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Schuldrecht Besonderer Teil 2 - Der Dienstvertrag

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Schuldrecht Besonderer Teil 2

Der Dienstvertrag

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Inhaltsverzeichnis

A. Der Dienstvertrag

516

Für den Dienstvertrag hält das BGB in §§ 611 ff. besondere Regeln bereit. Wir werden uns zunächst die Voraussetzungen für einen wirksamen Dienstvertrag als Grundlage für alle weiteren Ansprüche ansehen. Sodann betrachten wir die besonderen Regeln und typischen Probleme der §§ 611 ff. anhand der Primär- und Sekundäransprüche und jeweils entlang der verschiedenen Anspruchsstationen – Entstehen, Erlöschen, Durchsetzbarkeit.

I. Wirksamer Dienstvertrag

517

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Wirksamer Dienstvertrag

I.

Vertragsschluss mit Inhalt gem. § 611

 

 

 

Abgrenzung zum Werkvertrag

Rn. 521

 

 

Abgrenzung zum Auftrag

Rn. 522

 

 

Abgrenzung zum Arbeitsvertrag

Rn. 525

 

 

Abgrenzung zum Geschäftsbesorgungsvertrag

Rn. 527

II.

Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen (z. B. §§ 134 f., 142, 177)

 

 

 

Hier ausgewählte Probleme:

 

 

 

Verbots- und sittenwidrige Tätigkeit

Rn. 529 f.

 

 

Wirkung einer Anfechtung

Rn. 532

1. Vertragsschluss mit Inhalt gem. § 611

a) Vertragsschluss

518

Das Zustandekommen eines Dienstvertrages richtet sich nach den allgemeinen Regeln.

Das Zustandekommen eines Dienstvertrages richtet sich nach den allgemeinen Regeln.Siehe zum Vertragsschluss im Skript  „BGB AT I“ unter Rn. 238 ff. Angebot und Annahme sind dann auf den Abschluss eines Dienstvertrages gerichtet, wenn mit dem Vertrag die in § 611 beschriebenen Leistungspflichten begründet werden sollen. Ein Dienstvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der zur Dienstleistung Verpflichtete gegen Zahlung einer Vergütung nur die Erbringung einer Tätigkeit („Dienste“), aber darüber hinaus kein bestimmtes Leistungsergebnis schuldet. Es handelt sich um einen gegenseitigen Vertrag i.S.d. §§ 320 ff.   

Hinweis

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Der geschuldete und zum Zwecke der Erfüllung zu bewirkende Leistungserfolg des Dienstverpflichteten besteht aber immerhin in der Erbringung der vereinbarten Dienste als solcher.

519

Den Gläubiger der Dienstleistung nennt das Gesetz den „Dienstberechtigten“, den Schuldner „Dienstverpflichteten“.

b) Abgrenzungen

520

Auf welchen der verschiedenen tätigkeitsbezogenen Vertragstypen des BGB sich die Parteien verständigt haben, ist selten eindeutig, sondern muss meist durch eine nähere Auslegung gem. §§ 133, 157 bestimmt werden.

Hinweis

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Es kann nicht oft genug betont werden:

Anspruchsvoraussetzung für einen vertraglichen Primäranspruch ist die vertragliche Vereinbarung, die auf Herbeiführung des gewünschten Anspruchs gerichtet ist. Die im Gesetz aufgeführten Normen zur Typisierung der verschiedenen Vertragstypen sind also keine Anspruchsgrundlagen – es handelt sich ja eben gerade nicht um ein gesetzliches Schuldverhältnis. Der Anspruch folgt „aus Vertrag“ und nicht „aus § X“.Faust BGB AT § 1 Rn. 4. Die Regelung in § 611 dient (nur) der Festlegung des Vertragstyps, auf den die §§ 612 ff. Anwendung finden sollen.

Es empfiehlt sich regelmäßig folgende Formulierung (am Beispiel eines Dienstvertrages): Anspruch „aus Dienstvertrag gemäß § 611 Abs. 1 BGB“.So auch Petersen JURA 2008, 180, 182 unter Ziff. II 1 b.v.

aa) Werkvertrag

521

Die fehlende Ausrichtung auf die Herbeiführung eines Leistungserfolges unterscheidet den Dienstvertrag vom Werkvertrag i.S.d. § 631: Der Dienstverpflichtete verpflichtet sich „nur“ zum Tätigwerden als solchen und will nicht die Haftung für ein bestimmtes Resultat der Tätigkeit übernehmen.Instruktiv zur Abgrenzung im Wege der Auslegung das Urteil des BGH vom 16. Juli 2002 (Az.: X ZR 27/01) unter Ziff. II = BGHZ 151, 330 ff. = NJW 2002, 3323 ff. (Forschungsverträge); siehe zum Werkvertrag im Skript „Schuldrecht BT I“ Rn. 360 ff. Da es dem Dienstberechtigten regelmäßig nicht egal ist, was bei der Tätigkeit „am Ende herauskommt“, ist die Abgrenzung selten eindeutig. Die Annahme eines Dienstvertrages liegt dann nahe, wenn der zur Tätigkeit Verpflichtete das bei Abschluss des Vertrages geplante Leistungsergebnis erkennbar aufgrund seiner Tätigkeit nicht sicher herbeiführen kann.Looschelders Schuldrecht BT Rn. 543. Beim Dienstvertrag verbleibt das Risiko des Leistungsergebnisses beim Dienstberechtigten. Tritt das gewünschte Resultat trotz Tätigkeit des Dienstverpflichteten nicht ein, kann er trotzdem die Gewährung der vereinbarten Vergütung beanspruchen.    

Beispiel

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Die Beauftragung eines Sicherdienstes zur Bewachung einer Sache ist Dienstvertrag, da der Bewacher einen absoluten Schutz vor Einbrüchen regelmäßig nicht garantieren will.BGH NJW-RR 2000, 648; Palandt-Sprau Einf. v. § 631 Rn. 19 a.E.

Die BeauftragungDie Formulierung „Beauftragung“ ist hier untechnisch gemeint und hat nichts mit dem unentgeltlichen Auftrag i.S.d. § 662 zu tun. eines Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens ist dagegen Werkvertrag (immaterielles Leistungsergebnis in Form des Gutachtens).BGH Urteil vom 4.4.2006 (Az.: X ZR 122/05) unter Tz. 7 ff. = BGHZ 167, 139 ff. = NJW 2006, 2472 ff.

Die Beauftragung eines Architekten mit der Bauplanung ist ebenfalls Werkvertrag, da der Architekt im Zweifel gem. § 633 Abs. 1 zur Erstellung einer (baurechtlich) genehmigungsfähigen Planung verpflichtet ist.BGH Urteil vom 26.9.2002 (Az.: VII ZR 290/01) unter Ziff. II 2b = NJW 2003, 287.

bb) Auftrag

522

Vom Auftrag i.S.d. § 662 unterscheidet sich der Dienstvertrag durch die Entgeltlichkeit. Der Beauftragte verpflichtet sich dazu, die ihm übertragene Geschäftsbesorgung unentgeltlich zu erledigen.

523

Wenn die Parteien über die Vergütung der Dienstleistung oder deren Unentgeltlichkeit keine Vereinbarung getroffen haben, bedeutet dies nicht automatisch, sie hätten sich auf einen unentgeltlichen Auftrag verständigt oder es läge ein Gefälligkeitsverhältnis vor. Die Vergütungspflicht gilt nach der Vermutungsregel des § 612 Abs. 1 als stillschweigend vereinbart, wenn die Leistung nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten war. In der Regel wird sich in diesen Fällen eine konkludente Vereinbarung mit den allgemeinen Auslegungsregeln gewinnen lassen, §§ 133, 157. Diese müssen aber wegen § 612 Abs. 1 nicht besonders bemüht werden, wenn eine unentgeltliche Tätigkeit nach den Umständen nicht erwartet werden konnte.

Beispiel

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Wer einen Pflegedienstleister mit der Betreuung eines Angehörigen beauftragt, kann nicht erwarten, dass dieser die Betreuung unentgeltlich erbringt.

Beispiel

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A verspricht seinem erkrankten Nachbarn N, ihm die Tageszeitung aus dem Briefkasten zu holen. A kann keine Vergütung für seine Nachbarschaftsdienste verlangen. Eine ausdrückliche Vereinbarung ist nicht ersichtlich und die Voraussetzungen für die Vermutung des § 612 Abs. 1 sind nicht gegeben. Hier ist angesichts der geringen Bedeutung der geschuldeten Dienste nur von einem Gefälligkeitsverhältnis auszugehen.Zur Abgrenzung von Auftrag und Gefälligkeitsverhältnis nachfolgend unter Rn. 655.

 

cc) Besondere Ausprägungen des Dienstvertrages

524

Außerdem gibt es besondere Ausprägungen des Dienstvertrages. Bei diesen Vertragstypen liegt kein „reiner“ Dienstvertrag vor. Die Regeln der §§ 611 ff. werden vielmehr durch besondere Regeln ergänzt oder sogar ganz verdrängt.

(1) Arbeitsvertrag

525

Anders als beim „freien“ Dienstvertrag ist der Dienstverpflichtete beim Arbeitsvertrag (= der Arbeitnehmer) zur unselbständigen Tätigkeit verpflichtet.Ausführlich zur Abgrenzung im Skript „Arbeitsrecht“ unter Rn. 43 ff. Der Arbeitnehmer ist aufgrund des Arbeitsvertrages zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Dienste in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet.St. Rspr., z. B. BAG Urteil vom 20.8.2003 (Az.: 5 AZR 610/02) = NJW 2004, 39 f.

Im Umkehrschluss aus § 84 Abs. 1 S. 2 HGB ist dies dann der Fall, wenn der Dienstverpflichtete nicht

„im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“.

Die vertraglich geschuldete Leistung ist beim Arbeitsvertrag im Rahmen einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (= „Arbeitgebers“) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen.

526

Die Frage der Selbständigkeit ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist das letztere maßgebend.BAG a.a.O.

Beispiel

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Der junge Rechtsanwalt R sitzt noch an seiner Doktorarbeit. Er ist nebenher aber schon für die Rechtsanwaltssozietät ABC tätig. In deren Räumen soll er an 2,5 Tagen die Woche erscheinen. Eigene Mandanten hat R nicht, sondern bearbeitet ausschließlich Fälle der Sozietät, die ihm die Partner zuteilen. Dabei darf er über die Art der Erledigung im Ergebnis nicht selber entscheiden, sondern muss die Zustimmung des jeweiligen Partners zu seinem Vorschlag und seinen Ausarbeitungen einholen. Seine Wochenstunden stellt R monatlich in Rechnung. Über sonstige Einnahmen verfügt R nicht. In der schriftlichen Vertragsurkunde heißt es, R werde als „freier Mitarbeiter“ in die Mandatsbearbeitung von ABC eingebunden.

Hier liegt trotz anderslautender Erklärung in der Vertragsurkunde ein Arbeitsvertrag vor, da R seine beratende Tätigkeit im Ergebnis nicht eigenständig gestalten und auch seine Arbeitszeit im Wesentlichen nicht frei bestimmen kann.

Hinweis

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Die Behandlung des Arbeitsvertrages und der für ihn geltenden Sonderregeln ist nicht Gegenstand dieses Skriptes, sondern einer eigenen Darstellung vorbehalten.Siehe dazu das Skript „Arbeitsrecht“.

(2) Geschäftsbesorgungsvertrag

527

Vom Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. §§ 675 ff. unterscheidet sich der „reine Dienstvertrag“ nach h.M. durch den bestimmten Gegenstand der vorzunehmenden Tätigkeit (sog. Trennungstheorie).

Der Geschäftsbesorgungsvertrag erfasst nur selbständige Tätigkeiten wirtschaftlicher Art.Palandt-Sprau § 675 Rn. 3. Wir werden uns damit später noch ausführlich beschäftigen (siehe dazu näher unter Rn. 694 ff.).

2. Wirksamkeitsvoraussetzungen

a) Allgemeine Regeln

528

Nachdem Sie den Vertragsschluss mit dem Inhalt gem. § 611 bejaht haben, prüfen Sie, ob neben den allgemeinen noch besondere Wirksamkeitserfordernisse erfüllt sein müssen oder ob bestimmte Nichtigkeitsgründe gegeben sind.Siehe dazu ausführlich im Skript BGB AT II. Hier gelten als Einstieg die allgemeinen Tatbestände, nämlich die Wirksamkeitserfordernisse der §§ 107 f. und der §§ 164, 177, und die allgemeinen Nichtigkeitsgründe nach §§ 125 ff.Siehe dazu im Skript „BGB AT II“ unter Rn. 218 ff.

Hinweis

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Bei beschränkter Geschäftsfähigkeit ist an die Sonderregel der §§ 112, 113 zu denken.

Wir wollen uns an dieser Stelle auf folgende Konstellationen konzentrieren:

b) Verbots- und sittenwidriger Dienstvertrag (§§ 134, 138)

529

Die Ausübung einiger Tätigkeiten erfordert eine besondere gesetzliche Zulassung. Verpflichtet sich eine Person trotz fehlender Zulassung oder ohne ausreichende Zulassung zur Ausübung einer zulassungspflichtigen Tätigkeit, verstößt die Vereinbarung gegen die gesetzlichen Zulassungsregeln und ist daher nach § 134 unwirksam.Vgl. zur Nichtigkeit nach § 134 und zur Folge nach § 139 ausführlich im Skript „BGB AT II“ unter Rn. 278 ff., 452 ff.

Beispiel

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Vertrag mit Steuerberater und Wirtschaftsprüfer über allgemeine Rechtsberatung.BGH Urteil vom 3.7.2008 (Az.: III ZR 260/07) unter Tz. 12 ff. = NJW 2008, 3069 ff.

530

Verträge über ein persönliches sexuelles Verhalten sind zunächst sittenwidrig und daher nach § 138 Abs. 1 nichtig. Erst nach Vornahme der versprochenen Handlung lässt § 1 ProstG den Vertrag einseitig zum Zwecke der Begründung einer (noch nicht erfüllten) Vergütungsforderung wirksam werden.Palandt-Ellenberger Anh. zu § 138 (ProstG) Rn. 2.

Durch diese Konstruktion wird ein klagbarer Anspruch auf Erbringung der sexuellen Handlung verhindert. Damit die Details und Qualität der „Liebesdienste“ im Rahmen eines Prozesses über die – nun einklagbare – Vergütung außen vor bleiben, schließt § 2 ProstG Einwendungen wegen Leistungspflichtverletzung weitgehend aus. Der Freier kann nur damit gehört werden, es sei ja überhaupt nichts passiert, er habe bezahlt oder die Sache sei verjährt.

531

Ist keine sexuelle Handlung versprochen worden, hat die Tätigkeit aber einen sonstigen sexuellen Inhalt, reicht dies nach heutigem Verständnis für eine Sittenwidrigkeit nicht aus.Vgl. Palandt-Ellenberger § 138 Rn. 51 ff.

Beispiel

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Verträge über Telefonsex, Erotikdienste im Internet, etc.BGH Urteil vom 8.11.2007 (Az.: III ZR 102/07) unter Tz. 13 = NJW 2008, 140 ff.

Die Grenze setzen dann aber unverändert die §§ 134, 138 Abs. 1 aus anderen besonderen Gründen, etwa bei Verstößen gegen die Bestimmungen zum Verbot der Verbreitung anstößiger Inhalte (z. B. § 184 StGB).

c) Nichtigkeit wegen Anfechtung (§ 142 Abs. 1)

532

Expertentipp

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Wiederholen Sie an dieser Stelle die besonderen Korrekturen der Anfechtung im Arbeitsrecht.

Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft wirksam angefochten, ist es nach § 142 Abs. 1 als von Anfang an nichtig anzusehen. Aufgrund der systematischen Stellung der AnfechtungsregelnAusführlich dazu im Skript „BGB AT II“ unter Rn. 316 ff. im Allgemeinen Teil des BGB scheint die Anwendung der §§ 119 ff. keinerlei Probleme zu bereiten: Wer bei Abschluss eines Dienstvertrages einem in § 119 genannten Irrtum unterlag, arglistig getäuscht oder bedroht wurde (§ 123), kann den Dienstvertrag nach diesem allgemeinen System innerhalb der vorgesehenen Ausschlussfristen jederzeit anfechten und damit rückwirkend vernichten.  

533

Ist das Dienstverhältnis auf Dauer angelegt und bereits in Vollzug gesetzt worden, könnte gegen eine Rückwirkung der Anfechtung sprechen, dass ein bereits vollzogenes Dienstverhältnis nur unter großen Schwierigkeiten nach den bereicherungsrechtlichen Regeln rückabgewickelt werden kann. Soweit die Dienstleistung bereits erbracht wurde, ist insbesondere bei Fehlschlagen der vom Dienstberechtigten erstrebten Ziele eine noch vorhandene Bereicherung (§ 818 Abs. 3) schwer zu messen. Der Dienstberechtigte könnte sich einer Wertersatzzahlung (§ 818 Abs. 2) möglicherweise mit dem Verweis auf eine Wertlosigkeit der Dienste entziehen. Dies könnte zu einer einseitigen Benachteiligung des Dienstverpflichteten führen, der seinerseits die erlangte Vergütung herausgeben müsste und eine Entreicherung häufig nicht nachweisen kann.BGH in BGHZ 41, 282 ff.

Hinweis

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Dieselbe Problematik stellt sich im Arbeitsrecht, bei anderen Dauerschuldverhältnissen im BGB sowie im Gesellschaftsrecht.

Dem BGB lässt sich allerdings auch nicht entnehmen, dass begonnene Dauerschuldverhältnisse generell nicht nach bereicherungsrechtlichen Regeln rückabgewickelt werden dürften. Ein entsprechender Vorbehalt ist weder den Anfechtungsregeln noch den §§ 812 ff. zu entnehmen.

Die wohl h.M. entscheidet wie folgt: Wird durch den Dienstvertrag eine Person ähnlich einem Arbeitnehmer zu einer regelmäßigen Dienstleistung verpflichtet,

Beispiel

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Anstellungsverträge mit Organen juristischer Personen (GmbH-Geschäftsführer, Vorstand einer AG etc).

ist nach Beginn und Invollzugsetzung des Dienstverhältnisses eine ex tunc-Wirkung der Anfechtung ausgeschlossen. Das Dienstverhältnis kann nur für die Zukunft durch jederzeit mögliche Kündigung beendet werden (Regel des „fehlerhaften Dienstverhältnisses“).BGH NJW 2000, 2983; Palandt-Weidenkaff § 611 Rn. 20. Vor Invollzugsetzung und bei sonstigen Dienstverhältnissen ist eine Beschränkung der Anfechtungsregeln hingegen nicht angezeigt.Vgl. Palandt-Weidenkaff a.a.O.; weitergehend wohl Looschelders Schuldrecht BT Rn. 556.

II. Der Primäranspruch des Dienstberechtigten

534

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Anspruch des Dienstberechtigten gem. § 611 Abs. 1 Hs. 1

I.

Anspruchsentstehung

 

 

1.

Wirksamer Dienstvertrag (siehe PS unter Rn. 517)

 

 

2.

Sonstige Voraussetzungen/rechtshindernde Einwendungen

 

 

 

a)

Eintritt einer vereinbarten Bedingung

 

 

 

b)

Anfängliche Unmöglichkeit

 

II.

Rechtsvernichtende Einwendungen, insbesondere

 

 

1.

Erfüllung und Erfüllungssurrogate (z. B. §§ 362, 364, 397)

 

 

2.

Nachträgliche Unmöglichkeit

 

 

3.

Tod des Dienstverpflichteten bei Höchstpersönlichkeit

 

 

4.

Fälle der §§ 281 Abs. 4, 355

 

 

5.

Beendigung des Dienstverhältnisses

 

 

 

a)

Fristablauf /Eintritt einer auflösenden Bedingung

 

 

 

 

 

Befristung in AGB

Rn. 585

 

 

b)

ordentliche oder außerordentliche Kündigung

 

 

 

 

 

Personenmehrheit

Rn. 599

 

 

 

 

Kündigungsklauseln in AGB

Rn. 602

 

 

c)

Aufhebungsvertrag

 

 

 

d)

(Keine) stillschweigende Fortsetzung, § 625

 

III.

Durchsetzbarkeit

 

 

1.

Fälligkeit

 

 

2.

Einreden

 

1. Anspruchsentstehung

a) Wirksamer Dienstvertrag

535

Wie bei jedem vertraglichen Primäranspruch setzt der primäre Anspruch des Dienstberechtigten auf Erbringung der Dienstleistung einen wirksamen Dienstvertrag voraus. Sie nehmen dazu die eben besprochenen Prüfungsschritte vor.

Hinweis

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Der Anspruch des Dienstberechtigten ist gem. §§ 613 S. 2, 399 Var. 1 im Zweifel nicht übertragbar. Ein Gläubigerwechsel ist damit regelmäßig ausgeschlossen.

536

Ist der Vertrag wegen seiner Ausrichtung auf sexuelle Handlungen nach § 138 Abs. 1 sittenwidrig, beachten Sie, dass der Vertrag nach § 1 ProstG vor Vornahme der Handlungen noch nicht wirksam ist und deshalb auch keinen Anspruch auf Vornahme der Handlung begründen kann (siehe dazu oben unter Rn. 530).

b) Art und Inhalt der Tätigkeit

537

Art und Inhalt der geschuldeten Tätigkeit ergeben sich aus der Vereinbarung. Verfügt der Dienstverpflichtete über eine besondere Sachkunde, soll es im Zweifel seine Aufgabe sein, Art, Inhalt und Vorgehen näher zu konkretisieren (vgl. § 315).

538

Die Tätigkeit ist gem. § 613 S. 1 im Zweifel höchstpersönlich vom Dienstverpflichteten zu erbringen. Die Dienstpflicht kann dann nicht durch Einschaltung von Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 278 erfüllt werden.

§ 613 S. 1 ist eine Auslegungsregel, so dass im konkreten Fall etwas anderes vereinbart sein kann. Eine anderweitige Vereinbarung liegt dann vor, wenn der Vertrag nicht mit einer natürlichen, also selbst handlungsunfähigen Person abgeschlossen wurde.

Beispiel

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Beratungsvertrag mit Anwaltssozietät, Bewachungsvertrag mit „Security GmbH“.

Hier ist ggf. durch Auslegung zu entscheiden, welcher Mitarbeiter tätig werden soll bzw. in welchem Rahmen das dienstverpflichtete Unternehmen die einzusetzenden Mitarbeiter auswählen kann (§ 315).

Wurde der Vertrag mit einer natürlichen Person geschlossen, ist ihr im Zweifel gestattet, Nebenleistungen, insbesondere rein technische Hilfsarbeiten durch Erfüllungsgehilfen vornehmen zu lassen.

Beispiel

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Der Rechtsanwalt kann seine Kanzleikorrespondenz durch seine Sekretärin „tippen“ lassen; der Notar kann den Beurkundungstermin durch angestellte Mitarbeiter vorbereiten lassen (Einsicht in Grundbuch, Handelsregister). In allen Fällen ist allerdings im Zweifel eine höchstpersönliche Überprüfung der Ergebnisse geschuldet.

c) Sonstige Voraussetzungen

539

Wie bei jedem Vertrag können die Parteien die Entstehung von Rechten und Pflichten aus dem Dienstvertrag von weiteren Voraussetzungen abhängig machen und den Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung oder für den Eintritt eines Termins schließen, §§ 158 Abs. 1, 163.

Beispiel

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In einem Vertrag über die Anstellung eines GmbH-Geschäftsführers wird geregelt, dass das Anstellungsverhältnis erst nach Bestellung des Dienstverpflichteten als Organ durch die Gesellschafterversammlung (vgl. §§ 35 ff., 46 Nr. 5 GmbHG) beginnen soll.

d) (Keine) Anfängliche Unmöglichkeit

540

Ist die Erbringung der Dienstleistung von Anfang an ganz oder teilweise unmöglich, ist der Anspruch auf Dienstleistung von Anfang an gem. § 275 Abs. 1 ausgeschlossen. Seine Entstehung wird durch das Leistungshindernis ganz oder teilweise „verhindert“.

Beispiel

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A bietet selbständig Lebensberatung („life coaching“) an, wobei sie ihre Ratschläge „anhand der durch Kartenlegen gewonnenen Erkenntnisse“ erteilt. Mit B vereinbart A eine solche „Beratung auf Kartenbasis“ gegen Zahlung eines bestimmten Stundenhonorars. Die von der Klägerin versprochene Leistung ist objektiv unmöglich, weil eine Beratung durch Einsatz übernatürlicher, „magischer“ oder parapsychologischer Kräfte nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann.Nach BGH Urteil vom 13.1.2011 (Az.: III ZR 87/10).

2. Rechtsvernichtende Einwendungen

a) Erfüllung und Erfüllungssurrogate

541

Der Anspruch auf Leistung der vereinbarten Dienste erlischt durch Erfüllung gem. § 362,Ausführlich zur Erfüllung und Erfüllungssurrogaten im Skript „Schuldrecht AT I“ unter Rn. 132 ff. wenn die Dienstleistung erbracht ist. Von den Erfüllungssurrogaten sind auch die Annahme einer anderen Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1) und der Erlass nach § 397 denkbar.    

b) Nachträgliche Leistungsbefreiung (§ 275)

542

Entsteht ein zur Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 1-3 führendes Leistungshindernis erst später, wird der Anspruch auf die Dienstleistung nachträglich ausgeschlossen.Siehe dazu im Skript „Schuldrecht AT II“ unter Rn. 318 ff.

Beispiel

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Sängerin S hat sich zu einem Gastauftritt auf einer Silvestergala verpflichtet. Sie erscheint jedoch nicht. Spätestens am 1.1. ist ihr die Leistungserbringung aufgrund des absoluten Fixschuldcharakters unmöglich (§ 275 Abs. 1).

 

Beispiel

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Unsere Sängerin hat ein minderjähriges Kind, für dessen Sorge sie alleine verantwortlich ist (§ 1631). Zwei Stunden vor Beginn der Vorstellung erleidet das Kind einen Unfall und braucht ihre Hilfe (§ 275 Abs. 3).

c) Tod des Dienstverpflichteten

543

Was passiert, wenn nicht der Dienstberechtigte, sondern der Dienstverpflichtete stirbt? Dieser Fall ist nur bei höchstpersönlicher Leistungspflicht einer natürlichen Person denkbar.Im Falle der Insolvenz des dienstverpflichteten Unternehmens gilt die Sonderregel des § 108 InsO.

Da die Erben des Dienstverpflichteten oder als Erfüllungsgehilfen eingeschaltete Dritte wegen der vereinbarten Höchstpersönlichkeit als Schuldner nicht in Betracht kommen, erlischt der Anspruch auf die geschuldete Tätigkeit.Palandt-Weidenkaff § 613 Rn. 1 f.; Looschelders Schuldrecht BT Rn. 600. Dogmatisch lässt sich dies durch eine nachträgliche (tatsächliche) Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1) oder durch Eintritt einer auflösenden BedingungDie Vereinbarung einer solchen Bedingung kann wiederum durch ergänzende Auslegung (§§ 133, 157) mit Hilfe der Regel des § 613 S. 1 begründet werden. (§ 158 Abs. 2) begründen.Zur auflösenden Bedingung nachfolgend unter Rn. 585 f.

d) Fälle der §§ 281 Abs. 4, 355

544

Verlangt der Dienstberechtigte bei Verzögerung oder Mangelhaftigkeit der Dienstleistung Schadensersatz statt der Leistung erlischt der Anspruch auf die Dienstleistung gem. § 281 Abs. 4. Entsprechendes gilt für die Geltendmachung des Aufwendungsersatzanspruches aus § 284.

545

Die Widerrufsrechte der §§ 312 b,c,g. erfassen ausdrücklich auch den Vertrieb von Dienstleistungen (vgl. § 312 Abs. 1). Macht der Dienstberechtigte wirksam von einem Widerrufsrecht Gebrauch, führt dies gem. § 357 Abs. 1 zu einer Umwandlung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis. Damit erlöschen die vertraglichen Primäransprüche.

546

Die Rücktrittsrechte aus §§ 323 ff. werden durch die Kündigungsmöglichkeit nach § 626 verdrängt, da § 626 die speziellere Regelung für eine Loslösung von den vertraglichen Primärpflichten darstellt.Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 3.

e) Beendigung des Dienstvertrages

547

Die Primärleistungspflichten der Parteien erlöschen für die Zukunft, wenn der Dienstvertrag (als vertragliches Schuldverhältnis i.w.S.) beendet worden ist. Als Beendigungsgründe kommen in Betracht:

Fristablauf beim wirksam befristeten Dienstvertrag, § 620 Abs. 1

Eintritt einer auflösenden Bedingung, § 158 Abs. 2

Tod des Dienstverpflichteten (siehe bereits oben)

Kündigung, §§ 621 ff.

Aufhebungsvertrag

Wir werden diese Beendigungstatbestände an gesonderter Stelle ausführlich betrachten (siehe nachfolgend unter Rn. 581 ff.). Dabei widmen wir uns auch dem Problem der stillschweigenden Verlängerung nach § 625.

3. Durchsetzbarkeit

a) Fälligkeit

548

Der Anspruch auf Dienstleistung ist im Zweifel sofort fällig (§ 271 Abs. 1), wobei die Parteien über die Leistungstermine in der Regel eine Vereinbarung treffen. Darf der Dienstverpflichtete die Art und Weise der Dienstleistung näher konkretisieren, schuldet er im Zweifel die Konkretisierung sofort und die weiteren Handlungen entsprechend seiner pflichtgemäß festzulegenden Termine (§ 315).

549

Bei laufend zu erbringender Dienstleistung tritt für jeden Zeitabschnitt kontinuierlich eine neue Fälligkeit ein.

b) Einreden

550

Dem Dienstverpflichteter steht das Zurückbehaltungsrecht aus § 320 nach der gesetzlichen Vermutung in § 614 S. 1 nicht zu, da er danach in Vorleistung treten muss (vgl. § 320 Abs. 1 S. 1 Hs. 2).Zu den Zurückbehaltungsrechten siehe im Skript „Schuldrecht AT I“ Rn. 420 ff. Sein Vergütungsanspruch wird im Zweifel erst nach Leistungserbringung fällig. Selbstverständlich steht es den Parteien frei, frühere Fälligkeitstermine („Vorkasse“) zu vereinbaren. 

551

Ein Beispiel findet sich in § 614 S. 2 für eine regelmäßig zu zahlende Vergütung, die nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten ist. Zahlt der Dienstberechtigte nach Ablauf eines Zeitabschnitts den darauf entfallenden Vergütungsteil nicht, kann der Dienstverpflichtete die Erbringung der für den nächsten Zeitabschnitt geschuldete Dienstleistung nach § 273 verweigern. § 320 ist nach h.M. nicht anwendbar, weil es insoweit an einem Gegenseitigkeitsverhältnis i.S.d. § 320 fehlt.Looschelders Schuldrecht BT Rn. 586.

552

Der Anspruch verjährt gem. § 195 in der Regelverjährungsfrist.Zur Verjährung siehe im Skript „Schuldrecht AT I“ Rn. 426 ff.

III. Der Primäranspruch des Dienstverpflichteten

553

Prüfungsschema

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Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten gem. §§ 611 Abs. 1 Hs. 2, 612

I.

Anspruchsentstehung

 

 

1.

Wirksamer Dienstvertrag (siehe PS unter Rn. 517)

 

 

2.

Sonstige Voraussetzungen/rechtshindernde Einwendungen

 

 

 

a)

Eintritt einer vereinbarten Bedingung

 

 

 

b)

Anfängliche Befreiung wegen anfänglicher Unmöglichkeit (§ 326)

 

 

 

 

 

Verträge über irrationale Leistungen

Rn. 562

II.

Rechtsvernichtende Einwendungen, insbesondere

 

 

1.

Erfüllung und Erfüllungssurrogate (z. B. §§ 362, 364, 397)

 

 

2.

Sonderfall des § 300 Abs. 2

 

 

3.

Nachträgliche Befreiung wegen nachträglicher Unmöglichkeit (§ 326)

 

 

 

 

Sondertatbestände der §§ 615 f.

Rn. 567 ff

 

4.

Fälle der §§ 281 Abs. 4, 355

 

 

5.

Beendigung des Dienstverhältnisses (siehe Rn. 581 ff.)

 

III.

Durchsetzbarkeit

 

 

1.

Fälligkeit

 

 

2.

Einreden

 

1. Anspruchsentstehung

a) Wirksamer Dienstvertrag

554

Der Anspruch setzt zunächst einen wirksamen Dienstvertrag voraus. Der Dienstberechtigte wird dadurch zur Gewährung der Vergütung für die vereinbarten Dienste verpflichtet. Die Vergütung besteht regelmäßig in Geld. Es sind aber auch Sachleistungen denkbar.

Beispiel

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Überlassung eines PKW zur privaten Nutzung (= Zuwendung einer Nutzungsmöglichkeit) als Vergütungsteil beim Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers.

555

Expertentipp

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Vgl. dazu die Parallelvorschrift beim Werkvertrag in § 632.

Auch wenn die Parteien über eine Vergütung der Dienstleistung keine Vereinbarung getroffen haben, „gilt“ eine solche „als stillschweigend vereinbart“, wenn die Leistung nach den Umständen nur gegen Vergütung zu erwarten war (§ 612 Abs. 1).Siehe dazu oben unter Rn. 523.

556

Fehlt auch eine Vereinbarung der Vergütungshöhe, so gilt gem. § 612 Abs. 2 vorrangig die taxmäßige Vergütung, subsidiär die übliche als vereinbart.

Definition

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Definition: Taxe

Taxe ist ein nach Bundes- oder Landesrecht hoheitlich festgelegter Preis, z. B. das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.Palandt-Weidenkaff § 612 Rn. 7.

Üblich ist die Vergütung, die nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise für eine vergleichbare Dienstleistung zur Zeit des Vertragsschlusses am Ort der Dienstleistung gewährt zu werden pflegt.Palandt-Weidenkaff § 612 Rn. 8.

Beispiel

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Die Vergütung eines Rechtsanwalts kann vertraglich ausdrücklich in Textform (§ 3a Abs. 1 RVG) als Pauschalhonorar oder Erfolgshonorar gem. § 49b Abs. 2 BRAO, § 4a RVG) vereinbart werden. Bei Verstoß gegen die Sonderregeln der § 3a Abs. 1 S. 1 und 2 oder des § 4a Abs. 1 und 2 RVG kann der Rechtsanwalt nach § 4b S. 1 RVG nur die gesetzliche Vergütung fordern. Der Vertrag bleibt im Übrigen wirksam. Wegen § 612 ist die gesetzliche Vergütung auch dann geschuldet, wenn die Parteien gar keine Vergütungsvereinbarung getroffen haben.

557

Lässt sich auch eine „übliche“ Vergütung nicht ermitteln, kommt als Lösung noch in Betracht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine „angemessene“ Vergütung als geschuldet anzusehen oder die Vereinbarung einer einseitigen Vergütungsbestimmung nach § 315 anzunehmen.BGH Urteil vom 4.4.2006 (Az.: X ZR 122/05) = NJW 2006, 2472 ff.; Palandt-Sprau § 632 Rn. 17.

558

Ist der Vertrag wegen seiner Ausrichtung auf sexuelle Handlungen nach § 138 Abs. 1 sittenwidrig, beachten Sie, dass der Vertrag einseitig zum Zwecke der Begründung einer (noch nicht erfüllten) Vergütungsforderung nach § 1 ProstG noch wirksam werden kann (siehe dazu oben unter Rn. 530).

559

Im Falle des wucherischen oder wucherähnlichen Dienstvertrages führt die Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 bzw. Abs. 2 dann nicht zur vollständigen Unwirksamkeit, sondern lediglich zu einer Nichtigkeit der Preisabsprache, wenn die bewucherte Partei besonders schutzbedürftig ist und sich die angemessene Vergütung anhand objektiver Kriterien bestimmen lässt.Palandt-Ellenberger § 138 Rn. 18.

Beispiel

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Wucherische Preisabsprachen zwischen Rechtsanwalt und seinen Mandanten oder seinen freien Mitarbeitern(!).Vgl. die im Beschluss des BGH vom 30.11.2009 (Az.: AnwZ (B) 11/08) nachzulesenden negativen Auswüchse bei der Vergütung anwaltlicher Mitarbeiter.

b) Sonstige Voraussetzungen

560

Wie beim Primäranspruch des Dienstberechtigten sind auch hier sonstige Voraussetzungen in Form einer aufschiebenden Bedingung oder eines vereinbarten Anfangstermins zu prüfen, §§ 158 Abs. 1, 163.

561

Anders als der Anspruch auf die Dienstleistung ist der Vergütungsanspruch des Dienstberechtigten grundsätzlich abtretbar. Im Falle einer Abtretung ist bei Geltendmachung des Anspruchs durch den Zessionar die Wirksamkeit der Abtretung zusätzlich zu prüfen.Siehe dazu ausführlich im Skript „Schuldrecht AT I“ unter Rn. 46 f. Bestimmte Dienstleister, die der strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht (vgl. § 203 StGB) unterliegen, können ihre Honoraransprüche ohne Zustimmung des Dienstberechtigten nicht wirksam abtreten.   

Beispiel

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Honoraransprüche der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechts- und Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater.

Eine dennoch vereinbarte Abtretung ist nach § 134 i.V.m. § 203 StGB wegen des nach § 402 vorprogrammierten Geheimnisverrats nichtig.Siehe dazu ausführlich im Skript „BGB AT II“ Rn. 287.

c) Anfängliche Unmöglichkeit der Dienstleistung (§ 326)

562

War die vereinbarte Dienstleistung von Anfang an unmöglich, entfällt gem. § 326 Abs. 1 S. 1 von Anfang an die Vergütungspflicht. Allerdings kann die Wirkung des § 326 Abs. 1 durch Individualvereinbarung ausgeschlossen werden.Palandt-Grüneberg § 326 Rn. 6.

Beispiel

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Nehmen wir noch einmal das Beispiel der Kartenlegerin von Rn. 540.

Die dort vereinbarte Beratung durch Einsatz übernatürlicher, „magischer“ oder parapsychologischer Kräfte kann nach den Naturgesetzen und nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden. Nach § 275 Abs. 1 ist damit ein klagbarer Anspruch auf eine solche Dienstleistung von Anfang an ausgeschlossen.

Nehmen wir an, der entsprechende Dienstvertrag sei von beiden Seiten freiverantwortlich aus bewusster Überzeugung geschlossen worden und deshalb nicht nach § 138 Abs. 1 nichtig. Dann stellt sich die Frage, ob damit auch der Vergütungsanspruch automatisch nach § 326 Abs. 1 S. 1 nicht zur Entstehung gelangen konnte.

Nach § 311a Abs. 1 steht die anfängliche Unmöglichkeit der Dienstleistung der Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegen. Auch die Wirkung des § 326 Abs. 1 S. 1 ist nicht zwingend, sondern abdingbar. Die Vertragspartner können deshalb im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit wirksam vereinbaren, dass eine Seite sich – gegen Entgelt – dazu verpflichtet, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren subjektiven Überzeugung entsprechen. „Erkauft“ sich jemand bewusst derartige „irrationale“ Leistungen, will er eine nicht einklagbare Leistung vergüten.BGH Urteil vom 13.1.2011 (Az.: III ZR 87/10) = BGHZ 188, 71 ff. = NJW 2011, 756. Dann ist der Vergütungsanspruch nicht von Anfang an entfallen, sondern aufgrund der Vereinbarung entstanden.

2. Rechtsvernichtende Einwendungen

a) Erfüllung und Erfüllungssurrogate

563

Der Anspruch auf die Vergütung erlischt nach den allgemeinen Regeln durch Erfüllung (§ 362), nach den Tatbeständen der Erfüllungssurrogate (§§ 364 Abs. 1, 389, 397) oder bei sonstiger Leistung mit befreiender Wirkung (z.B. § 407).Siehe dazu ausführlich im Skript „Schuldrecht AT I“ Rn. 261 ff.

b) Sonderfall des § 300 Abs. 2

564

Insbesondere wenn eine Vergütung in Geld geschuldet ist, kommt auch eine Leistungsbefreiung nach § 300 Abs. 2 in Betracht. § 300 Abs. 2 regelt die Leistungsgefahr im Fall der Vorrats- und Gattungsschuld.Palandt-Grüneberg § 300 Rn. 3.

Hinweis

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Die Vorschrift hat nur in wenigen Fällen eigenständige Bedeutung. Denn in der Regel ist die Frage der Leistungsgefahr bei Gattungsschulden vor Eintreten des Annahmeverzuges bereits durch eine Konkretisierung gem. § 243 Abs. 2 beantwortet. Annahmeverzug setzt ein Anbieten des leistungsbereiten Schuldners nach §§ 293 ff. voraus, welches regelmäßig nur möglich ist, wenn der Schuldner vorher das seinerseits zur Leistung erforderliche getan hat. Die Leistungspflicht beschränkt sich dann gem. § 243 Abs. 2 auf das ausgesonderte und später angebotene Stück, so dass im Falle eines Untergangs oder einer Verschlechterung dieses Stücks § 275 zur Anwendung kommt.

Die Vorschrift ist auf Geldschulden analog anwendbar. Bei diesen ist wegen § 270 Abs. 1 eine Konkretisierung nach § 243 Abs. 2 ausgeschlossen. Die Anwendung des § 275 Abs. 1 scheidet daher selbst bei Aussonderung und Absendung ausreichender Barmittel aus.Palandt-Grüneberg § 300 Rn. 7.

Beispiel

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Mandant M will dem Rechtsanwalt R zur Tilgung seiner Honorarschuld den Geldbetrag nach Abschluss des Mandats und nach einer entsprechenden Ankündigung seines Besuchs bar vorbeibringen. R ist trotz der Verabredung nicht da und befindet sich deshalb nach §§ 293, 294, 299 Hs. 2 im Annahmeverzug. Wird dem M das Geld nun ohne sein Verschulden (zum Haftungsmaßstab vgl. § 300 Abs. 1) gestohlen, wird er von seiner Zahlungspflicht analog § 300 Abs. 2 frei.

c) Nachträgliche Unmöglichkeit der Dienstleistung

aa) Allgemeine Regel (§ 326)

565

Bei nachträglicher Unmöglichkeit der Dienstleistung kommt grundsätzlich § 326 Abs. 1 S. 1 zur Anwendung: ohne Tätigkeit keine Vergütung.Ausführlich zu § 326 im Skript „Schuldrecht AT II“ Rn. 366 ff. Im Falle geleisteter Vorauszahlungen folgt aus § 326 Abs. 4 ein eigenständiger Rückerstattungsanspruch. Der Dienstverpflichtete trägt bis zur Erfüllung seiner Tätigkeit grundsätzlich die Preisgefahr.    

Hinweis

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Bei Verzögerung der Dienstleistung folgt dies im Ergebnis faktisch aus § 614 (noch keine Fälligkeit der Vergütung).

Beachten Sie auch, dass die Wirkung des § 326 Abs. 1 vertraglich ausgeschlossen werden kann (siehe oben unter Rn. 562).

566

Sehen wir uns die Konsequenzen aus den oben bereits behandelten Grundfällen zur nachträglichen Unmöglichkeit an:

Beispiel

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Sängerin S hat sich zu einem Gastauftritt auf einer Silvestergala verpflichtet. Sie erscheint jedoch nicht. Spätestens am 1.1. ist ihr die Leistungserbringung aufgrund des absoluten Fixschuldcharakters unmöglich (§ 275 Abs. 1).

Sie kann die vereinbarte Gage nach § 326 Abs. 1 S. 1 nicht mehr fordern. Etwas anders gilt nach § 326 Abs. 2 S. 1 Var. 1, wenn der Veranstalter entgegen der Vereinbarung die Flüge nicht gebucht hat und S deshalb nicht mehr rechtzeitig erscheinen konnte.

Beispiel

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Unsere Sängerin hat ein minderjähriges Kind, für dessen Sorge sie alleine verantwortlich ist (§ 1631). Zwei Stunden vor Beginn der Vorstellung erleidet das Kind einen Unfall und braucht ihre Hilfe (§ 275 Abs. 3).

S kann keine Gage mehr beanspruchen (§ 326 Abs. 1 S. 1), es sei denn der Veranstalter hätte den Unfall zu verantworten (§ 326 Abs. 2 S. 1 Var. 1).

Beispiel

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Sängerin S hat sich zu Auftritten auf vier Konzerten verpflichtet. Nach dem 1. Konzert verstirbt sie. Ihre Erben können nur den Vergütungsanspruch für das erste Konzert geltend machen. Wegen der drei weiteren Konzerte ist die Vertragserfüllung wegen höchstpersönlicher Leistungspflicht der S nachträglich unmöglich geworden und der Vergütungsanspruch insoweit gem. § 326 Abs. 1 S. 1 teilweise entfallen. Zum selben Ergebnis gelangt man mit dem Ansatz, der Dienstvertrag sei mit dem Tod (auflösende Bedingung) für die Zukunft, also die drei Konzerte, erloschen.

bb) Annahmeverzug des Dienstberechtigten, § 615

567

Die besonderen Vorschriften des Dienstvertragsrechts enthalten mit §§ 615 f. Regeln, die § 326 als lex specialis vorgehen.Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 4; Looschelders Schuldrecht BT Rn. 593 f. Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug (§§ 293 ff.), kann der Dienstverpflichtete nach § 615 S. 1 für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.  

Hinweis

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Wie § 326 kann auch § 615 durch Vereinbarung ausgeschlossen werden.Palandt-Weidenkaff § 615 Rn. 6.

(1) Annahmeverzug des Dienstberechtigten

568

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Annahmeverzug des Dienstberechtigten gem. §§ 293 ff.

I.

Nichtannahme der wie geschuldet angebotenen Leistung

 

1.

Tatsächliches Angebot der Leistung, § 294

 

2.

Keine Annahme der Leistung durch Dienstberechtigten, § 293

 

3.

oder kein zeitgleiches Angebot einer fälligen Vorauszahlung, § 298

 

4.

Ausnahme bei ungewissem Leistungstermin, § 299

II.

Vorzeitige Ablehnung der Leistung durch Dienstberechtigten

 

1.

Ablehnung der Leistungsannahme, § 295

 

2.

Wörtliches Angebot des Dienstverpflichteten, § 295

 

3.

Leistungsfähigkeit des Dienstverpflichteten, § 297

III.

Unterbliebene Mitwirkungshandlung des Dienstberechtigten

 

1.

Kalendermäßig bestimmbarer Mitwirkungstermin, § 296

 

2.

oder Aufforderung durch Dienstverpflichteten, § 295

 

3.

Keine Vornahme der Mitwirkungshandlung

 

4.

Leistungsfähigkeit des Schuldners, § 297

569

Expertentipp

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Wiederholen Sie an dieser Stelle noch einmal die Grundregeln des Annahmeverzuges.

§ 615 setzt einen Annahmeverzug des Dienstberechtigten nach §§ 293 ff. voraus. Zum Zwecke der Wiederholung finden Sie die einzelnen Varianten im vorstehenden Prüfungsschema. Nehmen wir uns zu jeder Variante ein Beispiel:

Beispiel

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Sängerin S erscheint zum vereinbarten Termin an der Konzerthalle. Der Veranstalter hat die Aufführung jedoch abgesagt.

 

Beispiel

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Vermieter V hat die H GmbH als Hausverwalterin für seine Mietwohnungen eingesetzt. Die H erhält hierfür eine monatliche Pauschalvergütung in Höhe von € 1000. Der entsprechend zwischen den beiden geschlossene Geschäftsbesorgungs-Dienstvertrag ist zum 31. Dezember befristet. Im November kommt es zwischen den Parteien zum Streit, da V der H einige Pflichtverletzungen vorwirft. Der Geschäftsführer der H meint, man werde in Zukunft sicher zur Zufriedenheit des V arbeiten. V weist dies zurück und beharrt auf einer Regelung über die sofortige Aufhebung des Verwaltervertrages. Als der Geschäftsführer von H dazu seine Zustimmung verweigert, erklärt V ihm gegenüber die fristlose Kündigung. H reagiert nicht weiter und stellt ihre Tätigkeit ein. Sie verlangt unter Hinweis auf Annahmeverzug des V am 31.12. die gesamte Restvergütung abzüglich ersparter Aufwendungen unter Berufung auf § 615 S. 1. Ein solcher Anspruch besteht hier jedoch nicht, wobei dahin gestellt bleiben kann, ob V überhaupt zur Kündigung berechtigt war. Es liegen nämlich die Voraussetzungen des Annahmeverzuges nicht vor. H hatte zwar der V ihre Leistungen im Gesprächstermin angeboten. Zu diesem Zeitpunkt hatte V die Annahme der Leistungen von H aber noch gar nicht verweigert. Dies geschah erst konkludent durch Ausspruch der fristlosen Kündigung. Im Anschluss daran hat H der V ihre Leistungen auch wörtlich nicht mehr angeboten (§ 295). Ein solches Angebot war hier nicht vorneherein sinnlos, da nicht auszuschließen ist, dass V sich bei „Gegenwehr“ der H anders verhalten und den Vertrag „sicherheitshalber“ zumindest vorübergehend durchgeführt hätte.

Beispiel

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Schüler S erscheint nicht zum vereinbarten Unterrichtstermin bei seinem Privatlehrer, so dass ihm der Unterricht nicht erteilt werden kann. Kein Annahmeverzug läge wegen § 297 vor, wenn der Lehrer selber den Termin versäumt hätte.

(2) Nichtleistung der Dienste infolge Annahmeverzug

570

Bei zeitgebundenen Dienstleistungen mit absolutem Fixschuldcharakter ist die Tätigkeit nach Zeitablauf nicht mehr nachholbar. Die Dienstleistung wird unmöglich i.S.d. § 275 Abs. 1. § 615 S. 1 erhält dem Dienstberechtigten als lex specialis zu § 326 Abs. 2 S. 1 Var. 2 seinen Vergütungsanspruch.

571

Ist die Dienstleistung hingegen nachholbar,

Beispiel

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Schüler S erscheint nicht zum vereinbarten Unterrichtstermin bei seinem Privatlehrer. Der Unterricht kann nachgeholt werden.

befreit § 615 S. 1 den Dienstverpflichteten von einer Nachholung der unterbliebenen Tätigkeit und erhält ihm gleichwohl den Vergütungsanspruch.

(3) Anrechnung gem. § 615 S. 2

572

Der Dienstverpflichtete muss sich jedoch von seiner Vergütung den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.Siehe dazu den Übungsfall Nr. 1 unter Rn. 620 f.

Hinweis

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Beachten Sie im Arbeitsrecht noch die Sonderregel des § 615 S. 3.Siehe dazu im Skript  „Arbeitsrecht“ Rn. 215 ff.

cc) Vorübergehende Verhinderung, § 616

573

Entgegen § 326 Abs. 1 S. 1 verliert der zur Dienstleistung Verpflichtete seinen Anspruch auf die Vergütung nicht dadurch, dass er für eine verhältnismäßig unerhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Erfüllung seiner Dienstleistung verhindert und diese dadurch teilweise unmöglich wird.

Beispiel

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Erkrankt der Geschäftsführer einer GmbH und fällt deshalb 1 Woche aus, schmälert dies seinen Vergütungsanspruch nicht. Etwas anderes gilt dann, wenn er sich dem Risiko der Erkrankung schuldhaft ausgesetzt hat (etwa durch exzessiven Alkoholkonsum).

Beispiel

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Erscheint der Privatlehrer wegen Krankheit am vereinbarten Unterrichtstermin nicht, liegt keine unerhebliche Verhinderung vor, wenn der ganze Termin ausfällt.Looschelders Schuldrecht BT Rn. 598. Verspätet er sich hingegen wegen eines Verkehrsstaus und kann der Termin deshalb nur verkürzt stattfinden, greift § 616 ebenfalls nicht ein. Der Verhinderungsgrund liegt nicht in der Person des Lehrers begründet.  

574

Der Dienstberechtigte muss sich gem. § 616 S. 2 den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.

dd) Sonstige rechtsvernichtende Einwendungen

575

Schließlich entfällt der Vergütungsanspruch entsprechend den Ausführungen oben unter Rn. 544 ff. bei Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung oder Aufwendungsersatz (§ 284) wegen § 281 Abs. 4, bei der wirksamen Ausübung eines Widerrufs nach § 355.

576

Bei Beendigung des Dienstverhältnisses für die Zukunft durch

Fristablauf beim wirksam befristeten Dienstvertrag, § 620 Abs. 1

Eintritt einer auflösenden Bedingung, § 158 Abs. 2

Tod des Dienstverpflichteten (siehe bereits oben)

Kündigung, §§ 621 ff.

Aufhebungsvertrag

entfällt der Vergütungsanspruch, soweit noch keine Tätigkeit erbracht wurde. Für die in der Vergangenheit geleisteten Dienste bleibt er hingegen bestehen. Hier kann der Dienstverpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen.

577

Diesen Grundsatz schränkt allerdings § 628 für den Fall einer außerordentlichen Kündigung des Dienstverpflichteten nach §§ 626, 627 ein: Kündigt der Dienstverpflichtete, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst der durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teiles, so steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. Ist die Vergütung für eine spätere Zeit im Voraus entrichtet, so hat der Verpflichtete sie nach Maßgabe des § 346 oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstands erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten.

Beispiel

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Rechtsanwalt R kündigt mitten im Prozess das Mandat wegen Arbeitsüberlastung. Der Mandant muss sich nun durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lassen, dessen Honorar nach den gesetzlichen Gebührentatbeständen in identischer Höhe noch einmal anfällt. Zumindest dann, wenn R durch seine Tätigkeit keine zwingenden Fristen gewahrt hat, sind seine bisherigen Dienste für den Mandanten wertlos. Er verliert seinen Honoranspruch, sofern er nichts anderes mit dem Mandanten vereinbart hatte.

3. Durchsetzbarkeit

578

Die Vergütung wird nach § 614 S. 1 im Zweifel erst nach Leistungserbringung fällig. Die Parteien können selbstverständlich andere Termine vereinbaren. Bei vereinbarter Zahlung nach Zeitabschnitten ist die Vergütung gem. § 614 S. 2 im Zweifel nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten.

579

Wenn der Dienstberechtigte mangels abweichender Vereinbarung vorzuleisten hat, kommt es auf das Zurückbehaltungsrecht aus § 320 nicht an.

580

Der Anspruch verjährt nach den allgemeinen Regeln gem. § 195 in drei Jahren, wobei sich Fristbeginn und -ablauf nach den §§ 199 ff. richten.

IV. Beendigung des Dienstvertrages für die Zukunft

581

Die Primärleistungspflichten der Parteien erlöschen für die Zukunft, wenn der Dienstvertrag (als vertragliches Schuldverhältnis i.w.S.) beendet worden ist. Dies wurde bei der Darstellung der Primäransprüche bereits erwähnt.

582

Nun wollen wir uns die Tatbestände im Einzelnen ansehen. Als Beendigungsgründe kommen in Betracht:

Fristablauf beim wirksam befristeten Dienstvertrag, § 620 Abs. 1

Eintritt einer auflösenden Bedingung, § 158 Abs. 2

Tod des Dienstverpflichteten (siehe Rn. 540)

Kündigung, §§ 621 ff.

Aufhebungsvertrag.

1. Fristablauf/Eintritt einer auflösenden Bedingung

a) Befristung

583

Wird ein Dienstvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen, endet das vertragliche Schuldverhältnis durch Kündigung, vgl. § 620 Abs. 2. Die Parteien können aber auch einen fixen Endtermin vereinbaren, an dem der Dienstvertrag seine Wirkung verlieren soll. Das Dienstverhältnis endet dann automatisch an diesem Termin, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf, vgl. § 620 Abs. 1. Aus § 620 Abs. 1, 2 ergibt sich weiter, dass im Fall einer Befristung die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist.

584

Schließen die Parteien einen befristeten Dienstvertrag mit festgelegtem Endtermin, erlöschen die Primäransprüche der Parteien mit Fristablauf für die Zukunft. Der Fristablauf ist also rechtsvernichtende Einwendung gegen die wechselseitigen Primäransprüche.

Hinweis

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Für die Befristung von Arbeitsverträgen gelten besondere Bestimmungen.Siehe dazu im Skript „Arbeitsrecht“ Rn. 258 ff.

585

Expertentipp

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Lesen Sie jetzt die Regelung in § 309 Nr. 9 nach.

Die Befristung beendet den Dienstvertrag aber nur, wenn sie wirksamer Bestandteil des Vertrages ist. Bei Verwendung von AGB kann eine unangemessen lange Bindung nach §§ 307 ff. unwirksam sein. Der Dienstvertrag ist dann im Übrigen wirksam und läuft auf unbestimmte Zeit (§ 306 Abs. 1). Mangels wirksamer Befristung kann der Dienstvertrag ordentlich gekündigt werden.

Ist das Dienstverhältnis zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher auf die regelmäßige Erbringung von Dienstleistung gerichtet, gilt für den Unternehmer das besondere Klauselverbot in § 309 Nr. 9a und b.

Beispiel

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Ist in einem Vertrag über die laufende Erbringung von Unterrichtsleistungen durch AGB des Unternehmers eine Mindestlaufzeit von mehr als zwei Jahren festgelegt (etwa „3 Jahres-Rep“), ist die Befristungsklausel nach § 309 Nr. 9a unwirksam.

Hinweis

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Bei Verwendung einer solchen Klausel gegenüber einem Unternehmer (etwa Vertrag eines Unternehmers über laufende Buchführung mit Steuerberater enthält 3 Jahres – Klausel), gilt § 309 Nr. 9 wegen § 310 Abs. 1 nicht direkt. Die dort enthaltenen Bestimmungen können auch nicht über §§ 310 Abs. 1, 307 Abs. 1 entsprechend angewendet werden.Palandt-Grüneberg § 309 Rn. 96. Hier muss über die Unangemessenheit i.S.d. § 307 Abs. 1 je nach Einzelfall entscheiden werden.    

b) Eintritt einer auflösenden Bedingung

586

Vereinbaren die Parteien im Dienstvertrag eine auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2), knüpfen sie das Ende des Dienstvertrages nicht wie bei der Befristung an das Erreichen eines bestimmten Termins, sondern an den ungewissen Eintritt eines bestimmten Ereignisses.

Beispiel

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Im Anstellungsvertrag mit einem GmbH-Geschäftsführer wird vereinbart, dass der Vertrag mit Widerruf seiner Bestellung durch die Hauptversammlung enden soll (vgl. §§ 38, 46 Nr. 5 GmbHG).

587

Da der Eintritt der auflösenden Bedingung ungewiss ist, ist der Dienstvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann vor Bedingungseintritt nach den allgemeinen Regeln durch Kündigung vorzeitig beendet werden. Das Dienstverhältnis endet jedoch spätestens mit Bedingungseintritt, § 158 Abs. 2.

2. Kündigung

588

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Kündigung des Dienstvertrages

I.

Kündigungserklärung

 

II.

Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen (z. B. §§ 125, 174, 180)

 

III.

Kündigungsbefugnis

 

 

 

Personenmehrheiten

Rn. 599

 

1.

Ordentliches Kündigungsrecht bei unbestimmter Laufzeit

 

 

 

 

Kündigungsklausel in AGB

Rn. 602

 

2.

Außerordentliches Kündigungsrecht

 

 

 

a)

aus wichtigem Grund, § 626

 

 

 

b)

Sonderfall des § 627

 

a) Wirkung der Kündigung

589

Die Kündigung eines Dienstvertrages beendet den Vertrag für die Zukunft. Der Vertrag bleibt für den bis zur Kündigung erbrachten Zeitraum wirksam und für die in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen als Rechtsgrund erhalten.

590

Bei Kündigung eines auf Dauer angelegten Dienstverhältnisses hat der Dienstberechtigte dem Dienstverpflichteten auf Verlangen angemessene Freizeit zum Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses zu gewähren, § 629.

Außerdem kann der Verpflichtete von dem Berechtigten gem. § 630 ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistungen und die Führung im Dienst zu erstrecken.

b) Ausübung durch Kündigungserklärung

591

Da es sich bei der Kündigung um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt, muss zunächst geprüft werden, ob und welche Kündigung durch eine wirksame Kündigungserklärung ausgeübt worden istVgl. zum Prüfungsaufbau bei einseitigen Rechtsgeschäften im Skript „BGB AT I“ unter Rn. 75 ff. Dies kann eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung nach §§ 626, 627 sein.

592

Die Kündigungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die durch Zugang beim anderen Vertragspartner wirksam wird.Siehe zur Prüfung einer Willenserklärung im Skript „BGB AT I“ unter Rn. 66 ff. Mit der Kündigungserklärung macht der Erklärende deutlich, das Dienstverhältnis für die Zukunft einseitig – sofort oder zu einem bestimmten Termin – beenden zu wollen. Gegebenenfalls ist die Erklärung nach §§ 133, 157 auszulegen. Unter den Voraussetzungen des § 140 kommt auch eine Umdeutung in Betracht.Siehe dazu im Skript „BGB AT II“ unter Rn. 465 ff.

593

Die Kündigung ist als Gestaltungsrecht bedingungsfeindlich. Eine unbestimmt befristete oder bedingte Kündigung ist daher unwirksam.Medicus Allgemeiner Teil des BGB Rn. 89 f.

Beispiel

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Mandant M erklärt gegenüber seinem Rechtsanwalt die Kündigung des Mandats unter der Bedingung, dass er „einen geeigneten Ersatz findet“.

c) Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen

594

Auf die Kündigung sind die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen für einseitige Rechtsgeschäfte anwendbar.Siehe dazu ausführlich im Skript „BGB AT II“ unter Rn. 6 ff Im Falle einer Vertretung sind die §§ 174, 180 zu beachten.      .

595

Einer besonderen Form bedarf die Kündigung eines freien Dienstvertrages nach den gesetzlichen Regelungen nicht, so dass eine Nichtigkeit wegen Verletzung eines gesetzlichen Formgebots nach § 125 S. 1 ausscheidet.

Hinweis

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Bei Arbeitsverträgen beachten Sie aber die besondere Formvorschrift des § 623.

596

Den Parteien steht es frei, im Dienstvertrag für die Kündigung selber Formgebote zu vereinbaren. Legen die Parteien mit der Form zugleich eine Wirksamkeitsvoraussetzung fest, was nach § 125 S. 2 vermutet wird, führen Verstöße gegen die vertraglich vereinbarte Form ebenfalls zur Nichtigkeit.Siehe dazu im Skript „BGB AT II“ unter Rn. 263 ff.

Beispiel

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Ein Unternehmensberater vereinbart mit seinem Kunden, dass die Kündigung ihres Dienstvertrages nur „schriftlich“ erfolgen kann. Kurz darauf erklärt der Kunde die Kündigung per Fax. Die Parteien haben für die Kündigung gem. § 125 S. 2 im Zweifel die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung vereinbartVgl. BGH Urteil vom 21.1.2004 (Az.: XII ZR 214/00) unter Ziff. II 1 = NJW 2004, 1320. Anders als bei der gesetzlich angeordneten Schriftform wahrt das Fax im Zweifel aber die vertraglich vereinbarte Schriftform, § 127 Abs. 2 S. 1. Die Kündigung per Fax verletzt die vereinbarte Form daher nicht.    

597

Die Kündigung bedarf keiner besonderen Begründung, selbst nicht im Fall der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund. Vielmehr sieht § 626 Abs. 2 S. 3 für diesen Fall lediglich als sekundäre Leistungspflicht einen Anspruch auf schriftliche Erklärung vor, dem auf Verlangen des anderen Teils unverzüglich nachgekommen werden muss. Seine Nichterfüllung führt nicht etwa zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern löst Ansprüche wegen Pflichtverletzung nach §§ 280 ff. aus.Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 32.

d) Kündigungsbefugnis

aa) Allgemeines

598

Die Kündigungserklärung führt dann zur Beendigung des Dienstverhältnisses, wenn die kündigende Partei auch zur Kündigung berechtigt ist.

599

Fraglich ist, welche Wirkung die Kündigung nur einer Person hat, wenn mehrere Personen den Vertrag geschlossen haben.

Beispiel

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A und B haben beide eine Wohnung an den M vermietet. Da M seine Miete nicht bezahlt, beauftragen sie Rechtsanwalt R mit der Wahrnehmung ihrer Rechte. Da R nach Auffassung des A nicht „genügend Druck macht“ erklärt er gegenüber R „seine Kündigung“. B findet das zurückhaltende Vorgehen des R jedoch „taktisch sinnvoll“.

Aus § 425 Abs. 2 könnte man folgen, dass die Kündigung eines Vertragspartners möglich ist, aber nur die Wirkung hat, dass das Dienstverhältnis ihm gegenüber beendet und zwischen den anderen Personen fortgesetzt wird. Jedoch ist mit der Kündigung i.S.d. § 425 Abs. 2 nur die sog. „Fälligkeitskündigung“, beispielsweise nach § 488 Abs. 3 S. 1, gemeint ist und nicht die Kündigung zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen.Palandt-Grüneberg § 425 Rn. 2. Da das Geschäftsbesorgungs-Dienstverhältnis im Beispiel einheitlich zwischen den Mandanten A und B einerseits und dem Rechtsanwalt R andererseits zustande gekommen ist, kann es nach allgemeiner Auffassung von den Parteien auch nur einheitlich gekündigt werden, also durch Erklärung des Rechtsanwaltes gegenüber sämtlichen Mandanten einerseits und umgekehrt durch die Erklärung sämtlicher Mandanten gegenüber dem Rechtsanwalt.Palandt-Grüneberg § 425 Rn. 15. Etwas anderes kann sich nur aus einer entsprechenden Vereinbarung ergeben.

Im Beispiel ist die Kündigung des A unwirksam, da er das gemeinschaftlich mit B eingegangene Dienstverhältnis nicht alleine kündigen kann. Eine entsprechende Befugnis sieht der Vertrag nicht vor. Die Kündigung könnte also nur dann wirksam sein, wenn der A die Kündigung auch im Namen und mit Vollmacht (§ 180 S. 1!) des B erklärt hätte.    

Hinweis

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Bitte beachten Sie in derartigen Fällen, dass natürlich nicht alle Personen aktiv werden müssen, um die Kündigung auszusprechen. Vielmehr können sie nach den allgemeinen Regeln vertreten werden. Beachten Sie dabei auch die Sonderregel des § 174!

bb) Ordentliche Kündigung, § 621

(1) Keine wirksame Befristung

600

Expertentipp

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Beachten Sie hier die parallele Problematik bei anderen Dauerschuldverhältnissen, z.B. im Mietrecht (§ 542).

Das Recht zur ordentlichen Kündigung setzt voraus, dass das Dienstverhältnis nicht wirksam befristet ist (siehe oben unter Rn. 583 f.). Andernfalls ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen, da das Dienstverhältnis dann grundsätzlich erst durch Zeitablauf endet, § 620 Abs. 1.

(2) Frist

601

Expertentipp

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Lesen Sie an der Stelle einmal die Regelungen des § 621 durch.

Für die ordentliche Kündigung eines freien Dienstvertrages gilt im Zweifel der Fristenkatalog des § 621 mit den recht kurzen, an die Vergütungsperioden gekoppelten Fristen. Bei Pauschalhonoraren oder Provisionsvergütungen ist die ordentliche Kündigung nach § 621 Nr. 1 Hs. 1 sogar „fristlos“ möglich.

Hinweis

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Im Arbeitsrecht gelten die besonderen Bestimmungen des § 622.Vgl. dazu im Skript „Arbeitsrecht“ unter Rn. 354 ff.

Für die Dienstverträge von Organen einer GmbH oder AG gilt aufgrund vergleichbarer Interessenlage allerdings nicht § 621 Nr. 3, sondern § 622 analog.Palandt-Weidenkaff § 621 Rn. 1.  

602

Die Regelungen des § 621 sind dispositiv.Palandt-Weidenkaff § 621 Rn. 2. Eine abweichende Regelung durch AGB kann bei zu starker Verlängerung der Kündigungsfristen nach §§ 307 ff. unwirksam sein. Es gelten dann die Fristen nach § 621 (§ 306 Abs. 1, 2). 

Ist das Dienstverhältnis zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher auf die regelmäßige Erbringung von Dienstleistung gerichtet, ist wieder an das besondere Klauselverbot in § 309 Nr. 9a und c zu denken.

Beispiel

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In einem Vertrag über regelmäßige Unterrichtsleistungen wird durch AGB des Schulungsunternehmens eine Kündigungsfrist von vier Monaten zum Jahresende vereinbart. Diese Klausel ist nach § 309 Nr. 9c unwirksam.

cc) Außerordentliche Kündigung, §§ 626, 627

(1) Allgemeines

603

Jede Partei kann das Dienstverhältnis gem. §§ 626, 627 außerordentlich kündigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Dienstverhältnis befristet war oder nicht.Vgl. Palandt-Weidenkaff § 620 Rn. 9 f.

604

Ob eine Partei außerordentlich kündigen will, ist ihrer Erklärung zu entnehmen und im Zweifel durch Auslegung nach §§ 133, 157 zu entscheiden.

Hinweis

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Fehlt die Befugnis für eine außerordentliche Kündigung, kann die außerordentliche Kündigung ggf. in eine ordentliche Kündigung nach § 140 umgedeutet werden – aber wegen der weiterreichenden Folgen nicht umgekehrt.Siehe zur Umdeutung im Skript „BGB AT II“ unter Rn. 465 ff.

(2) Kündigung aus wichtigem Grund, § 626

605

Die Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund gem. § 626 schließt die allgemeine Regel des § 314 als lex specialis aus.Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 3. Die Vorschrift verdrängt überdies die Rücktrittsrechte aus §§ 323 ff., da sie die speziellere Lösung für eine Vertragsaufhebung darstellt.Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 3.

606

Das Kündigungsrecht ist zwingend und kann selbst individualvertraglich nicht wirksam ausgeschlossen oder erschwert werden.Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 2.

Hinweis

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Ist die Kündigung nach § 621 Nr. 5 auch ordentlich jederzeit möglich, kommt der fristlosen Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund dennoch erhebliche Bedeutung zu: Zum einen könnte die ordentliche Kündigung wirksam ausgeschlossen sein. Dann bleibt nur der Weg über § 626. Zum anderen zieht die fristlose Kündigung besondere Konsequenzen für die Vergütung gem. § 628 Abs. 1 nach sich; weiter kann die Veranlassung einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund Schadensersatzansprüche des Kündigenden begründen (§ 628 Abs. 2!). Im Zweifel will der Kündigende sich auf die für ihn vorteilhafteren Weise vom Vertrag lösen, was bei der Auslegung nach §§ 133, 157 zu berücksichtigen ist.

607

Expertentipp

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Vergleichen Sie jetzt bitte den Wortlaut des § 626 mit §§ 314, 543.

Für die Entscheidung, ob dem Kündigenden zum Zeitpunkt seiner Kündigungserklärung ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 zur Seite steht, kommt es darauf an, ob die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. dem Eintritt eines sonstigen Beendigungsgrundes zumutbar erscheint (§ 626 Abs. 1). Dies ist anhand einer Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Ein Verschulden des Kündigungsgegners ist nicht notwendig, aber bei der Abwägung zu berücksichtigen. Nach dem Rechtsgedanken der parallelen Regelungen in §§ 314 Abs. 2, 543 Abs. 3 muss man bei der Abwägung auch berücksichtigen, ob eine Fristsetzung bzw. Abmahnung noch Erfolg verspricht.Vgl. Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 18; Looschelders Schuldrecht BT Rn. 606.

Beispiel

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Rechtsanwalt veruntreut Gelder des Mandanten; Verweigerung der Dienstleistung ohne Grund trotz Mahnung.

608

Die Möglichkeit zur Kündigung aus wichtigem Grund entfällt nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 S. 1. Danach muss der Berechtigte die Kündigung wegen eines bestimmten wichtigen Grundes innerhalb von zwei Wochen erklären, nachdem er positive Kenntnis von diesem Grund erlangt hat (§ 626 Abs. 2 S. 2). Bei nicht natürlichen Personen entscheidet die Kenntnis der zuständigen Organe.Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 24.

Hinweis

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(Grob) fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Bei § 626 Abs. 2 S. 1 handelt sich um einen besonders geregelten Fall des „venire contra factum proprium“: Wer mehr als zwei Wochen trotz Kenntnis keine Kündigung erklärt, gibt damit zu erkennen, dass die Fortsetzung des Dienstvertrages ihm trotz des bekannten Grundes durchaus zumutbar ist.

609

Für die Fristwahrung ist der Zugang der Kündigungserklärung maßgeblich, nicht die Abgabe.Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 30. Eine dem § 121 Abs. 1 S. 2 vergleichbare Regelung enthält § 626 gerade nicht.

Bei fruchtlosem Fristablauf ist eine Kündigung wegen dieses (zunächst) wichtigen Grundes ausgeschlossen. Tritt ein wichtiger Grund erneut auf, muss die Kündigungserklärung wiederholt werden.

Hinweis

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Wurde die Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht erklärt und sind mangels Beanstandung §§ 180 S. 2, 177 einschlägig,Siehe dazu im Skript „BGB AT I“ Rn. 155 ff. muss die Genehmigung des Vertretenen innerhalb der Frist nachgeholt werden und dem Gegner zugehen.Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 22.

(3) Außerordentliche Kündigung bei Vertrauensstellung, § 627

610

Das Gesetz kennt neben der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bei bestimmten Dienstverträgen in § 627 noch eine weitere Kündigungsmöglichkeit ohne Frist.

611

Dies setzt nach § 627 voraus, dass der Dienstverpflichtete „Dienste höherer Art zu leisten hat,

Definition

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Definition: Dienste höherer Art

Dienste höherer Art i.S.d. § 627 sind Dienste, die überdurchschnittliche Qualifikationen verlangen oder den persönlichen Lebensbereich betreffen.Palandt-Weidenkaff § 626 Rn. 2.

die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.“

Beispiel

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Tätigkeit der Rechtsanwälte, Steuerberater, Privatlehrer bei Einzelunterricht, Partnerschaftsvermittlung.

Da diese Vertragsverhältnisse vom „Vertrauen leben“, soll bei einem – möglicherweise unberechtigtem – Vertrauensverlust die Zusammenarbeit beendet werden können, ohne dass die Frage der Berechtigung weiter geklärt werden muss. Wenn eine Partei „einfach nicht mehr will“, kann sie den Vertrag beenden.

Hinweis

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Der in § 627 Abs. 2 S. 1 geregelte Vorbehalt schließt die Kündigungsmöglichkeit des Dienstverpflichteten nicht etwa aus. Aus § 627 Abs. 2 S. 1 ergibt sich vielmehr eine besonders normierte Rücksichtspflicht des Dienstverpflichteten, eine Kündigung zur Unzeit zu unterlassen. Verletzt er diese, indem er die Kündigung zur Unzeit ausspricht, ist diese nicht etwa unwirksam,BGH NJW 2002, 2274. sondern führt zu einem Schadensersatzanspruch aus § 627 Abs. 2 S. 2 (eigene Anspruchsgrundlage).Palandt-Weidenkaff § 627 Rn. 7; Looschelders Schuldrecht BT Rn. 609.

612

Ausgenommen sind nach § 627 Abs. 2 S. 1 solche Dienstverträge, bei dem der Dienstverpflichtete nicht in einem „dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen“ steht. Damit sind Dienstverträge mit einer – zumindest beabsichtigten – Laufzeit von mehr als einem Jahr gemeint, bei denen dem Dienstverpflichteten von vorneherein ein regelmäßig zu zahlendes und nicht nur unerhebliches Entgelt zusteht. Die Vertrauensgrundlage steht bei diesen Verträgen typischerweise nicht im Vordergrund, die „geschäftsmäßige“ Zusammenarbeit überwiegt.

Beispiel

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Ausbildungsvertrag mit Privatschule bei regelmäßig zu zahlendem Schulgeld,BGH NJW 2008, 1064. Dauerberatungsvertrag mit Steuerberater zur Erledigung der Buchführung.Vgl. OLG Hamm NJW-RR 1995, 1530.

Nicht dagegen fällt hierunter die Erteilung eines Prozessmandats an einen Rechtsanwalt, auch wenn der Prozess (z.B. Bausache) über mehrere Jahre dauern mag. Zum einen wollen die Parteien die Dauer des Mandats regelmäßig nicht im Sinne einer Mindestlaufzeit regeln – die Dauer kennen sie selber nicht. Es fehlt außerdem an der Vereinbarung fester und regelmäßiger Bezüge im Sinne eines regelmäßigen Einkommens.

 

e) Aufhebungsvertrag

613

Aus dem Grundsatz der Privatautonomie folgt, dass die Parteien einen Vertrag jederzeit wieder aufheben können. Die Rechte und Pflichten der Parteien erlöschen nach Maßgabe der Aufhebungsvereinbarung, die ihrerseits als Vertrag nach den allgemeinen Regeln wirksam sein muss.

Hinweis

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Im Arbeitsrecht ist der Aufhebungsvertrag nach § 623 der Schriftform unterworfen.Siehe zur einvernehmlichen Aufhebung eines Arbeitsvertrages im Skript „Arbeitsrecht“ Rn. 276. Ein ohne Beachtung der sich aus § 126 ergebenden Anforderungen geschlossener Aufhebungsvertrag ist nach § 125 S. 1 unwirksam und beendet das Dienstverhältnis nicht.   

f) Stillschweigende Verlängerung, § 625

614

Nach § 625 gilt das Dienstverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn das Dienstverhältnis nach dem Ablauf der Dienstzeit von dem Verpflichteten mit Wissen des anderen Teiles fortgesetzt, wird und der Dienstberechtigte nicht unverzüglich widerspricht.

Der Widerspruch ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die durch Zugang bei der anderen Partei wirksam wird. Der Widerspruch bedarf keiner besonderen Form und kann auch schon vor Fristbeginn erklärt werden, sofern ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Zugang des Widerspruchs und Vertragsablauf besteht.Palandt-Weidenkaff § 625 Rn. 3. Haben mehrere Dienstverpflichtete den Vertrag geschlossen, muss die Erklärung sämtlichen Personen bzw. bei deren berechtigten Empfangsvertretern (§ 164 Abs. 3) zugehen. Besteht Personenmehrheit auf Seiten des Dienstberechtigten genügt der Widerspruch durch eine Person.Palandt-Weidenkaff zu § 545 Rn. 8. Das liegt daran, dass die übrigen Dienstberechtigten eine Fortsetzung des Dienstvertrages über den ursprünglich vereinbarten Endtermin hinaus nur gemeinsam herbeiführen können, weil es in der Sache um eine Vertragsverlängerung geht. Kein Vertragspartner kann nach den Grundsätzen der Privatautonomie gegen seinen Willen zu einer Verlängerung eines Vertrages gezwungen werden.Vgl. OLG Rostock NZM 2004, 423 f. unter Ziff. II 1b bb zu § 545.

615

Bei fehlendem Widerspruch ordnet § 625 die weitere Geltung des Dienstvertrages auf unbestimmte Zeit an, und zwar ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Willen der Parteien. Eine Anfechtung des eigenen Schweigens wegen Irrtums über dessen Bedeutung scheidet deshalb aus,Palandt-Weidenkaff § 625 Rn. 4. weil es sich gerade nicht um einen Sonderfall eines Schweigens mit ErklärungswirkungSiehe dazu im Skript „BGB AT I“ Rn. 204 ff. handelt.

§ 625 ist keine zwingende Vorschrift und kann deshalb – auch durch AGB – im Dienstvertrag ausgeschlossen werden.Palandt-Weidenkaff § 625 Rn. 1.

V. Sekundäransprüche bei Pflichtverletzungen

616

Grundsätzlich richten sich die Rechte der Vertragspartner bei Pflichtverletzung nach den allgemeinen Regeln (§§ 280 ff.).Palandt-Grüneberg § 281 Rn. 44; siehe ausführlich zu den einzelnen Sekundärrechten im Skript „Schuldrecht AT II“. Für den Fall der Schlechtleistung besteht kein besonderes Gewährleistungsrecht, insbesondere ist auch kein Minderungsrecht vorgesehen.Palandt-Weidenkaff § 611 Rn. 16; Looschelders Schuldrecht BT Rn. 582, jeweils m.w.N. Sie merken sich noch folgende Besonderheiten:     

617

Bei zeitgebundenen Dienstverhältnissen mit Fixschuldcharakter tritt Unmöglichkeit der Dienstleistung mit Zeitablauf ein. Die Konsequenzen für den Vergütungsanspruch ergeben sich nicht nur aus § 326, sondern ergänzend aus den Spezialregeln in §§ 615 f.  (siehe oben unter Rn. 565 ff.).

618

Die Rücktrittsrechte der §§ 323 ff. werden durch das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund in § 626 verdrängt (siehe oben Rn. 605).

619

Die Rücksichtspflichten des Dienstberechtigten ergeben sich normativ nicht nur aus § 241 Abs. 2, sondern auch aus den speziellen Regelungen in §§ 617 f.

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