedoch auch die Anstiftung oder die Beihilfe zu einer Selbsttötung oder -verletzung straflos, da es insoweit an der gem. §§ 26 und 27 erforderlichen vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat fehlt. In bestimmten Fällen kann jedoch das Veranlassen oder Fördern einer Selbsttötung oder -verletzung eine strafbare Fremdtötung oder -verletzung sein. In Betracht kommt eine Tötung oder Körperverletzung

  • in Alleintäterschaft,
  • in mittelbarer Täterschaft,
  • durch Unterlassen der Rettungsmaßnahmen unter den Voraussetzungen des § 13,
  • durch fahrlässige Ermöglichung.

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Bei der Abgrenzung zwischen strafloser Teilnahme und strafbarer Täterschaft geht es stets um die Frage, ob das Opfer sich eigenverantwortlich selbst gefährdet hat. Kann das bejaht werden, so ist der Teilnehmende straflos. Liegt hingegen eine – wenn auch einverständliche, weil vom Opfer gewollte – Fremdgefährdung durch den Täter vor, ist dieser strafbar.

Hinweis

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Sofern eine Strafbarkeit des Täters in mittelbarer Täterschaft in Betracht kommt, wird die Eigenverantwortlichkeit diskutiert bei der Frage, ob der Täter die Tat und damit auch das Opfer kraft überlegenen Wissens oder Wollens beherrscht. Handelt das Opfer nicht eigenverantwortlich, so kann in der Regel eine Tatherrschaft und damit eine Tötung in mittelbarer Täterschaft bejaht werden.

Bei einer Alleintäterschaft, der Täterschaft durch Unterlassen oder der fahrlässigen Ermöglichung wird die Eigenverantwortlichkeit entweder bei der objektiven Zurechnung diskutiert oder aber (beim Unterlassungsdelikt) bei der Garantenstellung und der sich daraus ergebenden Pflicht zum Handeln. Wird die Verantwortlichkeit dem Täter zugeschrieben, so hat der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen, welche sich dann in dem Erfolg realisiert hat. Liegt hingegen die Verantwortlichkeit beim Opfer, so hat sich nicht die vom Täter geschaffene Gefahr, sondern die vom Opfer selbst geschaffene Gefahr realisiert, so dass der „Täter“ straflos ist.

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Streitig ist, wie die eigenverantwortliche Selbstgefährdung zu bestimmen ist.

Eine Selbstgefährdung verlangt zunächst, dass das Opfer die zum Tode oder zur Verletzung führende Handlung beherrscht, was in der Regel dann der Fall ist, wenn es die Handlung selber vornimmt. Wann ist aber diese Selbstgefährdung eigenverantwortlich?

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Die sog. Schuldlösung begreift das Opfer als Täter gegen sich selbst und zieht die § 3 JGG, §§ 19, 20, 35 StGB analog heran.LK-Roxin § 25 Rn. 106 ff. m.w.N.; Jäger Strafrecht AT Rn. 247. Sie verweist darauf, dass aus den Exkulpationsregeln hervorgehe, bis zu welcher Grenze jeder für sein Verhalten einzustehen habe. Es liegt eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung vor, wenn das Opfer, hätte es einen Dritten getötet, strafbar gewesen wäre.   

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Nach der überwiegend vertretenen Einwilligungslösung wird der Täter als Opfer seiner selbst begriffen. Entsprechend ist eine Orientierung an dem Rechtsgedanken des Rechtsgüterverzichts, mithin also der rechtfertigenden Einwilligung geboten.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 117; BGH NStZ 1983, 117. Danach sollen die Anforderungen, die an eine Verfügung über das eigene Leben zu stellen sind, nicht geringer sein als bei einer Verfügung beispielsweise über die körperliche Integrität. Diese Auffassung schützt damit das menschliche Leben und die Unversehrtheit umfassender, als es die Schuldlösung tut. Voraussetzung der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung ist,

- dass das Opfer verantwortungsfähig ist, was der Fall ist, wenn es aufgrund seiner geistigen und sittlichen Reife in der Lage ist, die Tragweite seines Handelns zu erkennen und entsprechend zu handeln, und

- wenn die Entscheidung keine wesentlichen Willensmängel aufweist, was zu bejahen ist, wenn sie weder durch Täuschung noch durch Drohung oder Zwang zustande gekommen ist. Umstritten ist, ob ein Irrtum, der nicht rechtsgutbezogen ist, Auswirkungen hat auf die Eigenverantwortlichkeit. Dieser Streit wird ausführlich dargestellt bei der rechtfertigenden Einwilligung.

Beispiel

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A gibt sich gegenüber verschiedenen jungen Frauen, u.a. dem späteren Opfer O, als Arzt aus, der zusammen mit einer renommierten Universität eine Studie zur Wirksamkeit von Stromstößen als Schmerztherapie durchführe. Er wirbt O unter Inaussichtstellen von 1000 € als Teilnehmerin dieser Studie an. Zuvor soll O jedoch zu Hause einen „Vorab-Stromtest“ durchführen. Nach genauer Anweisung des A setzt sich O Stromdrähte an die Schläfen und löst dadurch einen Stromschlag mit 230 Volt aus. O geht dabei davon aus, dass dieses Vorgehen harmlos sei, auch weil sie der Expertise des vermeintlichen Arztes A vertraut. Sie rechnet mit einem leichten, etwas unangenehmen „Schlägli“, verspürt aber tatsächlich sehr schwere Schmerzen. Der Stromschlag führt glücklicherweise nicht zum Tod der O. A, der via Skype mit O verbunden ist, zeichnet den Vorgang auf, um sich später sexuell zu stimulieren.LG München JuS 2020, 987.
In diesem „Stromschlagfall“ hat das LG München den versuchten Mord in mittelbarer Täterschaft (§§ 211, 212, 22, 23 25 Abs. 1 Alt. 2) kraft überlegenen Wissens bejaht und dementsprechend eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers verneint. Zwar hat das Opfer die gefährdende Handlung beherrscht, ihre Willensentscheidung war aber nicht frei von Täuschung und wies damit Willensmängel auf, die der Täter geschickt herbeigeführt hat. Das LG München hat also die Einwilligungslösung zugrunde gelegt. Die Schuldlösung hingegen müsste eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung bejahen und dementsprechend eine Strafbarkeit des A verneinen.

Beispiel

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D leidet seit ihrem 16. Lebensjahr an einem sehr schmerzhaften Reiz-Darm-Syndrom, welches die Lebensqualität so erheblich einschränkt, dass D über Jahre hinweg den Wunsch äußerte, sterben zu wollen. Ihr Hausarzt, dem der Wunsch bekannt ist, stellt 2 Rezepte über das Medikament „Luminal“ aus, von denen er mindestens eines selbst einlöst und D alsdann das Medikament übergibt. D nimmt das Medikament ein und fällt danach in eine mehrtägige Bewusstlosigkeit, bevor sie stirbt. A, der einen Schlüssel zu ihrer Wohnung hat, unterlässt es, den Notarzt zu verständigen, weil er den Sterbewunsch der D respektiert. Ob D durch notärztliche Betreuung hätte gerettet werden können, lässt sich später nicht mehr feststellen.

Der BGHBGH Urteil vom 3.7.2019/5 StR 393/18 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de. prüft nun vorliegend zunächst, ob nicht durch das Ausstellen der Rezepte und Übergabe der Medikamente eine Strafbarkeit gem. §§ 216, 212 in Betracht kommen könnte. Die Einnahme der Medikamente stellt aber eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung dar, so dass der Zurechnungszusammenhang durchbrochen ist. Anschließend prüft der BGH, ob nicht durch das nachfolgende Unterlassen eine Strafbarkeit aus §§ 212, 216, 22, 23, 13 in Betracht kommen könnte. Auch das hat er in Anbetracht des freiverantwortlich gefassten Entschlusses, sterben zu wollen, verneint.  

Hinweis

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Da der BGH mit dieser Entscheidung teilweise Abstand genommen hat von seiner bisherigen Rechtsprechung zu diesem Thema, sollten Sie die Entscheidung kennen. Wir kommen ausführlicher darauf zurück, wenn wir uns im Skript „Strafrecht BT I“ mit der Sterbehilfe befassen.

e) Rechtmäßiges Alternativverhalten

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Hinweis

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Der Risikozusammenhang ist schließlich auch in den Fällen des sog. rechtmäßigen Alternativverhaltens unterbrochen.

Hier hat der Täter zwar ein rechtlich relevantes Risiko geschaffen, welches sich auch im Erfolg niedergeschlagen haben kann. Dieses Risiko wäre jedoch auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Täters mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten. Nach allgemeiner Auffassung ist dann die objektive Zurechnung nicht gegeben, weil letztlich der Erfolg nicht als das Werk des Täters angesehen werden kann.

Beispiel

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Autofahrer A überholt den Radfahrer R auf einer Landstraße mit zu geringem Seitenabstand von 75 cm. R wird vom Auto erfasst, stürzt vom Fahrrad und verstirbt infolge eines Genickbruchs. Später stellt sich heraus, dass R stark alkoholisiert war und zum Zeitpunkt der Tat 2,2 Promille hatte. Der Sachverständige stellt dementsprechend fest, dass R definitiv auch bei Einhaltung des Sicherheitsabstands von 2 Metern vom Auto erfasst worden wäre, da er aufgrund der Alkoholisierung sehr stark schwankte.

Hier hat sich nicht das von A, sondern das von R gesetzte Risiko realisiert. A hätte den R auch erfasst, wäre er vorschriftsmäßig gefahren.

Hinweis

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Beachten Sie, dass dieser Grundsatz nicht bei Nebentäterschaft gilt. Auch dann wäre der Erfolg zwar eingetreten, wenn der Täter sich rechtmäßig verhalten hätte. Es kann ihn aber nicht entlasten, dass es einen zweiten Täter gibt, der ebenso strafbar handelt.

Beispiel

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Im obigen Fall (Rn. 69) der alternativen Kausalität kann es die Täter nicht entlasten, dass die Vergiftung auch eingetreten wäre, wenn jeweils einer der Täter nicht gehandelt hätte. Es liegt kein Fall des rechtmäßigen Alternativverhaltens vor.

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Umstritten ist, ob die objektive Zurechnung auch zu verneinen ist, wenn die konkreten Anhaltspunkte nur ergeben, dass der gleiche Erfolg nur möglicherweise eingetreten wäre. Die herrschende Meinung bejaht dies unter Hinweis auf den „in dubio pro reo“-Grundsatz.BGHSt 11, 1 ff.; 30, 228 ff.; Schönke/Schröder-Eisele vor §§ 13 Rn. 99 ff.

Beispiel

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Stellen Sie sich vor, der Sachverständige hätte nur gesagt, dass es nicht ausgeschlossen werden könne, dass A auch bei Einhaltung des Sicherheitsabstandes den R erfasst hätte. In diesem Fall ist es mithin also auch möglich, dass A den Unfall sehr wohl hätte vermeiden können, wenn er den Abstand von 2 Metern eingehalten hätte.

Nach der h.M. ist die objektive Zurechnung unterbrochen, da sich nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht zwingend die von A geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr im Erfolg niedergeschlagen hat, sondern man auch davon ausgehen kann, dass sich das von dem Radfahrer selbst geschaffene Risiko durch die Trunkenheitsfahrt im Erfolg niedergeschlagen haben kann.

Zu einem anderen Ergebnis gelangt vorliegend die sog. Risikoerhöhungslehre. Steht fest, dass durch das Verhalten des Täters tatsächlich eine Gefahrerhöhung eingetreten ist, so wird die objektive Zurechnung bei dieser Gefahrerhöhung bejaht.SK-Rudolphi a.a.O. § 1 Rn. 69; Jescheck/Weigend Strafrecht AT § 55 II 2.

Beispiel

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Hier hat A im vorliegenden Fall durch das zu enge Überholen das Risiko eines tödlichen Ausgangs vergrößert, so dass er nach der Risikoerhöhungslehre gem. § 222 zu bestrafen wäre.

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Der Risikoerhöhungslehre wird entgegengehalten, dass sie den Grundsatz „in dubio pro reo“ zu sehr einschränke. Nach der Risikoerhöhungslehre kommt dieser Grundsatz nur dann zum tragen, wenn zweifelhaft bleibt, ob durch das sorgfaltspflichtwidrige Verhalten wiederum eine Risikoerhöhung eingetreten sei oder nicht. Darüber hinaus wird der Lehre entgegengehalten, dass sie Verletzungsdelikte unzulässigerweise in konkrete Gefährdungsdelikte umdeute, da es schon ausreiche, dass der Täter mit seiner Handlung die konkrete Gefahr für den Erfolgseintritt geschaffen habe, ohne dass feststehen müsse, dass diese Gefahr sich auch tatsächlich im Erfolg realisiert habe.Jäger Strafrecht AT Rn. 37.

Expertentipp

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Steht fest, dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, so gelangt auch die Risikoerhöhungslehre zu dem Ergebnis, dass die objektive Zurechnung nicht gegeben ist. Der Meinungsstreit wirkt sich also nur in den Fällen der Sachverhaltsungewissheit aus und muss in der Klausur auch nur dann problematisiert werden.

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