Schuldrecht Besonderer Teil 2

Behandlungsvertrag

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B. Behandlungsvertrag

I. Rechtsnatur und Abgrenzungen

1. Rechtsnatur

622

 

Der Behandlungsvertrag (§§ 630a ff.) ist ein besonderer Typ des Dienstvertrages zwischen dem Behandelnden und dem Patienten über die entgeltliche Durchführung einer medizinischen Behandlung. Der Behandlungsvertrag ist seit 2013 gesetzlich besonders geregelt. Gem. § 630b sind auf das Behandlungsverhältnis die Vorschriften über das Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis i.S.v. § 622 ist, entsprechend anzuwenden, soweit die §§ 630a ff. nichts anderes bestimmen.

2. Abgrenzungen

a) Abgrenzung zum freien Dienstvertrag

623

Kein Behandlungsvertrag i.S.v. § 630a Abs. 1, sondern ein freier Dienstvertrag liegt bei tierärztlicher Behandlung vor, da § 630a Abs. 1 nur humanmedizinische Behandlungen erfasst.

b) Abgrenzung zum Werkvertrag

624

Der Werkvertrag verpflichtet den Werkunternehmer zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges.Palandt-Weidenkaff Einf. 1 v. § 631, Vorb. v. § 630a Rn. 5. Dagegen ist beim Behandlungsvertrag, wie § 630a Abs. 1 klarstellt, nur die Leistung der medizinischen Behandlung, also eine Dienstleistung geschuldet.Palandt-Weidenkaff Vorb. v. § 630a Rn. 5. Kein Behandlungsvertrag, sondern ein Werkvertrag liegt daher dann vor, wenn die Vergütung nicht für die Tätigkeit an sich geschuldet ist, sondern erst mit Herbeiführung des versprochenen Erfolges fällig werden soll (vgl. § 641 Abs. 1 S. 1).

Beispiel

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Durchführung einer Röntgen- oder Laboruntersuchung, Anfertigung einer Zahnprothese.Looschelders Schuldrecht BT Rn. 613.

Umstritten ist die Einordnung von kosmetischen Operationen, wie z.B. Begradigung einer Nase, Fettabsaugung etc. Nach der amtlichen Begründung zum Patientenrechtegesetz und der h.M. handelt es sich um einen Dienstvertrag in der Form des Behandlungsvertrags.Z.B. OLG Köln VersR 1988, 1049.

Hinweis

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Die Abgrenzung zum Werkvertragsrecht ist deswegen wichtig, weil im Falle eines Werkvertrages die speziellen Mängelrechte nach § 634 eingreifen können. Beim Behandlungsvertrag richten sich die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen dagegen nach den Regeln des allgemeinen Schuldrechts.

c) Abgrenzung zur GoA

625

Wird eine Behandlung ohne Behandlungsvertrag durchgeführt, richten sich die Rechtsfolgen allein nach §§ 677 ff., soweit diese nicht unter das Öffentliche Recht fallen (s.u.d).

Beispiel

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Behandlung von bewusstlosen oder nicht geschäftsfähigen Patienten ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.Palandt-Weidenkaff Vorb. v. § 630a Rn. 5.

d) Abgrenzung zur hoheitlichen Tätigkeit

626

Hoheitliche Tätigkeit bei der medizinischen Behandlung schließt einen Behandlungsvertrag aus. Hier richtet sich die Kostenerstattung nach den einschlägigen Vorschriften des Öffentlichen Rechts.Palandt-Weidenkaff a.a.O.

Beispiel

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Hierzu zählt z.B. die Rettung eines erkrankten oder verletzten Bergsportlers, der im Anschluss ärztlich behandelt werden muss. Auf Basis des Sozialgesetzbuches V werden diese Kosten je nach Aufwand durch die Krankenkassen mit definierten Pauschalen erstattet. Es fallen z.B. in Bayern keine weiteren Kosten seitens der Bergwacht an.

Für eventuelle Schadenersatzpflichten gelten die Regeln über die Staatshaftung nach § 839 i.V.m. Art. 34 GG.Palandt-Weidenkaff a.a.O.

II. Die Parteien des Behandlungsvertrages

627

Parteien des Behandlungsvertrages sind der Behandelnde und der Patient.

1. Der Behandelnde

Definition

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Definition: Behandelnder

Behandelnder ist derjenige, der die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt.

628

Neben den Ärzten oder Zahnärzten, Psychologen, Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten können auch Angehörige anderer Heilberufe als Behandelnde einen Behandlungsvertrag schließen, wie Heilpraktiker, Hebammen, Physiotherapeuten, Masseure, medizinische Bademeister, Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten u.a., nicht dagegen Tierärzte, weil diese keine humanmedizinische Behandlung durchführen, ebenso wenig Apotheker, Optiker und Hörgeräteakustiker.Palandt-Weidenkaff Vorb. v. § 630a Rn. 3.

Da der die Behandlung Zusagende die Behandlung nicht zwingend selbst durchführen mussPalandt-Weidenkaff Vorb. v. § 630a Rn. 2., kann auch eine Institution, die Angehörige eines Heilberufes beschäftigt, einen Behandlungsvertrag schließen, zum Beispiel ein Krankenhausträger oder eine Praxisgemeinschaft, die eine juristische Person ist.  

2. Der Patient

Definition

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Definition: Patient

Patient ist, wer selbst oder durch einen Vertreter einen Behandlungsvertrag mit einem Behandelnden schließt, unabhängig davon, ob und ggf. welche Krankenversicherung besteht.Palandt-Weidenkaff Vorb. v. § 630a Rn. 4.

629

Auch der gesetzlich krankenversicherte Patient schließt einen Behandlungsvertrag mit dem Behandelnden, obwohl er eine Vergütung für die Behandlung, die von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird, nicht schuldet (vgl. § 630a, a.E.).Palandt-Weidenkaff Vorb. v. § 630a Rn. 4.

Hinweis

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Hier liegt ein Unterschied zum normalen Dienstvertrag, bei dem der Dienstberechtigte selbst zur Zahlung der Vergütung verpflichtet ist, vgl. § 611 Abs. 1.

Bei Vertragsschluss eingeschaltete gesetzliche Vertreter oder Bevollmächtigte des Patienten werden sind nicht Vertragspartei (vgl. § 164). Soweit ein Dritter, zum Beispiel die Krankenkasse die Behandlung bezahlen muss, wird dieser ebenfalls nicht Partei des Behandlungsvertrags.

III. Form

630

Der Behandlungsvertrag ist nicht formbedürftig.

IV. Die Pflichten der Vertragsparteien

1. Pflichten des Behandelnden

a) Hauptleistungspflichten

631

Der Behandlungsvertrag verpflichtet den Behandelnden, eine ordnungsgemäße Behandlung selbst, oder durch andere durchzuführen soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, vgl. § 630a. Dabei hat er die geltenden allgemein anerkannten fachlichen Standards zu beachten.

Die Behandlung umfasst die Diagnose und bei einer entsprechenden Indikation eine Therapie. Der Behandelnde schuldet keinen Behandlungserfolg, also nicht die Heilung, sondern lediglich eine fachgerechte Vornahme der Behandlung. Die Behandlung kann auch kosmetischen Zwecken dienen, etwa bei einer Schönheitsoperation.

b) Nebenleistungs- und Nebenpflichten

aa) Behandlungsinformationspflichten

632

Der Behandelnde hat dem Patienten nach § 630c Abs. 2 S. 1 in einer für ihn verständlichen Weise sämtliche für die Behandlung wichtigen Umstände grundsätzlich schon zu deren Beginn zu erklären. Das betrifft insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie, therapiegerechtes Verhalten und die weiteren Maßnahmen. Der Patient ist auf Unverträglichkeitsrisiken, auf eine möglicherweise nicht sichere Wirkung des Eingriffs oder auf eine ärztlicherseits anzuratende Änderung der Lebensführung hinzuweisen.

Die Verletzung der Informationspflicht ist ein Behandlungsfehler, der zu einer Schadensersatzpflicht des Behandelnden führen kann. Eine unzureichende Erfüllung der Informationspflicht berührt nicht die Wirksamkeit der Einwilligung (anders aber die Verletzung von Aufklärungspflichten vor konkreten Maßnahmen, s.u.).

bb) Fehlerinformationspflicht

633

Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage, oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren auch ohne Nachfrage zu informieren (§ 630c Abs. 2 S. 2).

Dieses mit der Patienteninformation verbundene „Eingeständnis“ darf jedoch ohne Zustimmung des Behandelnden nicht zu Beweiszwecken in einem gegen den Behandelnden oder gegen seinen Angehörigen geführten Straf- oder Bußgeldverfahren verwendet werden (§ 630c Abs. 2 S. 3). Im zivilrechtlichen Schadensersatzprozess gegen den Behandelnden gilt diese Einschränkung aber nicht.

cc) Wirtschaftliche Informationspflicht

634

Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten, insbesondere durch die Krankenkasse nicht gesichert ist, oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor dem Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren (§ 630c Abs. 3 S. 1).

Der Behandelnde ist aber nicht verpflichtet, sich über ihm unbekannte Tarifinhalte etwa einer privaten Krankenversicherung des Patienten zu informieren oder den Patienten wirtschaftlich oder juristisch zu beraten.

Der Verstoß gegen diese Informationspflicht begründet einen Schadensersatzanspruch des Patienten aus § 280 Abs. 1. Diesen kann der Patient dem Vergütungsanspruch des Behandelnden entweder im Wege der Aufrechnung oder als Leistungsverweigerungsrecht nach § 242 (dolo facit qui petit quod statim redditurus est)BGHZ 79, 204; 94, 246. entgegenhalten, wenn er die Leistung bei richtiger Information nicht in Anspruch genommen hätte.Palandt-Weidenkaff § 630c Rn. 12 m.w.N.

Hinweis

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In der Klausur ist diese Frage unter dem Prüfungspunkt „Anspruch erloschen“ zu prüfen, wenn der Patient die Aufrechnung erklärt hat (vgl. § 389). Macht der Patient dagegen von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 242 Gebrauch, wird die Frage unter „Anspruch durchsetzbar“ erörtert.

dd) Einholung der Einwilligung

635

Der Behandelnde muss nach § 630d vor der Durchführung einer medizinischen Maßnahme, vor allem bei einem Eingriff in den Körper oder die Gesundheit des Patienten, aber auch bei sonstigen therapeutischen oder diagnostischen Maßnahmen im Rahmen der Behandlung, den Patienten ausdrücklich und unmissverständlich fragen, ob er in die Maßnahme einwilligt. Mit einer Behandlung ohne die eingeholte Einwilligung verletzt der Behandelnde seine Pflicht aus dem Behandlungsvertrag. Außerdem ist eine eventuelle mit der Behandlung notwendig verbundene den Körper verletzende Handlung nicht gerechtfertigt.

Der Einholung der Einwilligung muss die verständliche, ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten vorangehen, damit der Patient in der Lage ist, eine eigenverantwortliche und selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Nur nach einer Aufklärung ist die Einwilligung wirksam.

Der Patient kann seine Einwilligung jederzeit widerrufen.

Ist der Patient in der aktuellen Situation nicht fähig, selbst in die Behandlung einzuwilligen, muss der Behandelnde die Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern, eines Vormundes, Ergänzungspflegers, Betreuers oder Bevollmächtigten mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge einholen, soweit nicht eine Patientenverfügung die Maßnahme gestattet oder untersagt.

Eine Patientenverfügung, die eine Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme enthält, ist nur mit vorangegangener ärztlicher Aufklärung oder bei erklärtem Aufklärungsverzicht wirksam. Enthält eine Patientenverfügung keinen ausdrücklich erklärten Verzicht auf eine ärztliche Aufklärung, ist die Patientenverfügung in diesen Fällen nur als Indiz für den mutmaßlichen Willen zu werten. Es bedarf dann immer einer Entscheidung des Betreuers oder des Bevollmächtigten über die Zulässigkeit des ärztlichen Eingriffs. Bei Uneinigkeit über die Auslegung des Patientenwillens durch Betreuer oder Bevollmächtigtem einerseits und Arzt andererseits muss das Betreuungsgericht entscheiden (§ 1904 Abs. 4).

Kann eine Einwilligung für eine unaufschiebbare Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf sie ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.

ee) Aufklärungspflichten

636

Der Behandelnde ist nach § 630e verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären, insbesondere über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und spezifische Risiken der Maßnahme, die Notwendigkeit, Dringlichkeit und Eignung der Maßnahme zur Diagnose oder zur Therapie und über die Erfolgsaussichten der Maßnahme im Hinblick auf die Diagnose oder Therapie (sogenannte Eingriffs- und Risikoaufklärung oder Selbstbestimmungsaufklärung).

Können mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen, ist auch über bestehende Alternativen zur Maßnahme aufzuklären.

Sinn und Zweck der Aufklärung ist, dem Patienten die Schwere und Tragweite eines etwaigen Eingriffs zu verdeutlichen, so dass er eine ausreichende Entscheidungsgrundlage hat, selbstbestimmt zu entscheiden, ob er in eine medizinische Maßnahme einwilligt.

Die Aufklärung hat mündlich zu erfolgen, damit der Patient die Möglichkeit hat, dem Behandelnden Rückfragen zu stellen, muss rechtzeitig vor dem Beginn der beabsichtigten Maßnahme erfolgen, damit der Patient Zeit hat, die für und gegen die Maßnahme sprechenden Gründe abzuwägen, und muss für den jeweiligen Patienten verständlich sein.

Die Aufklärung ist aus den gleichen Gründen ausnahmsweise entbehrlich wie die Erfüllung für Informationspflichten.

Ist der Patient einwilligungsunfähig und an seiner Stelle eine andere Person zur Einwilligung berechtigt, ist diese Person aufzuklären. Dem Patienten sind trotzdem die wesentlichen Umstände entsprechend seinem Verständnis zu erläutern, soweit er aufgrund seines Entwicklungsstandes und seiner Verständnismöglichkeiten in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft.

ff) Schweigepflicht

637

Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe unterliegen der Schweigepflicht über alle Aspekte der Behandlung. Diese Pflicht ergibt sich aus dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen dem Behandelnden und dem Patienten, sowie aus dessen Selbstbestimmungsrecht über seine persönlichen Daten (Art. 1, 2 GG). Es handelt sich dabei um eine Schutzpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2, deren Verletzung den Arzt nach §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 (Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) und nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 203 StGB zum Schadensersatz verpflichtet.

Schadensersatzansprüche gegen den Arzt scheiden aber aus, wenn und soweit die Preisgabe des Geheimnisses gerechtfertigt ist. Dies ist insbesondere bei Einverständnis des Patienten der Fall. Auch wenn keine ausdrücklich oder stillschweigend erklärte Einwilligung vorliegt, kann eine Offenbarung nach den Grundsätzen der mutmaßlichen Einwilligung gerechtfertigt sein. Eine mutmaßliche Einwilligung liegt vor, wenn die Handlung im Interesse des Betroffenen vorgenommen wird und eine Vermutung für seine Einwilligung, die aber nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden kann, spricht.

Eine Offenbarungsbefugnis kann sich auch aus § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) ergeben, der unter bestimmten Voraussetzungen die Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht zulässt.

Beispiel

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Unterrichtung der Verkehrsbehörde über einen durch eine Erkrankung fahruntüchtigen, aber uneinsichtigen Autofahrer.

Offenbarungspflichten sind im Interesse der Verbrechensverhinderung und zum Schutz der Bevölkerung gesetzlich vorgeschrieben. In dem Katalog des § 138 StGB werden die Straftaten aufgeführt, die zur Anzeige gebracht werden müssen, wenn man von dem Vorhaben oder der Ausführung dieser Straftaten Kenntnis erlangt.

Beispiel

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Mord, Totschlag, Raub etc.

Eine Meldepflicht kann sich auch aus § 3 BSeuchG ergeben. Auch das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten sieht eine Meldepflicht für bestimmte vorwiegend auf sexuellem Wege übertragbare Krankheiten vor.

gg) Führung und Einsicht in die Patientenakte

638

Nach § 630f hat der Behandelnde die Behandlung in einer Patientenakte zu dokumentieren. § 630g gewährt dem Patienten ein Recht auf Einsicht in diese Akte, es sei denn, erhebliche therapeutische Gründe oder erhebliche Rechte Dritte stehen der Einsicht entgegen.

2. Pflichten des Patienten

a) Hauptleistungspflichten

639

Der Patient schuldet die Zahlung der vereinbarten Vergütung, wenn und soweit nicht ein Dritter (z.B. die gesetzliche Krankenkasse) zur Zahlung verpflichtet ist. Bei gesetzlich Krankenversicherten hat der behandelnde Arzt, der Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung ist, i.d.R. nach § 85 Abs. 4 S. 1 und 2 SGB V einen öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch gegen die kassenärztliche Vereinigung. Die Vergütung für Leistungen, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zählen oder deren Kosten nicht vollständig übernommen werden, kann der Behandelnde von dem gesetzlich krankenversicherten Patienten direkt verlangen (z.B. Eigenanteile beim Zahnersatz etc.). Nach § 630c Abs. 3 S. 1 ist der Arzt in diesem Fall verpflichtet, den Patienten über die voraussichtlichen Kosten in Textform informieren. Auch wenn der Arzt keine Kassenzulassung hat, muss er den Patienten darüber vor Beginn der Behandlung in gleicher Form in Kenntnis setzen.

Privatpatienten sind i.d.R. selbst zur Zahlung des Honorars verpflichtet. Sie haben gegen ihre private Krankenversicherung oder als Beamte auch gegen die Beihilfestelle einen Erstattungsanspruch.

Das Honorar des Behandelnden kann grundsätzlich frei vereinbart werden. Für Ärzte und Zahnärzte ist aber die amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw. amtliche Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) bindend. Vereinbarungen über eine abweichende Höhe der Vergütung oder über nicht in der Gebührenordnung enthaltene Leistungen sind nur nach Maßgabe dieser Gebührenordnungen zulässig.

Ist die Höhe der Vergütung nicht ausdrücklich vereinbart, so bestimmt sie sich, soweit vorhanden, nach den berufsspezifischen Gebührenordnungen, sonst ist die übliche Vergütung zu entrichten (§ 630b, § 612 Abs. 2).

Gem. § 614 ist die Vergütung, wenn nichts anderes vereinbart worden ist, nach der Behandlungsleistung fällig. Bei ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen tritt die Fälligkeit i.d.R. aber erst dann ein, wenn dem Zahlungspflichtigen eine der einschlägigen Gebührenordnung entsprechende Rechnung erteilt worden ist (§ 12 Abs. 1 GOÄ bzw. § 10 Abs. 1 GOZ).

 

b) Mitwirkungspflichten

640

Patienten und Behandelnde haben nach § 630c Abs. 1 zur Durchführung der Behandlung im Rahmen des Behandlungsvertrages einvernehmlich zusammenzuwirken.

Die Patienten haben die für die Behandlung bedeutsamen Umstände aus ihrer Sphäre zeitnah offenzulegen und dem Behandelnden auf diese Weise ein Bild von ihrer Person und ihrer körperlichen Verfassung zu vermitteln. Sie haben die ärztlichen Anweisungen im Sinne einer Therapietreue zu befolgen und soweit erforderlich an der Behandlung mitzuwirken.

Verstößt ein Patient gegen diese Pflichten, kann ihn nach § 254 im Schadensfall ein Mitverschulden zu seinen Lasten treffen.

V. Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler

641

Die Beweislast bei der Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler ist in § 630h geregelt.

Im Arzthaftungsprozess stellen sich insbesondere drei Fragen:

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Prüfungsschema

I.

Liegt ein Behandlungsfehler vor?

II.

Hat der Behandelnde diesen zu vertreten?

III.

War der Fehler ursächlich für den Schaden des Patienten?

1. Beweislast für Behandlungsfehler

a) Realisierung des allgemeinen Behandlungsrisikos

642

Grundsätzlich trägt der Patient die Beweislast für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers. Eine Ausnahme hiervon macht § 630h Abs. 1. Danach wird ein Behandlungsfehler vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat. Dies sind nach der GesetzesbegründungBT-Drs. 17/10488. Risiken, die nach dem Erkennen mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. Unerheblich ist, inwieweit das Risiko konkret vermeidbar war. Entscheidend ist vielmehr die Zuordnung des Risikos zu dem Herrschafts- und Organisationsbereich des Behandelnden.Palandt-Weidenkaff § 630h Rn. 3 m.w.N.

Beispiel

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Einhaltung von Hygienestandards, Gewährleistung der Funktionsfähigkeit medizinischer Apparate,Looschelders Schuldrecht BT Rn. 617a. Sturz des Patienten aus Duschstuhl, Entkoppelung des Infusionssystems.Palandt-Weidenkaff § 630h Rn. 3 m.w.N.

Ein voll beherrschbares Risiko liegt aber dann nicht mehr vor, wenn in der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten zugleich eine andere, gegebenenfalls unbekannte oder nicht zu erwartende Disposition des Patienten „durchschlägt“, die diesen für das verwirklichte Risiko anfällig macht und dem Behandelnden damit die volle Beherrschbarkeit des Risikobereichs entzieht.BGH NJW 1995, 1618. In diesem Fall bleibt es bei der allgemeinen Regel, dass dem Patienten die volle Beweislast für die Pflichtverletzung obliegt.  

b) Fehlender Nachweis der Patientenaufklärung und Einwilligung

643

Nach § 630h Abs. 2 S. 1 trägt der Behandelnde die Beweislast für das Vorliegen der Einwilligung des Patienten gem. § 630d und die Erfüllung der Aufklärungspflicht nach § 630e. Genügt die Aufklärung nicht den Erfordernissen des § 630e, so kann sich der Behandelnde nach § 630h Abs. 2 S. 2 darauf berufen, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte. Die rechtlichen Hürden für die Annahme einer hypothetischen Einwilligung sind hoch. Die Zivilgerichte bejahen eine hypothetische Einwilligung in der Regel nur dann, wenn der Patient in seiner Berufung auf einen Aufklärungsmangel als Haftungsgrund offensichtlich missbräuchlich handelt.

Danach kommt es darauf an, ob glaubhafte Indizien dafür bestehen, dass der Patient im Fall der wahrheitsgemäßen Aufklärung keine andere Entscheidung getroffen, er also aufgrund Alternativlosigkeit oder aus anderen persönlichen Überlegungen heraus dennoch in den Eingriff eingewilligt hätte. Gibt es aber umgekehrt Indizien, die darauf hinweisen dass sich der Patient im Fall einer korrekten Aufklärung in einem ernsthaften Entscheidungskonflikt befunden hätte, bei dem angesichts der Prädisposition und der individuellen Präferenzen des Patienten nicht ausgeschlossen ist, dass er den Eingriff abgelehnt hätte, wird der Behandelnde den Nachweis der hypothetischen Einwilligung wohl nicht führen können.Looschelders Schuldrecht BT Rn. 617a.

c) Nichtdokumentation

644

Wird eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme entgegen § 630f nicht ordnungsgemäß dokumentiert oder hat der Behandelnde die Patientenakte entgegen § 630f Abs. 3 nicht aufbewahrt, so wird nach § 630h Abs. 2 vermutet, dass die Maßnahme nicht vorgenommen wurde.

2. Vermutung des Vertretenmüssens

645

Nach der amtlichen Begründung zum Patientenrechtegesetz gilt § 280 Abs. 1 S. 2 auch für Behandlungsverträge. Steht fest, dass eine fehlerhafte Behandlung vorliegt, wird vermutet, dass der Behandelnde diese zu vertreten hat.Looschelders Schuldrecht BT Rn. 617c. Diese Vermutung gilt aber nur für die vertragliche Haftung des Behandelnden. Bei der deliktischen Haftung verbleibt es bei den allgemeinen Beweislastgrundsätzen.     

3. Kausalitätsvermutungen

a) Fehlende Befähigung

646

Im Falle einer Behandlung durch einen fachlich hierzu nicht Befähigten, wird gem. § 630h Abs. 4 vermutet, dass die Behandlung für die Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten kausal war. Erfasst werden auch Behandelnde, die für die Anwendung neuer Behandlungsmethoden auf ihrem Fachgebiet noch nicht die erforderliche Erfahrung haben.Palandt-Weidenkaff § 630h Rn. 7.

b) Grober Behandlungsfehler

647

Unterläuft dem Behandelnden ein grober Behandlungsfehler, wird gem. § 630h Abs. 5 vermutet, dass dieser für die Rechtsgutsverletzung kausal war, sofern der Behandlungsfehler grundsätzlich geeignet ist, eine solche Verletzung zu verursachen. Der Behandlungsfehler kann sich auf Diagnose, Therapie und Organisation beziehen. Grob ist ein Fehler dann, wenn der Behandelnde eindeutig gegen bewährte medizinische Behandlungsregeln oder gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen, und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint.BGH NJW 2011, 3442.


Beispiel

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Nichterkennen einer schweren Erkrankung, trotz eindeutiger Symptome,OLG Stuttgart NJW-RR 1997, 1114. Nichtberücksichtigung eines von einem hinzugezogenen Arzt mitgeteilten Befundes.Palandt-Weidenkaff § 630h Rn. 11.   

c) Einfacher Befunderhebungs- und sicherungsfehler

648

Die Kausalitätsvermutung greift nach § 630h Abs. 5 S. 2 ebenfalls ein, wenn der Behandelnde es unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben und zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, dass Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fahrlässig gewesen wäre.

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