Strafprozessrecht (Basics)

Erkenntnisverfahren - Überblick über das Strafverfahren

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1. Teil Überblick über das Strafverfahren

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Solide Kenntnisse des Strafverfahrensrechts sind nicht nur unabdingbar für das Bestehen des zweiten Staatsexamens, sondern auch erforderlich für die Examensklausur und die mündliche Prüfung im ersten juristischen Staatsexamen. Sollten Sie schon einmal den an Ihren Universitäten angebotenen Examensklausurenkurs besucht haben, dann werden Sie wissen, dass bei einer Vielzahl von Klausuren des ersten Staatsexamens strafprozessuale Zusatzfragen gestellt werden. Sowohl hier als auch in der mündlichen Prüfung können und sollten Sie also mit solidem Basiswissen schnell und sicher punkten. Wir werden Ihnen dementsprechend nachfolgend die wesentlichen Grundzüge des Strafprozessrechts darstellen, wobei wir uns im Wesentlichen auf das klausurrelevante Erkenntnisverfahren beschränken werden.

Expertentipp

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Die Zusatzfragen, die Ihnen typischerweise in der Klausur begegnen können, finden Sie in diesem Skript an den entsprechenden klausurrelevanten Stellen in den dazu gehörenden Beispielen.

Weitere typische Zusatzfragen finden Sie bei Murmann JuS-Beilage 11/2007.

Versuchen Sie, die Fragen zunächst selbst zu beantworten, bevor Sie die nachfolgend geschilderten Lösungen lesen.

Die Beantwortung der Zusatzfrage folgt keinem schulmäßigen Aufbau, wie Sie ihn aus dem materiellen Strafrecht kennen. Gleichwohl orientiert auch sie sich an Normen aus der StPO, die Sie kennen sollten.

Für gewöhnlich wird die Zusatzfrage am Ende der Klausur – meist aus Zeitnot – stiefmütterlich behandelt, was unklug ist, da Sie mit einer gelungenen Beantwortung einen guten „letzten Eindruck“ hinterlassen können. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Zusatzfrage auf einem separaten Blatt zu Beginn zu beantworten, allerdings nur dann, wenn ihre Beantwortung Sie nicht vor allzu große Schwierigkeiten stellt. Sollte Ihnen das Thema unbekannt sein, und müssen Sie dementsprechend erst lange in der StPO suchen, sollten Sie die Bearbeitung des insoweit wichtigeren materiell-rechtlichen Teils vorziehen und darauf hoffen, dass Ihnen am Ende noch genug Zeit zum Suchen bleibt.

A. Funktion des Strafverfahrens

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Wenn in Ihrer Klausur nach der Strafbarkeit der Beteiligten gefragt ist, dann bestimmen Sie anhand des materiellen Strafrechts, welche Straftatbestände durch die jeweiligen Verhaltensweisen verwirklicht wurden. Sie gehen dabei im ersten Staatsexamen von einem feststehenden Sachverhalt aus. In der Praxis muss dieser Sachverhalt jedoch erst ermittelt und bewiesen werden. Schließlich muss im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens eine rechtskräftige Entscheidung herbeigeführt werden, die dann Grundlage für die Vollstreckung einer Strafe ist. Wie, durch wen und anhand welcher Beweise das Vorliegen einer Straftat ermittelt und die Strafverfolgung durchgesetzt wird, regelt das Strafprozessrecht. Dabei werden im Wesentlichen drei grundlegende Ziele verfolgt.

 

 

I. Wahrheit und Gerechtigkeit

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Durch eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts und eine ordnungsgemäße Beweiserhebung und -verwertung soll zunächst gewährleistet werden, dass niemand zu Unrecht bestraft wird. Das Strafrecht soll also eine in materiell-rechtlicher Hinsicht richtige und damit gerechte Entscheidung herbeiführen.

BVerfGE 20, 45; Beulke Strafprozessrecht Rn. 3. Die Feststellung und Durchsetzung eines Strafanspruchs obliegt dabei dem Staat.

II. Rechtsstaatlichkeit

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Die erstrebte Wahrheit und Gerechtigkeit kann es in einem Rechtsstaat nicht um jeden Preis geben. Es muss verhindert werden, dass der Staat in seinem Bestreben nach einer möglichst effektiven Strafverfolgung den möglichen Straftäter unverhältnismäßigen Eingriffen aussetzt. Beachten Sie, dass in einem deutschen Strafverfahren der mögliche Straftäter bis zum Erreichen einer rechtskräftigen Entscheidung als unschuldig angesehen werden muss. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass die gerichtliche Entscheidung prozessual ordnungsgemäß zustande kommt und dem möglichen Straftäter Rechtsmittel zur Verfügung stehen, mit denen er sich gegen staatliche Willkürmaßnahmen zur Wehr setzen kann.

Beispiel

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Der gewalttätige A steht im Verdacht, seine Ehefrau, die seit einigen Wochen spurlos verschwunden ist, ermordet und die Leiche beseitigt zu haben. Da es jedoch keine hinreichenden Beweise gibt, steht die Staatsanwaltschaft kurz davor, das Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Der Polizeibeamte P ist jedoch mit diesem Ermittlungsergebnis nicht zufrieden und beschließt, der Wahrheit ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Aus diesem Grund droht er A bei der nächsten Vernehmung an, er werde ihm durch einen speziell ausgebildeten Beamten des Geheimdienstes und unter ärztlicher Überwachung Schmerzen zufügen, deren Ausmaß er sich noch nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen vorstellen könne. Er werde dabei darauf achten, dass keine sichtbaren Spuren am Körper des A verbleiben würden, so dass dieser, sollte er sich später auf eine verbotene Verhörmethode berufen wollen, keinerlei Beweise haben werde. Der derart eingeschüchterte A legt daraufhin ein vollumfängliches Geständnis ab, welches auch zum Auffinden der Leiche führt.

Vgl. dazu den Fall „Daschner“ im Skript „Strafrecht BT I“ Rn. 386.

Hier hat P zwar effektiv die von A begangene Straftat verfolgt. Die Art und Weise steht jedoch im Widerspruch zu § 136a StPO, wonach die Androhung von Folter verboten ist. Das Geständnis des A kann mithin vor Gericht als Beweismittel nicht verwertet werden. Sofern keine anderen Beweismittel vorliegen, ist A wegen der tatsächlich begangenen Straftat freizusprechen. P hat sich hingegen gem. § 240 StGB strafbar gemacht, indem er A Folter androhte.

III. Rechtsfrieden

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Das Strafverfahren soll schließlich durch eine rechtskräftige und damit für alle verbindliche Entscheidung die geltende Rechtsordnung bestätigen und dadurch Rechtsfrieden schaffen.

Interessante Ausführungen zum Sinn und Unsinn des Strafens finden Sie bei Hassemer Warum Strafe sein muss, 2009.

B. Gesetzliche Grundlagen des Strafverfahrens

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Strafprozessuale Normen finden sich in verschiedenen Gesetzen. Bekannt sein sollten Ihnen vor allem:

die StPO: Sie stellt die Hauptquelle des Strafverfahrensrechts dar und regelt insbesondere den Ablauf des Verfahrens.

das GVG: Es enthält vor allem Normen, die sich mit dem Aufbau, der Zusammensetzung und der Zuständigkeit der Gerichte sowie der Organisation der Staatsanwaltschaft beschäftigen.

das GG: Kennen sollten Sie hier vor allem das Rechtsstaatsprinzip, welches in Art. 20 Abs. 3 GG geregelt ist sowie die grundrechtsgleichen Rechte gem. den Art. 101, 103 und 104 GG.

das JGG: Dieses Gesetz ist zu berücksichtigen bei Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende.

das StGB: Hier finden Sie Vorschriften zu Verfolgungsvoraussetzungen, wie z.B. dem Strafantrag gem. §§ 77 ff. StGB und zu Verfolgungshindernissen, wie z.B. der Verjährung gem. §§ 78 ff. StGB.

die EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention): Kennen sollten Sie hier vor allem Art. 6 EMRK, der sich mit den grundlegenden Rechten des Angeklagten befasst.

C. Gliederung des Strafverfahrens

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Wie wir soeben gesehen haben, hat das Strafverfahren die Aufgabe, den staatlichen Strafanspruch festzustellen und nach Erreichen einer rechtskräftigen Entscheidung durchzusetzen. Dementsprechend zerfällt das Strafverfahren in zwei große Verfahrensabschnitte:

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Im Erkenntnisverfahren wird geklärt, ob sich der mögliche Straftäter tatsächlich einer Straftat schuldig gemacht hat. Das Erkenntnisverfahren besteht seinerseits wiederum aus drei Teilen:

Es beginnt mit dem Ermittlungsverfahren, auch Vorverfahren genannt. In diesem Verfahrensabschnitt ermittelt die Staatsanwaltschaft unter Hinzuziehung der Polizei, ob „genügender Anlass zur Erhebung der öffentliche Klage“ besteht, § 170 Abs. 1 StPO. Wird dies bejaht, glauben die Ermittlungsbehörden also, dass der Beschuldigte der Tat hinreichend verdächtig ist, so endet das Vorverfahren in der Regel mit der Anklageerhebung gem. § 170 Abs. 1 StPO. Sind die Ermittlungen hingegen zu einem negativen Ergebnis gelangt, so wird das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Daneben gibt es andere Möglichkeiten, das Verfahren zu beenden, z.B. eine Einstellung gem. §§ 153 ff. StPO. Dazu später mehr unter Rn. 22.

Mit Einreichung der Anklageschrift beim zuständigen Gericht wird das Zwischenverfahren gem. §§ 199 ff. StPO eröffnet. Im Zwischenverfahren prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen für die spätere Hauptverhandlung vorliegen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Beschuldigte nach Auffassung des prüfenden Richters hinreichend verdächtig ist, die ihm mit der Anklageschrift vorgeworfenen Taten begangen zu haben. Wird der hinreichende Tatverdacht bejaht, erlässt das Gericht einen Eröffnungsbeschluss gem. §§ 203, 207 StPO. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, so wird der Erlass eines Eröffnungsbeschlusses gem. § 204 StPO abgelehnt.

Mit dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses beginnt das Hauptverfahren gem. §§ 213 ff. StPO, dessen Kernstück die Hauptverhandlung gem. §§ 226 ff. StPO ist. Das Hauptverfahren endet i.d.R. mit einem Urteil gem. § 260 StPO.

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Damit ist das erstinstanzliche Erkenntnisverfahren abgeschlossen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Verurteilte bzw. sein Verteidiger haben jedoch die Möglichkeit, im anschließenden Rechtsmittelverfahren das Urteil durch eine Berufung oder eine Revision überprüfen zu lassen. Wird von diesen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht, so erlangt das erstinstanzliche Urteil noch keine Rechtskraft. Diese tritt erst mit Abschluss des Rechtsmittelverfahrens ein.

Nach Eintritt der Rechtskraft folgt das Vollstreckungsverfahren gem. §§ 449 ff. StPO, welches gem. § 451 Abs. 1 StPO von der Staatsanwaltschaft geleitet wird. Da das Vollstreckungsverfahren so gut wie nie Gegenstand von Examensklausuren ist, werden wir uns mit diesem Verfahrensabschnitt in diesem Skript nicht weiter beschäftigen.

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