Staatsorganisationsrecht

Die Staatsfunktionen - Verwaltung

B. Verwaltung

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Wir haben soeben gesehen, wie die Bundesgesetze zustande kommen. Es ist nunmehr zu klären, wer diese Gesetze ausführt. Dies kann nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht die Legislative machen, sondern ist der exekutiven Gewalt vorbehalten. Hierfür kommen die Bundes- oder die Landesverwaltung in Betracht, da die Ausübung der staatliche Befugnisse, nach Art. 30 GG Bund und Ländern vorbehalten ist.

Hinweis

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Dieser Befund kollidiert auf dem ersten Blick mit der Verwaltungspraxis, nach der in vielen Fällen weder Bundes- noch Landesbehörden wichtige Bundesgesetze ausführen, sondern dies von der Kommunalverwaltung gemacht wird. So wird z.B. das Sozialhilferecht (Bundesgesetz SGB XII) von den Gemeinden ausgeführt. Auch die Fahrerlaubnis erhält man nach bestandener Prüfung nicht etwa von einer Bundes- oder Landesbehörde, sondern von der kreisfreien Stadt bzw. vom Kreis als zuständiger Fahrerlaubnisbehörde. Dies erklärt sich daraus, dass das an sich zuständige Land diese Aufgabe nach landesgesetzlichen Bestimmungen auf seine Kommunen übertragen kann (vgl. für die genannten Beispiele in NRW: § 1 AG-SGB XII NRW bzw. § 21 der Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich Straßenverkehr und Güterbeförderung NRW).

I. Grundsätzliche Kompetenzarten beim Vollzug von Bundesgesetzen

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Es ist daher zu klären, ob der Bund sein Gesetz selbst ausführt oder ob dieses von der Landesverwaltung ausgeführt wird, die es dann wiederum durch Landesgesetz auf die Kommunalverwaltung übertragen könnte. Diese Fragen beantworten die Art. 83 ff. GG.

Hinweis

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Für die Ausführung von Landesgesetzen sind die Länder selbst zuständig. Dies folgt aus Art. 30 GG, wonach die Ausübung der staatlichen Befugnisse grundsätzlich Sache der Länder selbst ist.

Für den Vollzug der Bundesgesetze sehen die Art. 83 ff. GG drei verschiedene Kompetenzarten vor:

Vollzug durch die Länder als eigene Angelegenheiten (Art. 84 GG)

Vollzug durch die Länder im Auftrag des Bundes (Art. 85 GG)

Vollzug durch den Bund selbst (Art. 86 GG).

Gemäß Art. 83 GG ist der landeseigene Vollzug der Bundesgesetze (Art. 84 GG) der Regelfall, während die anderen beiden Formen nur dann zur Anwendung kommen, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich bestimmt oder zulässt. Diese Grundregel führt dazu, dass der Bund die meisten Bundesgesetze nicht selbst ausführt, sondern dies durch Landesbehörden bzw. im Falle der landesgesetzlichen Delegation durch Kommunalbehörden geschieht.

Hinweis

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Diese Regelung ist im Sinne des kooperativen Bundesstaates grundsätzlich sinnvoll und bewährt, ist aber nicht selbstverständlich. Es wäre z.B. auch denkbar, dass – wie in den Vereinigten Staaten – eine strikte Trennung zwischen der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Bundesverwaltung und der Ausführung von Landesgesetzen durch die Landesverwaltung stattfindet. Das hat allerdings auch zur Folge, dass die Bundesregierung der Vereinigten Staaten über 87 500 (!) Behörden, Ämter und Abteilungen hat.

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1. Landeseigener Vollzug von Bundesgesetzen

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Im Regelfall des landeseigenen Vollzugs der Bundesgesetze obliegt es den Ländern nicht nur die Bundesgesetze zu vollziehen, sondern auch das zugrunde zu legende Verfahrensrecht und die Behördenorganisation zu bestimmen (vgl. Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG). Eine vollständige Gleichstellung mit dem Vollzug der Ländergesetze besteht jedoch nicht. Art. 84 GG entlässt den Bund nicht aus seiner Verantwortung für die Ausführung der von ihm erlassenden Gesetze, da er

nach Abs. 1 S. 2 Verfahrens-, Organisations- und Zuständigkeitsvorschriften selbst erlassen und damit den Vorrang der Länder verdrängen kann,

Verwaltungsvorschriften nach Abs. 2 für die Gesetzesausführung erlassen kann und

nach Abs. 3 eine Rechtsaufsicht über die Gesetzesausführung hat. Hierzu kann die Bundesregierung einen Beauftragten entsenden, der Auskünfte einholen, Akten einsehen oder Zeugen vernehmen kann (Abs. 3 S. 2). Werden dabei Mängel festgestellt, die trotz eines entsprechenden Verlangens der Bundesregierung nicht beseitigt werden, muss der Bundesrat und unter Umständen auch das BVerfG eingeschaltet werden (Abs. 4). Eine eigene Weisungsbefugnis hat die Bundesregierung nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 84 Abs. 5 GG.

2. Auftragsverwaltung

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Neben dem landeseigenen Vollzug der Bundesgesetze gibt es eine zweite Möglichkeit, aufgrund derer die Länder Bundesgesetze ausführen: Die Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG. Bei dieser bestehen weitergehende Regelungs- und Aufsichtsbefugnissen des Bundes. Die Länder vollziehen hier die Bundesgesetze im Auftrag des Bundes, der im Vergleich zum landeseigenen Vollzug deutlich stärkere Aufsichts- und Weisungsbefugnisse hat. Wann Bundesauftragsverwaltung stattfindet, muss im Grundgesetz ausdrücklich normiert sein.

Beispiel

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Gegenstände der Bundesauftragsverwaltung sind vor allem

der Vollzug des Atomgesetzes (Art. 87c GG) und

die Ausführung von Leistungsgesetzen, wenn der Bund mindestens die Hälfte der Kosten trägt (Art. 104a Abs. 3 S. 2 GG).

Wie beim landeseigenen Vollzug ist der Bund auch bei der Bundesauftragsverwaltung befugt, Regelungen zum Verfahren und zur Organisation zu treffen (Art. 85 Abs. 1 GG) und allgemeine Verwaltungsvorschriften (Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG) zu erlassen

Anders als beim landeseigenen Vollzug besteht bei der Bundesauftragsverwaltung neben der Rechtmäßigkeitsaufsicht auch eine Zweckmäßigkeitsaufsicht (Art. 85 Abs. 4 GG). Bei Ermessensentscheidungen der Länderbehörden können daher nicht nur die rechtlichen Bindungen, sondern auch die sachlichen und politischen Erwägungen für oder wider eine Entscheidung überprüft werden. Daher unterliegen die Landesbehörden in vollem Umfang den Weisungen des Bundes (Art. 85 Abs. 3 GG).

Expertentipp

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Bei Prüfungen aus dem Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen steht die Bundesauftragsverwaltung an erster Stelle. Ein Standardproblem ist hierbei die Reichweite des Weisungsrechts des Bundes nach Art. 85 Abs. 3 GG. Sofern Bund und Land bei der Ausführung des betreffenden Bundesgesetzes unterschiedlicher Auffassung sind – was bei Klausursachverhalten in aller Regel der Fall ist – sind auch prozessuale Kenntnisse zum Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG sowie allgemeine Kenntnisse aus dem Bundesstaatsprinzip (z.B. Grundsatz der Bundestreue) wichtig und deshalb zu wiederholen (vgl. Rn. 73, 226, s. auch Übungsfall Nr. 10).

Für die Prüfung der Verfassungsgemäßheit einer Bundesweisung im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung kann folgendes Prüfungsschema verwandt werden:

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Prüfungsschema

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Wie prüft man: Vefassungsgemäßheit einer Bundesweisung

A.

Ermächtigungsgrundlage: Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG

B.

Formelle Verfassungsmäßigkeit der Bundesweisung

 

I.

Zuständigkeit des Anweisenden

 

 

 

Nach Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG: die zuständige oberstes Bundesbehörde

 

II.

Richtiger Weisungsadessat

 

 

 

Nach Art. 85 Abs. 3 S. 2 GG: die oberstes Landesbehörde

 

III.

Ungeschriebene Voraussetzung: vorherige Anhörung des Landes

 

 

 

Die vorherige Anhörung, mit der dem Land Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, hat das BVerfG aus dem Grundsatz der Bundestreue abgeleitet.

C.

Materielle Verfassungsmäßigkeit

 

 

Einschränkung des Weisungsrechts auf objektiv recht- oder zweckmäßige Weisungen?

 

I.

Grundsatz

 

 

 

Aufgrund der umfassenden Rechts- u. Zweckmäßigkeitsaufsicht (Art. 85 Abs. 4 S. 1 GG) bestehen grundsätzlich keine inhaltlichen Schranken, selbst wenn das Land die Weisung für rechtswidrig oder zweckwidrig hält: Der Bund hat dadurch die Möglichkeit, die Zweckmäßigkeit vollumfänglich selbst zu bestimmen und rechtliche Zweifelsfragen verbindlich zu entscheiden.

 

II.

Ausnahme

 

 

 

Die Weisung muss inhaltlich bestimmt sein (Gebot der Weisungsklarheit) und es darf kein Rechtsmissbrauch des Bundes bestehen (hiervon kann in aller Regel nicht ausgegangen werden).

3. Bundeseigene Verwaltung

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Der letzte Fall der Ausführung von Bundesgesetzen ist in Art. 86 GG normiert und betrifft die bundeseigene Verwaltung. Dies erfolgt entweder

unmittelbar durch Behörden des Bundes oder

mittelbar durch zwischengeschaltete selbstständige Körperschaften oder Anstalten.

Die Gegenstände bundeseigener Verwaltung sind in den Art. 87 bis 90 GG benannt.

Beispiel

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Unmittelbare bundeseigene Verwaltung: Auswärtiger Dienst, die Bundesfinanzverwaltung und die Bundeswasserstraßenverwaltung (Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG)

Mittelbare bundeseigene Verwaltung: Sozialversicherungsträger nach Art. 87 Abs. 2 GG

Übungsfall Nr. 10

Übungsfall Nr. 10Der Fall ist BVerfGE 81, 310 ff. nachgebildet.: „Der ungehorsame Minister“

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