Strafprozessrecht (Basics)

Der Beschuldigte im Strafprozess

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V. Der Beschuldigte

1. Beginn der Beschuldigtenstellung

67

Definition

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Definition: Beschuldigter

Beschuldigter wird die Person genannt, gegen die sich das Ermittlungsverfahren richtet.

Eine Person wird zum Beschuldigten, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

Es muss zunächst ein Anfangsverdacht gegen die Person bestehen. Was hierunter zu verstehen ist, haben wir bereits unter Rn. 17 ausführlich erörtert.

Zu diesem Anfangsverdacht muss ferner ein Willensakt der Strafverfolgungsbehörde hinzutreten, welcher deutlich macht, dass sie gegen den Beschuldigten ermitteln möchte.

BGHSt 10, 8; 37, 48.

Die Begründung der Beschuldigteneigenschaft kann auch konkludent zum Ausdruck kommen, z.B. durch Anordnung oder Durchführung einer Maßnahme, die nur gegen den Beschuldigten zulässig ist, wie z.B. einer körperlichen Untersuchung gem. § 81a StPO.

Beulke/Swoboda Strafprozessrecht Rn. 112.

2. Rechte und Pflichten des Beschuldigten

68

Die Einordnung einer Person als Beschuldigter hat wesentliche Konsequenzen für die Rechte und Pflichten dieser Person.

Expertentipp

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Nutzen Sie die Gelegenheit, sich mit den Straftaten gegen die Rechtspflege zu befassen, dargestellt im Skript „Strafrecht BT III“.

Im Gegensatz zu einem Zeugen hat ein Beschuldigter z.B. das Recht, die Unwahrheit zu sagen. Macht er im Strafverfahren falsche Angaben, die dazu führen, dass eine Verurteilung nicht erfolgt, so macht er sich weder nach § 153 StGB noch nach § 258 StGB strafbar. Die Falschaussage findet jedoch ihre Grenze in §§ 164 und 145d StGB. Ein Zeuge hingegen kann sich gem. § 153 StGB strafbar machen, wenn er eine falsche Aussage macht. Beachten Sie jedoch, dass eine Strafbarkeit ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge lediglich vor der Polizei oder der Staatsanwaltschaft falsch aussagt.

a) Rechte

69

Daneben hat der Beschuldigte als Verfahrenssubjekt weitere Rechte im Strafverfahren. Zu nennen sind dabei insbesondere die nachfolgend dargestellten, die Sie sich einprägen sollten.

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aa) Das Aussageverweigerungsrecht

70

Aus § 136 Abs. 1 S. 2 StPO ist zu entnehmen, dass es dem Beschuldigten freisteht, sich nicht zur Sache zu äußern. Auf dieses Recht ist er bei seiner ersten Vernehmung hinzuweisen. Dieses Recht gilt auch in der Hauptverhandlung, § 243 Abs. 5 S. 1 StPO.

bb) Das Aufklärungsrecht

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Bei der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten ferner mitzuteilen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Dies ergibt sich ebenfalls aus §§ 136 Abs. 1 S. 1 sowie 163a Abs. 4 S. 1 StPO.

cc) Das Recht auf einen Verteidiger

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Der Beschuldigte hat des Weiteren das Recht, gem. § 137 StPO in jeder Lage des Verfahrens einen Verteidiger zu wählen. Auch hierauf muss er bei seiner ersten Vernehmung hingewiesen werden, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO. Sofern er keinen Verteidiger kennt, sind ihm entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm ermöglichen, einen Verteidiger zu finden, § 136 Abs. 1 S. 3 und 4 StPO.

Handelt es sich um einen Fall der sog. notwendigen Verteidigung gem. § 140 StPO, so hat er sogar einen Anspruch gegen den Staat auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers gem. §§ 141 und 142 StPO. Auch darauf ist er bei seiner ersten Vernehmung hinzuweisen, § 136 Abs. 1 S. 5 StPO.

Wird der Beschuldigte auf die soeben genannten drei Rechte bei der ersten Vernehmung nicht hingewiesen, so ist seine Aussage, wie wir unter Rn. 168 sehen werden, im Strafverfahren grundsätzlich nicht verwertbar, es sei denn, der Beschuldigte kannte seine Rechte.

Hinweis

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Zum 1.1.2020 wird eine Regelung in Kraft treten, wonach die Vernehmung audiovisuell aufzuzeichnen ist. Ein Einverständnis des Beschuldigten ist dann – anders als jetzt - nicht erforderlich. Entsprechend dazu wurde bereits jetzt § 254 StPO dahin gehend geändert, dass „Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll oder in einer Bild-Ton-Aufzeichnung einer Vernehmung enthalten sind, ….. zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis verlesen beziehungsweise vorgeführt werden“ können.

§ 136 StPO wird um einen Abs. 4 ergänzt werden, der wie folgt lauten wird:

„(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.

dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen,

oder

2.

die schutzwürdigen Interessen, von

a)

Beschuldigten unter 18 Jahren oder

b)

Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden,

durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können. § 58a Absatz 2 gilt entsprechend.“

Problematisch in Zusammenhang mit der ersten Befragung des Beschuldigten ist, inwieweit die vernehmenden Ermittlungsbeamten bei „informatorischen Befragungen“ und sog. „Spontanäußerungen“ Belehrungspflichten haben.

Führen die Strafverfolgungsorgane sog. informatorische Befragungen durch, dann verdächtigen sie noch keine konkrete Person. Informatorische Befragungen dienen vielmehr der Orientierung über das Geschehen und werden zumeist unmittelbar nach dem Tatgeschehen am Tatort durchgeführt.

BGH NStZ 1983, 86. Die Zulässigkeit dieser Befragungen ergibt sich aus kriminalpolitischen Aspekten. Die vernehmenden Ermittlungspersonen können häufig erst nach entsprechender Klärung des Sachverhalts feststellen, in welcher prozessualen Rolle sich der Befragte befindet. Wird der spätere Beschuldigte in diesem Zusammenhang befragt, so ist eine Belehrung gem. § 136 StPO nicht erforderlich. Gleiches gilt für Spontanäußerungen, bei welchen es sich um eigenständige Äußerungen ohne entsprechende Befragung handelt.Beulke/Swoboda Strafprozessrecht Rn. 113.

Beispiel

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Nach einem Fußballspiel ist es in einer Kneipe zu einer Rauferei zwischen mehreren Personen gekommen. Die herbeigerufenen Polizeibeamten X und Y vernehmen vor Ort sämtliche Personen, die sich in der Gaststätte aufhalten. Darunter befindet sich auch A, der noch wenige Minuten zuvor tatkräftig mitgeprügelt hat. Nachdem er seine erste Aussage getätigt hat, drängt sich aufgrund der in dem Gespräch festgestellten, starken Alkoholisierung sowie der erheblichen Blessuren an den Händen bei dem Polizeibeamten X der Verdacht auf, dass A einer der Täter sein könnte. Aus diesem Grund befragt er ihn erneut zum Tathergang, ohne ihn entsprechend zu belehren. Darf er das?

Bei der ersten Befragung handelte es sich um eine sog. informatorische Befragung, bei welcher eine Belehrung nicht erforderlich war. Die Befragung diente den Polizeibeamten dazu, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Nachdem der Polizeibeamte X jedoch die Verletzungen und die Alkoholisierung des A wahrgenommen hat, kann von einem Anfangsverdacht ausgegangen werden. Dieser Anfangsverdacht hat sich auch in der weiteren Befragung manifestiert, so dass zu diesem Zeitpunkt A Beschuldigter war. Nunmehr hätte X ihn gem. § 136 StPO über seine Rechte belehren müssen. Da dies unterblieben ist, kann eine eventuelle Aussage des A in einem weiteren Strafverfahren nicht verwertet werden.

dd) Das Anwesenheitsrecht

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Der Beschuldigte hat im Ermittlungsverfahren das Recht, bei richterlichen Vernehmungen von Zeugen oder Sachverständigen anwesend zu sein, § 168c Abs. 2 S. 1 StPO.

Der Beschuldigte hat ferner während der Hauptverhandlung ein Recht auf Anwesenheit. Ausnahmen ergeben sich insoweit aus §§ 231 Abs. 2, 231a–233, 247 StPO.

ee) Der Anspruch auf rechtliches Gehör

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Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich, dass der Beschuldigte einen Anspruch auf rechtliches Gehör hat. Dieser Anspruch wird z.B. konkretisiert im letzten Wort, welches dem dann „Angeklagten“ vor der Urteilsverkündung gem. § 258 Abs. 1 und 2 zusteht.

ff) Das Beweisantrags- und Fragerecht

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Der Beschuldigte hat das Recht, während des Strafverfahrens Beweisanträge zu stellen und Zeugen und Sachverständige einzuvernehmen. Dies ergibt sich aus §§ 219, 244 ff. StPO.

Vgl. zu den Rechten und Pflichten auch Engländer Examens-Repetitorium Strafprozessrecht Rn. 57 ff.

b) Pflichten

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Der Beschuldigte hat aber nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten im Strafverfahren. Zu seinen Pflichten gehören:

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aa) Die Erscheinungspflicht im Ermittlungsverfahren

77

Der Beschuldigte muss zwar nicht vor der Polizei, aber gem. §§ 133, 163a Abs. 3 S. 1 StPO vor der Staatsanwaltschaft und dem Ermittlungsrichter zu seiner Vernehmung erscheinen. Bleibt er unentschuldigt aus, kann er zwangsweise vorgeführt werden (§§ 133 Abs. 2, 163a Abs. 3 S. 2 StPO).

bb) Die Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung

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Ohne den Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt. Dies ergibt sich aus §§ 230 und 231 StPO. Beachten Sie jedoch die Ausnahmeregelungen des § 233 StPO.

cc) Die Duldung von Zwangsmaßnahmen

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Wie wir noch unter Rn. 112 ff. sehen werden, stehen der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungsbeamten verschiedene Zwangsmittel zur Verfügung, um den Sachverhalt zu erforschen. Sofern die jeweiligen Voraussetzungen gegeben sind, muss der Beschuldigte diese Eingriffsmaßnahmen dulden. Beachten Sie jedoch, dass es sich insoweit nur um eine passive Duldungspflicht handelt. Aus dem nemo-tenetur-Grundsatz ergibt sich, dass der Beschuldigte darüber hinaus nicht verpflichtet ist, aktiv an den Ermittlungen mitzuwirken. Er darf mithin gegen seinen Willen nicht z.B. zur Abgabe von Schrift- oder Sprechproben oder ähnlichen Maßnahmen herangezogen werden.

BGH NJW 2000, 1962 f.; Haller/Conzen Das Strafverfahren Rn. 127. Die entsprechende Verweigerung darf demnach auch nicht zu seinen Lasten als Beweis gewürdigt werden.

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