Staatsorganisationsrecht

Der Untersuchungsausschuss im Bundestag

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V. Der Untersuchungsausschuss

139

Untersuchungsverfahren haben in der parlamentarischen Demokratie eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Sie dienen der Informations- und Kontrollbefugnis des Parlaments. Mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erhalten die Parlamente die Möglichkeit, mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten und besonderen Behörden zur Verfügung stehen, selbstständig die Sachverhalte zu prüfen, die sie in Erfüllung ihres Verfassungsauftrags als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig halten.BVerfGE 49, 70, 85. Anders als bei Auskunftsrechten des Bundestages und seiner Mitglieder verschafft sich das Parlament über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ein Recht auf Selbstinformation.

Das Recht des Bundestages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ergibt sich aus Art. 44 GG, der seine einfachgesetzliche Konkretisierung im Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) erfährt.

Das Ergebnis der Untersuchungen wird in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Dies hat aber keine rechtlich sanktionierende Wirkung. Die Gerichte sind nicht an die Ermittlungsergebnisse gebunden und in der Würdigung des dem Untersuchungsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts frei. Ungeachtet dessen kann die Veröffentlichung des Abschlussberichtes einzelne Personen in ihrer persönlichen und gesellschaftlichen Stellung erheblich beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass sie gerichtlich hiergegen nicht vorgehen können, da die Beschlüsse des Untersuchungsausschusses der richterlichen Erörterung entzogen sind (Art. 44 Abs. 4 S. 1 GG). § 32 Abs. 1 PUAG schafft zumindest eine beschränkte Abhilfe, da er Personen, die durch die Veröffentlichung des Abschlussberichts in ihren Rechten erheblich beeinträchtigt werden können, ein Recht auf Stellungnahme verschafft. Der wesentliche Inhalt der Stellungnahme ist dann in dem Abschlussbericht wiederzugeben.    

 

1. Verfassungsmäßigkeit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

140

Der Untersuchungsausschuss ist ein Hilfsorgan des Bundestages.BVerfGE 77, 1, 40. Er erfüllt nur die Aufgaben, die ihm durch den Einsetzungsbeschluss des Bundestages übertragen worden sind und beendet seine Tätigkeit spätestens mit Ablauf der Legislaturperiode. Der Einsetzungsbeschluss bildet die Grundlage für die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses. Damit wird die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und seines Untersuchungsgegenstandes grundlegend für seine Arbeit. Hierfür ergibt sich folgendes Prüfungsschema:

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Verfassungsmäßigkeit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

I.

Formelle Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses

 

 

1.

Zuständigkeit, Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG

 

 

2.

Verfahren

 

 

 

a)

Antrag von mind. ¼ der MdB

 

 

 

b)

Mehrheitsbeschluss des Bundestages

 

 

 

 

 

Abänderung des Untersuchungsgegenstandes

Rn. 142

 

 

 

 

Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes

Rn. 143

II.

Materielle Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses
Verfassungsgemäßer Untersuchungsgegenstand

 

 

1.

Zuständigkeit des Bundestages

 

 

 

a)

Bundesstaatsprinzip

 

 

 

b)

Gewaltenteilungsgrundsatz

 

 

 

c)

Grundrechte

 

 

2.

Bestimmtheitsgebot

 

 

3.

Klärung von Tatsachen

 

 

4.

Öffentliches Interesse am Untersuchungsgegenstand

 

Expertentipp

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Der Untersuchungsausschuss bietet dem Klausursteller vielfältige Konstellationen. Konflikte sind denkbar innerhalb des Bundestags zwischen Regierungsmehrheit und Opposition, im Verhältnis von Bundestag und Bundesregierung sowie im Verhältnis von Untersuchungsausschuss und Privaten, die von der Untersuchung betroffen sind.

a) Formelle Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses

141

Expertentipp

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Wiederholen Sie die unterschiedlichen Mehrheitsbegriffe, s. Rn. 20.

Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erfolgt durch Beschluss des Bundestages, Art. 44 Abs. 1 S. GG und § 1 Abs. 2 PUAG. Ist ein verfassungsrechtlich zulässiger Untersuchungsausschuss von einer qualifizierten Minderheit (ein Viertel der Mitglieder des Bundestages) gem. Art. 44 Abs. 1 Alt. 2 GG beantragt, so hat der Bundestag diesen unverzüglich einzusetzen und dabei auch die Zahl seiner Mitglieder zu bestimmen. Bei diesem sog. Minderheitenantrag kann es zu besonderen Problemstellungen kommen.

aa) Verbot der Abänderung des von einer Minderheit beantragten Untersuchungsgegenstandes durch Mehrheitsbeschluss

142

Bei einem Antrag eines Viertels der Mitglieder des Bundestages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bedarf es eines Einsetzungsbeschlusses des Bundestags. Bei dieser Konstellation können in der Klausur besondere Probleme auftauchen.

Probleme können auftauchen, wenn die Mehrheit der Parlamentarier im Einsetzungsbeschluss den Untersuchungsgegenstand abändert.

Expertentipp

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Beachten Sie: Die Frage der Verfassungsmäßigkeit muss mit dem Grundgesetz beantwortet werden.

Beispiel

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Ein Viertel der Abgeordneten des Bundestags beantragt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Der Untersuchungsausschuss soll im Wesentlichen aufklären, (1) ob durch die Visaerteilungspraxis bestimmter Botschaften im Ausland gegen geltendes Recht verstoßen und der Kriminalität in Deutschland Vorschub geleistet wurde, und (2) wie sich etwaige Missstände entwickelt haben, ob es Hinweise darauf gab und ob die Bundesregierung für Missstände verantwortlich ist.

Die Mehrheit des Bundestages beschließt letztlich die Einsetzung des Untersuchungsausschusses, allerdings unter Streichung des zweiten Punktes. Die antragstellenden Abgeordneten halten den Beschluss für verfassungswidrig. Nach § 2 Abs. 2 PUAG darf der Einsetzungsbeschluss den im Einsetzungsantrag bezeichneten Untersuchungsgegenstand nicht ändern, es sei denn, die Antragstellenden stimmen der Änderung zu. Allerdings handelt es sich bei § 2 Abs. 2 PUAG um ein einfaches Gesetz, das nicht Prüfungsmaßstab für die Frage der Verfassungsmäßigkeit sein kann.

Ein grundsätzliches Abänderungsverbot des von der Minderheit ursprünglich beantragten Untersuchungsgegenstandes müsste vielmehr der Verfassung zu entnehmen sein. Hier scheint die Möglichkeit der Abänderung durch Mehrheitsbeschluss gegeben zu sein: Nach der allgemeinen Mehrheitsregel des Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG entscheidet der Bundestag mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das könnte auch im Falle der Abänderung des Inhaltes des Untersuchungsgegenstandes gelten. Jedoch hätte damit eine – die Regierung stellende – Mehrheit im Bundestag immer die Möglichkeit, für die Regierung ungünstige Untersuchungsausschüsse zu verhindern.

Bei Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG handelt es sich um ein Minderheitenrecht.RGZ 116, 45, 52. Seine verfassungsrechtliche Bedeutung liegt in der Sicherstellung der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung, insbesondere in der Aufklärung von in den Verantwortungsbereich der Regierung fallenden Vorgängen, die auf Missstände hinweisen. Das durch die Verfassung garantierte Recht der Minderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses darf vor diesem Hintergrund nicht angetastet werden.BVerfGE 49, 70, 85 f.

Mit dem Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses allein ist jedoch das Kontrollrecht der Minderheit noch nicht gewährleistet. Seine ungehinderte Ausübung setzt weitere Sicherungen voraus. So muss es vor allem der Minderheit überlassen bleiben, den Gegenstand der von ihr beantragten Untersuchung festzulegen. Somit darf der Untersuchungsgegenstand gegen den Willen der Minderheit grundsätzlich nicht verändert werden. Das Kontrollrecht, das der parlamentarischen Opposition zusteht, schließt das Recht ein, den genauen Gegenstand der beantragten Untersuchung im Einsetzungsbeschluss selbst zu bestimmen. Sowohl der Untersuchungsausschuss als auch das Parlament sind in der Folge hieran gebunden.  

bb) Zulässigkeit der Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes durch den Einsetzungsbeschluss

143

Die Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes führt unweigerlich zu einem erhöhten Aufklärungsbedarf und Arbeitsaufwand. Durch eine solche Vorgehensweise könnte unschwer die Untersuchung blockiert, zumindest aber erheblich verzögert werden. Da die Arbeit des Untersuchungsausschusses mit der jeweiligen Legislaturperiode endet, kann eine solche Verzögerung die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle entscheidend in Frage stellen. Jeder zusätzliche Untersuchungsauftrag kann hier zu einem Hemmnis werden, das die Untersuchung gänzlich vereitelt.BVerfGE 49, 70, 86. Zulässig sind jedoch Zusatzfragen der Mehrheit, wenn sie den Untersuchungsgegenstand im Kern unverändert lassen und nur dazu dienen, eine verzerrte Darstellung zu vermeiden und ein umfassenderes, wirklichkeitsgetreueres Bild des angeblichen Missstandes zu vermitteln.BVerfGE 49, 70, 80 ff.

cc) Änderung des Untersuchungsgegenstandes mit der Begründung der teilweisen Verfassungswidrigkeit

144

Beispiel

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Wie oben Rn. 142; ein 3. Teil des Antrags sieht vor, dass der Untersuchungsausschuss die Praktiken der Polizei des Bundeslandes B bei der dauerhaften Beobachtung eines mit einem gültigen Visum eingereisten Terror-Verdächtigen überprüft. Die Mehrheit des Bundestages hält diesen Punkt für verfassungswidrig, weil er in die Zuständigkeiten der Länder eingreift. Sie beschließt die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses ohne Punkt 3.

Hält der Bundestag den Einsetzungsantrag der Minderheit für teilweise verfassungswidrig, so ist der Untersuchungsausschuss gem. § 2 Abs. 3 S. 1 PUAG mit der Maßgabe einzusetzen, dass dessen Untersuchungen auf diejenigen Teile des Untersuchungsgegenstandes zu beschränken sind, die der Bundestag für nicht verfassungswidrig hält. Jedoch muss es sich aus dem Grundgesetz selbst ergeben, ob ein solcher Einsetzungsbeschluss mit der Verfassung im Einklang stünde.

Bei der Prüfung ist darauf abzustellen, wie ein möglichst schonender Ausgleich zwischen dem Recht der Minderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und der Verpflichtung zu verfassungsgemäßen Untersuchungsausschussanträgen erreicht werden kann. Die Einschränkung auf verfassungsgemäße Teile stellt im Vergleich zur gänzlichen Ablehnung das mildere Mittel dar, soweit der verbleibende Teil allein noch Sinn ergibt. Die Streichung der für verfassungswidrig gehaltenen Teile entspricht also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Ablehnung des gesamten Antrags wäre unverhältnismäßig.

b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses

145

Bei der Prüfung der materiellen Verfassungsmäßigkeit eines Einsetzungsbeschlusses kommt es insbesondere darauf an, ob sich der Untersuchungsgegenstand innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen des Untersuchungsrechts bewegt. Zwar enthält Art. 44 GG selbst in seinem Wortlaut keine Beschränkung der Befugnis des Bundestages, Untersuchungsausschüsse nur zu bestimmten Themen einzusetzen. Wie jede Verfassungsbestimmung ist jedoch auch diese Norm im Gesamtzusammenhang des Grundgesetzes zu sehen. Das Untersuchungsrecht des Untersuchungsausschusses ist auf den verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereich des Bundestages beschränkt (sog. Korollartheorie). Als Hilfsorgan des Bundestages kann der Untersuchungsausschuss nicht mehr Rechte haben als das Parlament selbst, vgl. § 1 Abs. 3 PUAG.

Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist somit zur Klärung von Tatsachen im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens, zur Kontrolle von Regierung und Verwaltung sowie zur Wahrung des Ansehens des Bundestages selbst zulässig. Darüber hinaus können grundsätzlich auch Vorgänge im öffentlichen Leben und Vorkommnisse im gesellschaftlichen Bereich in die Untersuchung einbezogen werden, wenn ein die parlamentarische Beratung und gegebenenfalls Beschlussfassung rechtfertigendes öffentliches Interesse besteht.BVerfGE 67, 100, 140. Hierfür kann es auch ausreichen, dass lediglich Empfehlungen politischer Art angestrebt werden.Vgl. Degenhart Staatsrecht I Rn. 681.

Hinweis

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Nach Auffassung des BVerfGBVerfGE 77, 1 ff. kann der Bundestag auch einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung von Missständen bei privaten Unternehmen einsetzen. Voraussetzung ist, dass die Unternehmen aufgrund „gemeinwirtschaftlicher“ Zielsetzung in erheblichem Umfang aus staatlichen Mitteln gefördert oder steuerlich begünstigt werden und besonderen rechtlichen Bindungen unterliegen.   

Das parlamentarische Untersuchungsrecht darf von den Untersuchungsausschüssen nur innerhalb der Grenzen ausgeübt werden, die sich aus dem Kompetenzbereich des Bundes (aus Art. 30, 70 GG), aus der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG), und aus dem Grundrechtsschutz (Art. 1–19 GG) ergeben.

Hinweis

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Zwar ist gem. § 1 Abs. 3 PUAG ein Untersuchungsverfahren im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Bundestages zulässig. Beachten Sie aber, dass für die Frage der Verfassungsmäßigkeit ein einfaches Gesetz nicht Prüfungsmaßstab sein kann.

aa) Untersuchungsgegenstand im Kompetenzbereich des Bundes

146

Wegen des Bundesstaatsprinzips darf nicht in den Zuständigkeitsbereich der Länder eingegriffen werden. Es erfolgt also in sachlicher Hinsicht eine Begrenzung auf den Kompetenzbereich des Bundes. Ausgeschlossen sind damit alle Angelegenheiten, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder und Kommunen fallen oder die gem. Art. 23 GG der Europäischen Union zur ausschließlichen Wahrnehmung übertragen worden sind. Eine Ausnahme bilden die Kontroll- und Aufsichtsrechte nach Art. 84, 85 GG.

Hinweis

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Dieses schließt jedoch nicht aus, dass auch Mitglieder der Länderverwaltungen oder der Landesregierungen etc. vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages vernommen werden können, sofern die zu untersuchende Materie in die Bundeskompetenz fällt.BVerwGE 79, 339, 344.

bb) Die Beachtung des Gewaltenteilungsgrundsatzes

147

Eine weitere Begrenzung des Untersuchungsrechts des Bundestages folgt aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG. Es dürfen damit keine Angelegenheiten untersucht werden, die in die ausschließliche Kompetenz anderer Verfassungsorgane fallen, also in feste Zuständigkeiten anderer Staatsgewalten eingreifen.

Bei der Regierungs- und Verwaltungskontrolle muss zudem der nicht ausforschbare „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“BVerfGE 67, 100, 139. beachtet werden. Dazu gehört z.B. die Willensbildung der Regierung im Kabinett, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht.BVerfGE 67, 100, 139.

Beispiel

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Es wird die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragt, der zukünftig als ständige Einrichtung die Aufsicht der Regierung über die KfW-Bankengruppe überwachen und begleiten soll, so dass bereits im Vorfeld für eine ordnungsgemäße Arbeit der Regierung gesorgt wird und es nicht wieder zu Missständen kommen kann. Der Einsetzungsbeschluss wäre verfassungswidrig.

Das parlamentarische Untersuchungsrecht erstreckt sich deshalb im Grundsatz nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge, da dort der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung im Regelfall nicht mehr betroffen ist. Damit die Kontrollfunktion des Parlaments wirksam ausgeübt werden kann, ist dieser Kernbereich eng auszulegen.BVerfGE 67, 100, 139.

cc) Die Grundrechtsbindung des Untersuchungsausschusses

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Der Grundrechtsschutz kann Bedeutung für die Frage haben, ob ein Untersuchungsverfahren, das private Angelegenheiten zum Gegenstand hat, überhaupt eingeleitet werden darf. In jedem Einzelfall muss unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geprüft werden, ob das Interesse der Allgemeinheit an einer parlamentarischen Untersuchung das Interesse des Einzelnen an dem grundrechtlichen Schutz seiner Privatsphäre überwiegt.Magiera in Sachs GG Art. 44, Rn. 7 ff.

2. Die Beweiserhebungsrechte des Untersuchungsausschusses

149

Art. 44 Abs. 1 GG gibt dem Bundestag das Recht, einen Untersuchungsausschuss mit der Befugnis zur Erhebung der erforderlichen Beweise einzusetzen. Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag angebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen, § 17 Abs. 1 PUAG. Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Ausschussmitglieder beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung von Zwangsmitteln unerreichbar, § 17 Abs. 2 PUAG. Bezüglich der Beurteilung der Erforderlichkeit und des beizuziehenden Beweismaterials ist dem Ausschuss ein Beurteilungsspielraum eröffnet, innerhalb dessen er die Beweiserhebung selbst bestimmen kann. Als Beweismittel kommen insbesondere die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, §§ 24, 28 PUAG, sowie die Aktenvorlage, § 18 PUAG, in Betracht. Der Untersuchungsausschuss hat das Recht, das Erscheinen von Zeugen zu erzwingen, im Falle einer ungerechtfertigten Zeugnisverweigerung ein Ordnungsgeld festzusetzen bzw. die Person in Haft nehmen zu lassen, § 27 PUAG.

Die Beweiserhebungsrechte gelten allerdings nicht unbeschränkt. Gem. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG finden die Vorschriften über den Strafprozess, also insbesondere die StPO, „sinngemäße“ Anwendung. „Sinngemäße“ Anwendung bedeutet dabei, dass berücksichtigt werden muss, dass das parlamentarische Verfahren nicht die Verhängung von Strafen, sondern regelmäßig die Aufklärung von Tatsachen und die Zuweisung politischer Verantwortung zum Gegenstand hat.

Beispiel

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§ 96 StPO bestimmt, dass die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte nicht gefordert werden kann, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, dass das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde. § 96 StPO findet jedoch nur sinngemäße Anwendung, d.h. unter Beachtung des parlamentarischen Kontrollauftrags. Bei einer entsprechenden Anwendung des § 96 StPO im Untersuchungsausschuss-Verfahren ist der Wortlaut der Vorschrift gegenüber dem Auskunftsverlangen des Bundestages deshalb dahingehend einschränkend auszulegen, dass der Regierung die verfassungsrechtliche Pflicht trifft, den Untersuchungsauftrag zu fördern.

Daher darf die Bundesregierung die Herausgabe nicht generell unter Hinweis auf Geheimhaltungsinteressen verweigern. Das Wohl des Bundes, zu dessen Wahrung besondere sensible Informationen geheim gehalten werden müssen, ist im parlamentarischen Regierungssystem Bundestag und Bundesregierung gemeinsam anvertraut. Auch der Bundestag und seine Mitglieder sind daher zur Geheimhaltung verpflichtet. Nach Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG kann die Öffentlichkeit von Untersuchungsausschusssitzungen ausgeschlossen werden. Haben Bundestag und Bundesregierung wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen, kann die Bundesregierung die Herausgabe von Akten an den Untersuchungsausschuss nicht verweigern. In der Konsequenz darf der Untersuchungsausschuss die auf diesem Wege gewonnenen Erkenntnisse nicht öffentlich bekannt geben; damit muss er auf eines der stärksten Mittel des parlamentarischen Untersuchungsrechts verzichten.

Über eine ablehnende Entscheidung zu einem Herausgabeersuchen bzw. über die Einstufung als Verschlusssache muss die Bundesregierung den Untersuchungsausschuss schriftlich unterrichten. Der Untersuchungsausschuss hat das Recht, die Entscheidung der Ablehnung durch das BVerfG bzw. die Rechtmäßigkeit der Einstufung durch den Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs überprüfen zu lassen, § 18 Abs. 3 PUAG.Vgl. zum Ganzen BVerfGE 67, 100, 139.

Da die Untersuchungsausschüsse öffentliche Gewalt ausüben,BVerfGE 77, 1, 46. haben sie neben den besonderen Schranken des Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG die Grundrechte allgemein zu beachten, Art. 1 Abs. 3 GG. Diese können insbesondere das Beweiserhebungsrecht und das Recht auf Aktenvorlage einschränken

Beispiel

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Der Bundestag setzte zur Klärung der Hintergründe des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt und etwaiger Versäumnisse der zuständigen Behörden einen Untersuchungsausschuss ein. Mit Blick auf Medienberichten, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz mindestens eine Vertrauensperson (V-Person) im Umfeld einer vom Attentäter regelmäßig besuchten Moschee geführt habe, forderte der Untersuchungsausschuss das Bundesministerium des Innern zur Benennung des V-Person-Führers auf. Das Bundesministerium verweigerte dies wegen einer der V-Person gegebenen umfassenden Zusicherung und Vertraulichkeitszusage sowie der der V-Person drohenden unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Freiheit.

Die Weigerung verletze nach Auffassung des BVerfG nicht das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses aus Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG. Grundsätzlich darf der Untersuchungsausschuss auch Beamte im Verantwortungsbereich der Bundesregierung als Zeugen laden und vernehmen, um auf diese Weise Kenntnis von untersuchungsrelevantem Amtswissen über nachrichtendienstliche Aktivitäten zu erhalten. Das parlamentarische Untersuchungsrecht unterliegt aber Grenzen, die ihren Grund in der Verfassung haben müssen. Hierzu gehören das Wohl des Bundes oder eines Landes und Grundrechte, an die Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 1 Abs. 3 GG gebunden sind. Im konkreten Fall hat der Senat die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste als Belang des Staatswohls für gefährdet erachtet und zudem auch eine unmittelbare Gefahr von Grundrechten der V-Person angenommen. Es bestehe die ernsthafte Besorgnis, dass die betroffene V-Person und andere Quellen eine Vernehmung des V-Person-Führers als Bruch der ihnen gegebenen Vertraulichkeitszusagen verstehen, das Vertrauen in die Geheimhaltung ihrer Identität verlieren und die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz beenden. In der Abwägung mit dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse sei zudem die hohe Gewaltbereitschaft des konkreten terroristischen Milieus zu berücksichtigen, die zur Aufdeckung von möglichen Verrätern eine systematische Gegenaufklärung betrieben. Der Verräter wird zum Ungläubigen, zum Feind, der mit allen Mitteln zu bekämpfen sei.BVerfG Beschluss vom 3.2.2021 – 2 BvE 4/18 -, juris.

3. Die Geltendmachung der Beweiserhebungsrechte des Untersuchungsausschusses im Organstreitverfahren

150

Wendet sich eine Bundestagsfraktion, die qualifizierte Minderheit von ein Viertel der Mitglieder des Bundestages oder der Untersuchungsausschuss als solcher dagegen, dass die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuss die Herausgabe von Beweismitteln verweigert, ergibt sich folgende Prüfungsreihenfolge:

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Geltendmachung der Rechte des Untersuchungsausschusses

A.

Zulässigkeit

 

 

I.

Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG

 

 

 

 

Abgrenzung gem. § 36 PUAG

Rn. 151

 

II.

Parteifähigkeit von Antragsteller und Antragsgegner, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG

 

 

 

 

Parteifähigkeit einzelner Teile des Bundestages

Rn. 152

 

III.

Streitgegenstand, § 64 Abs. 1 BVerfGG

 

 

 

 

„Maßnahme oder Unterlassung“

 

 

IV.

Antragsbefugnis, § 64 Abs. 1 BVerfGG

 

 

 

 

Geltendmachung der Verletzung von Rechten und Pflichten, die durch das Grundgesetz übertragen sind

 

 

 

 

Eigene Rechte bzw. Prozessstandschaft einzelner Teile des Bundestages

Rn. 153

 

V.

Antragsform, §§ 23 Abs. 1, 64 Abs. 2 BVerfGG

 

 

 

 

Schriftliche Begründung mit Bezeichnung der Bestimmung des GG

 

 

VI.

Frist, § 64 Abs. 3 BVerfGG
6 Monate

 

B.

Begründetheit

 

 

I.

Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses

 

 

 

1.

Formelle Verfassungsmäßigkeit

 

 

 

2.

Materielle Verfassungsmäßigkeit

 

 

II.

Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme

 

 

III.

Rechtsverletzung des Antragstellers

 

Beispiel

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Die qualifizierte Minderheit wendet sich gegen einen Beschluss des Untersuchungsausschusses, mit dem die Erforderlichkeit bestimmter Beweiserhebungen abgelehnt wird.

a) Besonderheiten bei der Zulässigkeitsprüfung

aa) Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts

151

Bei der Wahl des zuständigen Gerichts ist zunächst § 36 Abs. 1 Hs. 1 PUAG zu beachten. Danach ist die verfahrensrechtliche Überprüfung der Ausschussarbeit im Einzelnen – nichts anderes ist mit der Formulierung „Streitigkeiten nach diesem Gesetz [PUAG]“ gemeint – dem Bundesgerichtshof zugewiesen. Streitigkeiten nach dem PUAG können sich auf die Erhebung bestimmter Beweise (§ 17 PUAG), die Verlesung von Schriftstücken (§ 31 PUAG) oder die Herausgabepflicht von Gegenständen (§ 29 PUAG) beziehen.

Geht es aber um die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit Verfassungsrecht, um den Umfang und den Inhalt der Rechte aus Art. 44 GG, so ist das BVerfG zuständig. Das ergibt sich sowohl aus dem verfahrensrechtlichen Vorbehalt des § 36 Abs. 1 PUAG als auch aus der Vorlagepflicht an das BVerfG bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses nach § 36 Abs. 2 PUAG. Die Zuständigkeit des BVerfG ist auch dann gegeben, wenn eine verfassungsrechtliche Frage zugleich die Auslegung einer Norm des PUAG betrifft. Für den Fall der Verweigerung der Vorlage von Beweismitteln ist dies explizit in § 18 Abs. 3 PUAG geregelt.

Geht es um verfassungsmäßige Rechte des Untersuchungsausschusses gegenüber der Bundesregierung oder dem Bundestag, ist dies im Organstreitverfahren geltend zu machen.

Hinweis

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Machen Private eine Rechtsverletzung durch Maßnahmen des Untersuchungsausschusses geltend, so ist die Verfassungsbeschwerde die richtige Verfahrensart.

bb) Parteifähigkeit

152

Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG können auch Teile des Bundestages parteifähig sein. Voraussetzung ist allerdings, dass sie durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind.

Hier sind verschiedene Konstellationen denkbar:

1.

Die Bundestagsfraktionen: Sie sind als ständig vorhandene Gliederung des Bundestages ebenfalls parteifähig.BVerfGE 45, 1, 28. Dies gilt auch für Organklagen, in denen die Fraktion in Prozessstandschaft für das Gesamtparlament tritt, um im eigenen Namen Rechte geltend zu machen, die dem Bundestag gegenüber einem möglichen Antragsgegner zustehen könnten.BVerfGE 104, 151, 193.

2.

Die Antragsminderheit: Parteifähig sind auch die Mitglieder des Bundestages (mindestens ein Viertel), die den Untersuchungsausschuss beantragt haben (konkrete Antragsminderheit) bzw. die potenziell einsatzberechtigte Minderheit (die ein Viertel der Abgeordneten umfasst, aber keinen Antrag gestellt hat). Denn nach Art. 44 GG sind sie mit eigenen Rechten ausgestattet.

3.

Die „Fraktion im Ausschuss“: Gem. § 4 S. 3 PUAG muss jede Fraktion im Untersuchungsausschuss vertreten sein. Die in einem Ausschuss vertretenen Mitglieder einer Fraktion bilden die sog. „Fraktion im Ausschuss“. Nach der GOBT ist sie mit eigenen Rechten ausgestattet (vgl. §§ 59 Abs. 4, 60 Abs. 2, 61 Abs. 2, 64 Abs. 2 S. 3 GOBT). Die „Fraktion im Untersuchungsausschuss“ ist deshalb gem. § 63 BVerfGG wie ein Teil des Bundestages zu behandeln.BVerfGE 67, 100, 124.

4.

Der Untersuchungsausschuss: Er ist ein gem. Art. 44 GG mit eigenen Rechten ausgestattetes Hilfsorgan des Bundestages. Der Bundestag kann die besonderen Befugnisse des Art. 44 GG nicht selbst wahrnehmen. Deshalb kann auch der Untersuchungsausschuss selbst parteifähig sein.BVerfGE 105, 197, 220.

cc) Antragsbefugnis

153

Der Antragsteller im Organstreitverfahren muss schlüssig behaupten, dass er und der Antragsgegner an einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis unmittelbar beteiligt seien und dass der Antragsgegner hieraus folgende eigene Rechte des Antragstellers durch die beanstandete Maßnahme oder durch sein Unterlassen verletzt oder unmittelbar gefährdet habe, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 64 Abs. 1 BVerfGG. Die Verletzung oder Gefährdung muss dabei möglich, also nicht von vornherein ausgeschlossen sein.

Expertentipp

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Ob eine solche Verletzung tatsächlich vorliegt, müssen Sie im Rahmen der Begründetheit prüfen. In der Zulässigkeit reicht es, die Möglichkeit unter Benennung eines konkreten Artikels des GG aufzuzeigen.

Auch hier sind wieder verschiedene Konstellationen denkbar:

1.

Die Bundestagsfraktion: Die Rechte aus Art. 44 GG sind Rechte des Bundestages, der sich zur Unterstützung seiner Arbeit des Untersuchungsausschusses bedient. Das Untersuchungsrecht aus Art. 44 Abs. 1 GG bleibt auch nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses Sache des Parlaments als Ganzes. Eine Fraktion ist daher im Organstreitverfahren antragsbefugt, soweit sie prozessstandschaftlich die Rechte des Gesamtparlaments in eigenem Namen geltend zu machen beabsichtigt.BVerfGE 45, 1, 28.

2.

Die Antragsminderheit: Nach Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG ist der Bundestag verpflichtet, dem von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder gestellten Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu entsprechen. Die Rechte der Antragsminderheit beschränken sich aber nicht auf das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Damit das Kontrollrecht ausgeübt werden kann, treten zur Sicherung der Durchführung des Untersuchungsauftrags weitere Mitbestimmungsrechte in Bezug auf die Arbeit des Untersuchungsausschusses hinzu.BVerfGE 49, 70, 85 f. Das gilt sowohl für die mit der Stellung des Einsetzungsantrags als konkrete Antragsminderheit in Erscheinung getretene Fraktion als auch für eine potenziell einsetzungsberechtigte Minderheit.BVerfGE 105, 197, 220.

3.

Die „Fraktion im Ausschuss“: Ihr stehen keine eigenen Rechte aus Art. 44 GG zu. Sie ist auch nicht befugt, in Prozessstandschaft eine Verletzung oder unmittelbare Gefährdung der Rechte des Bundestages aus Art. 44 GG zu rügen. Die prozessstandschaftliche Geltendmachung von Rechten des Bundestages ist nur für die Bundestagsfraktionen anerkannt, nicht für einzelne Mitglieder. Etwas anderes gilt nur, wenn die in einen Untersuchungsausschuss entsandten Abgeordneten Mitglieder einer Fraktion sind, die mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags umfasst. Sie repräsentieren den einsetzungsberechtigten Teil des Bundestages im Ausschuss jedenfalls so lange, wie kein Dissens zwischen der Fraktion und ihren Vertretern im Ausschuss erkennbar ist. Deshalb können sie in Prozessstandschaft die Rechte der Antragsminderheit geltend machen.BVerfGE 105, 197, 220 f.

b) Der Umfang der Begründetheitsprüfung

154

Ein Organstreitverfahren ist grundsätzlich dann begründet, wenn die Maßnahme oder Unterlassung verfassungswidrig ist und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Geht es im Verfahren um die Arbeit des Untersuchungsausschusses, muss zunächst die Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses geprüft werden. Somit ergibt sich die in dem folgenden Beispielsfall angeführte Prüfungsreihenfolge:

Beispiel

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Der Friedrich Flick Industrieverwaltung KGaA wurde vom Bundesminister der Finanzen eine Steuerermäßigung in dreistelliger Millionenhöhe aufgrund einer Ermessensvorschrift gewährt. Ein Jahr später wurde bekannt, dass die Friedrich Flick Industrieverwaltung KGaA der Z-Partei zuvor erhebliche finanzielle Zuwendungen hat zukommen lassen. Der Bundesminister der Finanzen gehört dieser Partei an. Als sich Gerüchte über einen möglichen Zusammenhang zwischen Steuerermäßigung und Zuwendungen verdichten, konstituiert sich auf Antrag der oppositionellen X-Fraktion, die über mehr als ein Viertel der Mitglieder des Bundestages verfügt, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Der Ausschuss fordert von der Bundesregierung die Herausgabe der den Vorgang betreffenden Steuerakten. Diese weigert sich unter Berufung auf das Steuergeheimnis. Daraufhin rufen die der X-Fraktion angehörenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses das BVerfG an.Der Beispielsfall ist BVerfGE 67, 100 ff. nachgebildet.

In Betracht kommt ein Organstreitverfahren, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG. Die „Fraktion im Ausschuss“ wird vom BVerfGBVerfGE 67, 100, 124 f. als antragsberechtigter Teil des Organs Bundestag anerkannt, weil die GOBT sie mit eigenen Rechten ausstattet, vgl. §§ 59 Abs. 4, 60 Abs. 2, 61 Abs. 2 und 64 Abs. 2 S. 3 GOBT. Die Antragsbefugnis ergibt sich aus dem Untersuchungsrecht des Bundestages gem. Art. 44 GG, das von der „Fraktion im Ausschuss“ prozessstandschaftlich geltend gemacht werden darf, wenn die Fraktion im Bundestag über mindestens ein Viertel der Mitglieder verfügt. Für den hier vorliegenden Fall repräsentiert die „Fraktion im Ausschuss“ den einsetzungsberechtigten Teil des Bundestages.

Der Antrag ist begründet, wenn der Untersuchungsausschuss in zulässiger Weise eingesetzt worden ist (1), ein Recht auf Aktenvorlage grundsätzlich besteht (2) und dieses Recht nicht wirksam eingeschränkt worden ist (3).

(1) Von der Einhaltung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen ist mangels entgegenstehender Sachverhaltsangaben auszugehen.

(2) Ein Recht auf Aktenvorlage ergibt sich aus Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG. Es wird konkretisiert in § 18 Abs. 1 PUAG.

(3) Schranken dieses Rechts ergeben sich grundsätzlich aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Geschützt ist damit insbesondere die regierungsinterne Willensbildung. So darf die Vorlage von Kabinettsprotokollen nicht verlangt werden. Dies ist bei einem abgeschlossenen Verwaltungsvorgang jedoch nicht der Fall. Eine weitere Schranke könnte sich aus dem Steuergeheimnis ergeben, das sich grundrechtlich aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht und einfachgesetzlich aus § 30 AO ergibt. Das Steuergeheimnis schützt auch gegen eine Informationsweitergabe innerhalb des Staates. Jedoch gilt das Steuergeheimnis nicht schrankenlos. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO sieht Ausnahmen bei zwingenden öffentlichen Interessen vor. Somit muss zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht und dem öffentlichen Interesse abgewogen werden. Für eine Offenlegung spricht, dass auch der Untersuchungsausschuss gem. § 15 PUAG Geheimnisschutz gewähren muss. Verfassungsrechtliche Schranken für die Ausübung des Untersuchungsrechts bestehen somit nicht. Die Bundesregierung verstößt mit ihrer Weigerung gegen Art. 44 GG. Der Antrag ist zulässig und begründet.    

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