Schuldrecht Besonderer Teil 3 - Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB - Schaden und haftungsausfüllende Kausalität

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Schuldrecht Besonderer Teil 3

Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB - Schaden und haftungsausfüllende Kausalität

6. Schaden und haftungsausfüllende Kausalität

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Hinweis

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§ 823 Abs. 1 BGB (und die weiteren Ansprüche aus Delikt in diesem Abschnitt des BGB) führen zu einem Schadenersatzanspruch des Geschädigten. Für diesen gelten die §§ 249 ff. BGB, die Sie bereits im allgemeinen Schuldrecht kennengelernt haben.Siehe Bönninghaus, „Schuldrecht AT II“, Rn. 451 ff.

Die nachfolgenden Ausführungen setzen voraus, dass Sie das Thema im Schuldrecht bereits erarbeitet und verstanden haben. Nachfolgend werden also schwerpunktmäßig nur die Besonderheiten des deliktischen Anspruchs auf Schadenersatz besprochen.  

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Das nachfolgende Prüfungsschema wird Ihnen, sofern Sie das Schuldrecht mit den entsprechenden Bänden aus dieser ReiheBönninghaus, „Schuldrecht AT I“ sowie Schuldrecht AT II. erlernt haben, bekannt vorkommen. Aus den im Hinweis genannten Gründen behandelt es nur die Besonderheiten des Schadenersatzanspruches im Deliktsrecht.   


Prüfungsschema

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Wie prüft man: Art und Umfang des Schadenersatzanspruches bei der Haftung aus Delikt

I.

Ermittlung des ersatzfähigen Schadens

 

 

1.

Bestimmung der hypothetischen Lage

 

 

2.

Differenzbetrachtung zur realen Lage

 

 

 

 

Kind als Schaden?

Rn. 623

 

 

 

Ausgleich von Vorteilen

Rn. 624

 

 

 

Folgeschäden

Rn. 630

II.

Art und Umfang des Schadenersatzes

 

 

1.

Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB)

 

 

2.

Bei Körperverletzung/Beschädigung auch § 249 Abs. 2 BGB:

 

 

 

a)

der dafür erforderliche Geldbetrag

 

 

 

b)

ergänzend: Rentenanspruch nach §§ 842, 843 BGB

 

 

3.

Im Falle der §§ 844, 845 BGB: Prüfung der Ansprüche dieser Personen in eigener Anspruchsgrundlage

 

 

4.

Bei Unmöglichkeit der Herstellung: § 251 Abs. 1 BGB

 

 

5.

Bei Unverhältnismäßigkeit der Herstellung: § 251 Abs. 2 BGB

 

 

6.

Schadensminderung nach § 254 BGB

 

 

 

a)

Mitverschulden bei Entstehung des Anspruchs, § 254 Abs. 1 BGB

 

 

 

b)

Mitverschulden bei Schadensabwendung und -minderung, § 254 Abs. 2 BGB

 

a) Bestimmung der hypothetischen Lage

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Wir haben bis zu diesem Punkt festgestellt, dass der Schuldner dem Gläubiger dem Grunde nach zum Schadenersatz verpflichtet ist. Nun stellt sich (wie bei einem vertraglichen Anspruch auf Schadenersatz auch) die Frage, was denn nun konkret der Schaden des Geschädigten und wie dieser Schaden auszugleichen ist.

Hinweis

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In der Bevölkerung herrschen oft irrwitzige Vorstellungen darüber, wie viel ein Geschädigter (vor allem im Bereich der Produkthaftung) vom Schädiger erhält.Vgl. https://www.advocado.de/ratgeber/schmerzensgeldrecht/einforderung/schmerzensgeldtabelle.html zuletzt aufgerufen am 1.5.2021. Diese Fehlvorstellungen haben ihre Ursache in den in der Tat real nicht mehr nachvollziehbaren Schadenersatzsummen, die in den Vereinigten Staaten zugesprochen werden.Deren Höhe erklärt sich u.a. aufgrund des Instruments der sog. „punitive damages“ – übersetzt „Strafschadensersatz“, welches dem Deutschen Recht in dieser Ausformung unbekannt ist. Aber wir sind hier schließlich nicht im Wilden Westen ...

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Ausgangspunkt jeder Überlegung ist der § 249 Abs. 1 BGB:

Wer zum Schadenersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.Vgl. Palandt/Grüneberg, BGB § 249 Rn. 2.

Ich erlaube mir, die Formulierung aus dem Skript „Schuldrecht Allgemeiner Teil I“ zu übernehmen: „Hier ist wirklich jedes Wort heilig“.Bönninghaus, „Schuldrecht AT II“, Rn. 340. Sie prüfen also zunächst die hypothetische Lage (bestehen würde), in dem sie folgende Überlegung anstellen: Wie stünde der Geschädigte da, wenn die deliktische Schädigung (zum Ersatz verpflichtender Umstand), den sie schweißtreibend bis hierhin geprüft haben, nicht eingetreten wäre?

Beispiel

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A missachtet die Vorfahrt des B und verursacht einen Verkehrsunfall. Das Auto des B ist beschädigt, B ist verletzt, hat Arztrechnungen zu begleichen, und kann einige Tage seiner selbstständigen Tätigkeit nicht nachgehen.

Wäre der zum Ersatz verpflichtende Umstand (Missachtung der Vorfahrt) nicht eingetreten, hätte B ein unbeschädigtes Auto, müsste die Behandlung nicht durchführen lassen und hätte arbeiten können. Das ist die hypothetische Lage.

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Doch die hypothetische Lage ist nicht nur eine, die sich in Geld ausdrücken lässt.

Beispiel

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Late-Night-Talkmaster T macht sich in einer Sendung über eine Fernsehmoderatorin wie folgt lustig: „Was haben eine Kloschüssel und Frau XY gemeinsam? Männer würden beide nie anfassen.“ (Leider wahre Geschichte).Siehe: https://www.sueddeutsche.de/kultur/harald-schmidts-boettinger-witz-sprung-in-der-schuessel-1.233343 zuletzt aufgerufen am 1.5.2021.

Ohne jetzt nochmals in die Tiefen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingehen zu können: Hier dürfte auch nach einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung auch unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 GG der Ehrschutz für Frau XY überwiegen.Siehe zu diesem Problembereich oben Rn. 427 ff. Sie hat also einen Schadenersatzanspruch dem Grunde nach.

Bei der Analyse der hypothetischen Lage stellen wir fest, dass ohne den zum Ersatz verpflichtenden Umstand (Beleidigung durch T) die XY eben nicht beleidigt worden wäre.

b) Bestimmung der realen Lage

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Nunmehr stellen sie die tatsächliche Situation, in der sich der Geschädigte befindet, der soeben erarbeiteten hypothetischen Situation gegenüber. Jede nachteilige Abweichung der materiellen und/oder immateriellen Rechtsgüterlage stellt einen ersatzfähigen Schaden dar.Vgl. Palandt/Grüneberg, vor BGB § 249 Rn. 10.

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In unserem Beispiel oben Rn. 619 ist also die Beschädigung des Fahrzeugs, die Verletzung des B sowie der Umstand, tagelang nicht arbeiten zu können, der ersatzfähige Schaden. Frau XY hingegen hat „nur“ einen immateriellen Schaden.Dabei unterstellen wir, dass Frau XY durch diese Bemerkung keine Einbußen (Werbeverträge wurden deswegen gekündigt usw.) hatte. Sie wäre nicht beleidigt worden (hypothetische Lage) und ist es nun aufgrund der schädigenden Handlung des T. Dies ist der Schaden der Frau XY. Dieser ist (wie, sehen wir gleich) auszugleichen. 

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Diese Stelle ist die Heimat des leidenschaftlich diskutierten Problems, ob ein Kind einen ersatzfähigen Schaden darstellen kann. Hintergrund für diese Diskussion war folgender Fall:

Beispiel

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Frauenarzt Dr. F nimmt eine Sterilisation bei Frau A vor. Der Eingriff wird nicht lege artis, also kunstfehlerhaft durchgeführt. Frau A wurde trotz der Sterilisation wieder schwanger, brachte das Kind zur Welt und verlangte vom Arzt die Unterhaltskosten für das Kind.

Dass Dr. F hier nach § 823 Abs. 1 BGB deliktisch (und daneben aus § 280 Abs. 1 BGB vertraglich) auf Schadenersatz haftet, ist nach dem Sachverhalt eindeutig. Fraglich ist, ob A der Unterhalt für das Kind ein Schaden im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB darstellt.

Nähert man sich dieser Frage unverkrampft, so liegt die Antwort auf der Hand. Ohne das schädigende Ereignis (fehlerhafte Sterilisation) wäre A nicht schwanger geworden und hätte deshalb auch keinen Unterhalt zu leisten. Stellt man dieser hypothetischen die reale Lage (Kind ist da und kostet Geld) gegenüber, kommt man zwanglos zu einem ersatzfähigen Schaden.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Position der Rechtsprechung des BGHVgl. BGH, Urteil v. 18.3.1980 – VI ZR 105/78 = NJW 1980, 1450; BGH, Urteil v. 28.3.1995 – VI ZR 356/93 = NJW 1995, 1609. in Frage gestellt. Kurz gesagt argumentierte der zweite Senat damit, dass die Menschenwürde es verbiete, die Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind als Schaden anzusehen.Vgl. BVerfG, Urteil v. 28.5.1993 - 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 = NJW 1993, 1751.

Der BGH ließ sich jedoch nicht beeindrucken und bestätigte diese ständige Rechtsprechung.Vgl. BGH, Urteil v. 16.11.1993 – VI ZR 105/92 = NJW 1994, 788 = BGHZ 124, 128. Mit Recht: Der Schaden besteht nicht in der Existenz des Kindes an sich, sondern in der durch die planwidrige Geburt des Kindes begründete Unterhaltspflicht. Außerdem beeinträchtigt die Zubilligung eines Schadenersatzanspruches die Menschenwürde des Kindes in keiner Weise.Vgl. Palandt/Grüneberg, vor BGB § 249 Rn. 47, ausführlich MüKo BGB/Oetker, BGB § 249 Rn. 30–40.

Expertentipp

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Wegen der heftigen Diskussion um diese Frage ist das Problem „Kind als Schaden“ ein durchaus beliebtes Klausurthema. Auch wenn die Meinung des Bundesverfassungsgerichts (2. Senat) natürlich vertretbar ist, ist die herrschende Meinung vorzuziehen und vor allem lebensnäher.

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Schließlich müssen Sie drittens in geeigneten Sachverhalten der Frage nachgehen, ob sich der Gläubiger des Schadensersatzanspruches nicht möglicherweise Vorteile entgegenhalten lassen muss, die er ohne das schädigende Ereignis nicht gehabt hätte.

Beispiel

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Das Haus des A wird durch Fahrlässigkeit des B zerstört. A muss es abreißen lassen. Dabei kommen seltene Bilder zutage, die der Großvater kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Fundament des Hauses eingemauert hatte und die wegen des Todes des Großvaters an der Front nie wiederaufgetaucht waren. Der zu ersetzende Schaden am Haus soll 200 000 € betragen. Der Wert der Bilder hingegen 2 000 000 €.

Bei diesem Fall neigt man zu der Ansicht, dass es den B doch nicht entlasten könne, wenn „zufällig“ (wenn auch kausal im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel) durch die Schädigung des B der A die Bilder findet.

Neben einem solchen Lehrbuchbeispiel stehen aber Sachverhalte, in denen Schädiger eine Argumentation aufbauen, die auf den ersten Blick recht überzeugend klingt:

Beispiel

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Zwei Brüder fahren in einem Auto. Ihr Vater ist Witwer. Verkehrsteilnehmer A verursacht einen schweren Verkehrsunfall, bei denen einer der Brüder stirbt, der andere hingegen nur verletzt wird. Kurz darauf verstirbt der Vater der Brüder. Der überlebende Bruder erhält nun die gesamte Erbschaft, die er, wenn sein Bruder noch lebte, mit diesem hätte teilen müssen. A beruft sich auf eine Vorteilsausgleichung.

Sicher ist es makaber, was A da vorträgt. Fraglich ist aber allein, ob es juristisch richtig ist.

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Die Rechtsprechung hat zwei Kriterien entwickelt, nach denen solche Vorteilsanrechnungen zu messen sind:

Einmal muss der Vorteil des Geschädigten eine adäquat-kausale Folge der Handlung des Schädigers sein. Das heißt also, dass wir (genauso wie bei der haftungsbegründenden KausalitätUnd, wie wir gleich sehen werden, auch bei der haftungsausfüllenden Kausalität.) im ersten Schritt prüfen müssen, ob die schädigende Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Vorteil des Geschädigten entfiele. Zwischen Schädigungshandlung und Vorteil muss also ein solcher Zusammenhang bestehen.

Damit kann das Ansinnen des A im obigen Unfallbeispiel (Anrechnung der Vorteile der höheren Erbschaft) juristisch widerlegt werden. A haftet dem verletzten Bruder, weil er ihn geschädigt hat. Diese Schädigung (des Überlebenden) ist aber nicht kausal für die höhere Erbschaft. Das ist allein die Schädigung des getöteten

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Wie auch bei der haftungsbegründenden Kausalität muss auch hier die Conditio-sine-qua-non-Formel durch das Kriterium der Adäquanz korrigiert werden. Solche Kausalzusammenhänge also, die ganz ungewöhnlich, einmalig und deshalb sinnvollerweise nicht vorhersehbar sind,Vgl. hier nur Buck-Heeb, Besonderes Schuldrecht/2, Rn. 158, im Übrigen zur Adäquanztheorie oben Rn. 382 ff. werden also wertend ausgeklammert.

Damit kann dem geschädigten Hausbesitzer aus dem Beispiel in Rn. 624 geholfen werden. Selbst ein optimaler BetrachterZu dieser Rechtsfigur vgl. oben Rn. 386. kann nicht voraussehen, dass die Zerstörung eines Hauses dazu führt, dass im Zuge der Abbrucharbeiten ein vergessener Schatz entdeckt wird.

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Im zweiten Schritt muss durch Wertungen entschieden werden, ob der adäquat-kausal durch die Schädigung bewirkte Vorteil beim Geschädigten diesem ohne Anrechnung verbleiben soll oder ob der Vorteil nach dem Zweck des Schadenersatzrechts nicht vielmehr vom Anspruch in Abzug zu bringen ist.Vgl. Palandt/Grüneberg, vor BGB § 249 Rn. 70.

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In folgenden Fällen hat die Rechtsprechung eine Vorteilsanrechnung trotz adäquat-kausalem Zusammenhang abgelehnt:Vgl. auch Palandt/Grüneberg, vor BGB § 249 Rn. 67 ff.

Überobligationsmäßiger Einsatz des Geschädigten

Unterhaltsleistungen durch Dritte

Freigiebige Leistungen Dritter

Versicherungsleistungen.

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Anerkannt ist jedoch, dass bestimmte Vorteile beim Geschädigten dessen Schadenersatzanspruch mindern.

Beispiel

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Abzug „neu für alt“ beim Einbau von Neuteilen in ein Wirtschaftsgut, das die Lebensdauer des Wirtschaftsgutes verlängert.

Steuerliche Vorteile beim Geschädigten.

Ersparte Aufwendungen.

Hinweis

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Es ist weder möglich noch ratsam, sich mit der Fülle der Einzelfallentscheidungen zu belasten. In der Klausur reicht es, die beiden Prüfungsschritte (adäquat kausaler Zusammenhang und wertende Zurechnung) abzuarbeiten und (vor allem die Wertung) zu begründen. Das Ergebnis, zu dem Sie dann kommen, ist dagegen vergleichsweise zweitrangig.

c) Besondere Kausalitätsbetrachtungen

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Sie erinnern sich? Oben Rn. 517 ff. hatten wir über die haftungsbegründende Kausalität eingehend gesprochen. Dort ging es um die Frage, ob die Handlung des Schädigers kausal zur Rechtsgutverletzung beim Geschädigten geführt hat.

Die Prüfungsreihenfolge war – in der gebotenen Kürze: Die Handlung des Schädigers muss zunächst kausal im Sinne der Äquivalenztheorie (Conditio-sine-qua-non-Formel) sein. Danach wurden mithilfe der Adäquanztheorie solche Kausalzusammenhänge herausgefiltert, die nur unter höchst ungewöhnlichen, selbst für den optimalen Beurteiler nicht vorhersehbaren Umständen geeignet sind, den missbilligten Erfolg herbeizuführen. Schließlich muss sich im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität gerade die Gefahr realisiert haben, vor der die vom Schädiger verletzte Verhaltenspflicht schützen sollte.

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Dieselben drei Prüfungsschritte unternehmen Sie, um den Zusammenhang zwischen Verletzungserfolg und eingetretenem Schaden bejahen zu können. Die Kausalität im Sinne der Conditio-Sine-qua-non-Formel ist in der oben geschilderten Ermittlung des hypothetischen Zustands bereits enthalten. Entscheidend ist nun, ob und wann die Merkmale der Adäquanz und des Schutzzweckzusammenhangs zusätzlich zu erörtern sind.

Hinweis

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Die haftungsausfüllende Kausalität ist – im Rahmen der Differenzhypothese – nur dann ausführlich zu problematisieren, wenn der Sachverhalt dazu Anlass gibt (dazu gleich mehr).

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In zwei Fallgruppen spielt die Frage der Einschränkung der Kausalität durch die Prüfung des Schutzbereiches der Norm eine besondere Rolle. Einmal sind es die „Folgefälle“ (Erstschaden führt zu einem sehr hohen Folgeschaden). Zweitens sind die Sachverhalte zu nennen, in denen eine spezifische Opferkonstitution einen besonders hohen Schaden herbeigeführt hat.

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Sie erinnern sich an das Beispiel oben Rn. 518? Der Beamte B wurde verletzt. Bei der Untersuchung stellt sich heraus, dass er an einer bisher nicht erkannten Hirnarteriosklerose leidet, die ihn dienstunfähig macht. B macht geltend, dass ohne die Verletzung die Krankheit nicht bemerkt worden wäre, er deshalb nicht frühpensioniert worden wäre und daher keine Einbußen bei der Pension hinzunehmen gehabt hätte.

In einer solchen Fallkonstellation ist die Kausalität im Sinne der ersten beiden Prüfungsschritte (Äquivalenz und Adäquanz) eindeutig. Fraglich ist allein, ob der Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB auch dahingeht, den B vor der Entdeckung einer Krankheit, die zu Pensionsverlusten führt, zu schützen. Dies ist zu verneinen, da § 823 Abs. 1 BGB den B vor den erlittenen Verletzungen schützen will, nicht aber davor, dass Krankheiten nicht entdeckt werden. Der Zurechnungszusammenhang zwischen Verletzungserfolg und Schaden ist daher nicht im Schutzbereich der Norm. Die haftungsausfüllende Kausalität ist zu verneinen.Siehe zu diesem Fall auch Buck-Heeb, Besonderes Schuldrecht/2, Rn. 223.

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Ähnlich ist es, wenn sich ein Unfallopfer im Krankenhaus mit einer Krankheit infiziert, die mit dem Unfall an sich nichts zu tun hat. Auch hier gilt: § 823 Abs. 1 BGB will nicht einen Anspruch schaffen, weil sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat. Mit einer Krankheit kann man sich schließlich immer irgendwo infizieren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Erstverletzung das Opfer so geschwächt hat, dass er für die zugezogene Krankheit besonders empfänglich war.

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Allerdings schließt eine besondere Opferkonstitution eine Zurechnung eines deswegen besonders hohen Schadens nicht aus. Der Schädiger kann sich – plastisch formuliert – nicht darauf berufen, so gestellt zu werden, als wenn er einen Gesunden verletzt hätte.Vgl. Palandt/Grüneberg, vor BGB § 249 Rn. 35 f.

Beispiel

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Schädiger S verletzt den B. B ist Bluter und deswegen erhöhen sich die notwendigen Heilungskosten massiv. Die Schadensfolgen sind von S auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzbereichs der Norm haftungsausfüllend zuzurechnen.

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Anders ist es, wenn es sich um ganz ungewöhnliche, keinesfalls zu erwartende Kausalverläufe handelt.

Beispiel

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A verletzt den B leicht und beleidigt ihn. B erleidet daraufhin einen Schlaganfall.

Klar ist: A haftet dem Grunde nach. Es liegt jedoch ein Fall vor, in dem die haftungsausfüllende Kausalität deswegen verneint werden muss, weil niemand wegen einer für sich alltäglichen Auseinandersetzung damit rechnen kann, dass derartig schwere Folgen auftreten.Vgl. Palandt/Grüneberg, vor BGB § 249 Rn. 36.

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