Schuldrecht Besonderer Teil 2

Wirksamkeit eines Mietvertrags

I. Wirksamer Mietvertrag

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Wirksamer Mietvertrag

I.

Vertragsschluss mit Inhalt gem. § 535

 

 

 

Softwarenutzung

Rn. 9

II.

Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen (z.B. §§ 108, 134, 138, 142 Abs. 1, 177)

 

 

 

hier ausgewählte Probleme:

 

 

 

 

Wucherischer Mietvertrag

Rn. 21 ff.

 

 

 

Anfechtung nach Überlassung des Mietobjekts

Rn. 24 ff.

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Notwendige Voraussetzung für die Entstehung der mietvertraglichen Primäransprüche ist der Abschluss eines wirksamen Mietvertrages. Wie bei jedem Vertrag ist die Prüfung in zwei Schritten vorzunehmen: Zustandekommen des Vertrages durch Angebot und Annahme und Wirksamkeit des Vertrages, d.h. Bestehen etwaiger Wirksamkeitserfordernisse und Nichtbestehen etwaiger Wirksamkeitshindernisse.Vgl. dazu ausführlich im Skript „BGB AT I“ Rn. 238 ff.

1. Vertragsschluss mit Inhalt gem. § 535

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Es gelten die allgemeinen Regeln zum Vertragsschluss durch Angebot und Annahme.Vgl. dazu ausführlich im Skript „BGB AT I“ Rn. 238 ff. Ein Mietvertrag ist dann geschlossen, wenn die zwischen den Parteien konkret vereinbarten Hauptleistungspflichten dem Typus des § 535 entsprechen. Dabei müssen sich die Vertragspartner zumindest über die sog. „essentialia negotii“ einig werden.

Unter den „essentialia negotii“ eines Vertrages versteht man diejenigen Punkte, über die die Parteien bei Vertragsschluss eine Einigung erzielen müssen, da diese Punkte weder durch dispositive Gesetzesvorschriften noch durch eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157) festgelegt werden können. Ein Vertrag kann nur zustande kommen, wenn diese Punkte nach der Einigung bestimmt oder zumindest eindeutig bestimmbar sind.Siehe dazu näher im Skript „BGB AT I“ Rn. 251 ff. Auch § 154, der die Rechtsfolgen des offenen Dissenses regelt, ist auf die essentialia negotii nicht anwendbar, da nach § 154 der Vertrag nur „im Zweifel“ nicht geschlossen ist. Fehlt aber eine Einigung über die vertragswesentlichen Punkte, kann der Vertrag auf jeden Fall nicht geschlossen sein (sog. „Totaldissens“)Siehe dazu im Skript „BGB AT I“ Rn. 282.

a) Vertragspartner

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Zu den essentialia des Mietvertrages gehört zunächst die Festlegung der Personen, die als Vermieter und Mieter Rechte und Pflichten übernehmen sollen. Dabei können auf einer oder beiden Seiten auch mehrere Personen stehen, also ein Vertrag mit mehreren Vermietern oder Mietern geschlossen werden. Denkbar ist ein Mietvertrag auch als echter Vertrag zugunsten eines Dritten i.S.d. § 328.

Hinweis

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Stehen auf einer Seite mehrere Personen, sind diese hinsichtlich der sie aus dem Vertrag treffenden Pflichten in der Regel Gesamtschuldner (§ 427) und hinsichtlich der Rechte Mitgläubiger i.S.d. § 432.

b) Mietsache

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Zu den essentialia des Mietvertrages gehört ferner die Festlegung des Mietobjekts. Anders als bei der Pacht.Dies ergibt sich aus der Verwendung des (Ober-)Begriffs „Gegenstand“ in § 581 Abs. 1 S. 1, der sowohl Sachen als „körperliche“ Gegenstände (§ 90), Tiere (§ 90a) und unkörperliche Gegenstände (Rechte) erfasst. bezieht sich der Mietvertrag nur auf Sachen i.S.d. §§ 90, 90a.

Da § 93 nur die Einräumung dinglicher Sachenrechte betrifft, können auch einzelne wesentliche Bestandteile zum Gegenstand eines Mietvertrages gemacht werden.Palandt-Ellenberger § 93 Rn. 4. 

Beispiel

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Vermietung einzelner Räume in einem Haus zu Wohnzwecken, Vermietung einer Hauswand als Plakatfläche zu Werbezwecken, Vermietung einer Garage auf einem Grundstück.

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Entgegen ihres engeren Wortlauts ist die Auslegungsregel des § 311c auch auf Mietverträge anzuwenden, so dass im Zweifel das Zubehör eines Mietobjekts (§§ 97, 98) ebenfalls vermietet wird.BGH in BGHZ 65, 88 unter Ziff. II 2 = NJW 1975, 2103; Palandt-Weidenkaff § 535 Rn. 16.


Beispiel

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V vermietet dem M ein Wohnhaus. Der Mietvertrag erstreckt sich beispielsweise auf den Briefkasten oder die auf dem Dach des Hauses angebrachte Satellitenempfangsanlage.Palandt-Ellenberger § 97 Rn. 12.

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Bei der Vermietung von Räumen erstreckt sich das Recht des Mieters auf Gemeinschaftsflächen und -räume des Hauses sowie gemeinschaftlich genutzte Gebäudeteile.BGH Urteil vom 10.11.2006 (Az.: V ZR 46/06) unter Tz. 9 = NJW 2007, 146 f.; Palandt-Weidenkaff § 535 Rn. 16. Allerdings steht dem Mieter hier nur ein Mitbenutzungsrecht zu.

Beispiel

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Bei der Vermietung einer Wohnung gehören daher der Eingangsbereich, Hausflur, Aufzug oder das Treppenhaus zum Mietobjekt dazu und sind mitvermietet.

9

Ob eine Vereinbarung über die Möglichkeit einer Softwarenutzung als Mietvertrag anzusehen ist, hängt unter anderem davon ab, ob man die vereinbarte „Zugriffsmöglichkeit“ auf ein Computerprogramm als Gewährleistung des Gebrauchs einer „Sache“ qualifizieren kann.

Beispiel

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Das Einordnungsproblem stellt sich bei den sog. „ASP“-Verträgen.ASP-Vertrag = „Application Service Providing“-Vertrag = Vertrag über die Bereitstellung von Softwareanwendungen. Bei diesen stellt der Anbieter auf einem Server Software bereit und gestattet seinem Vertragspartner, diese Software für eine begrenzte Zeit über Schnittstellen und Datenleitungen, insbesondere über das Internet „von außen“ zu nutzen. Anders als beim Kauf eines Datenträgers mit der Software verbleibt die Software also auf dem Server des Anbieters.

Stellt man auf das im Softwareprogramm verkörperte „geistige Werk“ (vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a ff. UrhG) ab, gelingt die Einordnung als Mietvertrag nicht: ein geistiges Immaterialgut ist keine Sache i.S.d. § 90. Die Möglichkeit der Nutzung von Immaterialgütern wird im Wege eines Lizenzvertrages eingeräumt (siehe z.B. §§ 31 ff. UrhG).

Beispiel

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Der Buchautor gewährt dem Verleger mittels eines Lizenzvertrages das Recht, sein Werk zu vervielfältigen (= Druck) und zu verbreiten (Vertrieb der Druckexemplare).

Ist hingegen die Möglichkeit der Nutzung des Servers mit Computerprogramm die entscheidende Leistung des Anbieters, geht es um die Gewährung des Gebrauchs einer beweglichen Sache (Server), so dass ein Mietvertrag in Betracht kommt. Die Einordnung geschieht nicht anders als bei sonstigen Sachen, die ein geistiges Werk speichern („Werkträgern“), etwa Diskette, DVD oder Buch: Geht es den Parteien gerade darum, (nur) das körperliche Werkexemplar (Server, Diskette, Buch, DVD, etc.) zu nutzen, liegt eine Sachnutzung vor.BGH Urteil vom 15.11.2006 (Az.: XII ZR 120/04) unter Tz. 14 ff. = NJW 2007, 2394 f. Soll der Vertragspartner hingegen in die Lage versetzt werden, das geistige Werk unabhängig von dem konkreten Exemplar zu nutzen, scheidet ein Mietvertrag aus. Der ASP-Vertrag im Beispiel stellt bei Entgeltlichkeit folglich einen Mietvertrag dar.Wie vor.

c) Hauptleistungspflichten gem. § 535/Abgrenzungen

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Ferner müssen die Parteien die sie treffenden Hauptleistungspflichten – und damit den Vertragstyp – festlegen. Wenn die Parteien einen Mietvertrag schließen, einigen sie sich auf die in § 535 typisierten Hauptleistungspflichten. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Inhalt der Einigung, der ggf. durch Auslegung gem. §§ 133, 157 zu ermitteln ist.

Wenn Sie die Vereinbarung der vertragsschließenden Personen auslegen und dahin untersuchen, ob sie sich tatsächlich auf den Vertragstyp „Mietvertrag“ verständigt haben, sind unter Umständen Ausführungen zu anderen verwandten Vertragstypen notwendig. Sehen wir uns die wichtigsten Abgrenzungsfälle an:

aa) Leihe

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Von der Leihe unterscheidet sich der Mietvertrag vor allem dadurch, dass der Entleiher kein Entgelt zu entrichten hat.

bb) Pacht

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Von der Pacht unterscheidet sich der Mietvertrag dadurch, dass er sich nur auf eine Sache i.S.d. §§ 90, 90a beziehen kann (siehe oben unter Rn. 6) und kein Fruchtziehungsrecht kennt, vgl. § 581 Abs. 1 S. 1. Die Abgrenzung stellt sich insbesondere bei der Vermietung von Räumen zu gewerblichen Zwecken. Von einem Pachtverhältnis ist nur auszugehen, wenn die zu überlassenden Räume für einen bestimmten gewerblichen Betrieb nicht nur geeignet, sondern auch so eingerichtet und ausgestattet sind, dass sie alsbald für den Betrieb mit Gewinn benutzt werden können (vgl. § 99 Abs. 1).Palandt-Weidenkaff Einf. v. § 535 Rn. 16.

Beispiel

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M möchte mit V einen Vertrag schließen, der ihn in die Lage versetzt, bestimmte Räume des V für den Betrieb einer Kneipe zu nutzen. Soll der V dem M nicht nur die Räume, sondern auch das gesamte Inventar zur Verfügung stellen, mit dem sich eine Kneipe betreiben lässt (Tische, Stühle, Theke, Schankanlage, etc.), ist von einem Pachtvertrag auszugehen.

cc) Mietkauf

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Kann oder will ein Interessent den Kaufpreis für eine Sache nicht sofort aufbringen und ist er sich auch nicht sicher, ob er die Sache tatsächlich dauerhaft behalten möchte, bevorzugt er in der Regel den Abschluss eines Mietvertrages mit Kaufoption, kurz: „Mietkauf“. Durch die vereinbarte Kaufoption wird dem Mieter das Recht eingeräumt, durch einseitige Erklärung das Mietverhältnis fristlos zu beenden und die Sache zu einem vorher festgelegten Preis zu kaufen, wobei die bisher gezahlten Mieten ganz oder teilweise auf den Kaufpreis angerechnet werden.

Beispiel

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M möchte gerne, dass seine Tochter das Klavierspiel erlernt. Da er nicht sicher ist, ob seine Tochter wirklich Gefallen am Klavier findet, scheut er den Kauf eines solchen Instruments. Mit dem Händler V vereinbart er deshalb, dass er ein neues Klavier erst einmal mit einer Mindestlaufzeit von 12 Monaten zu einem bestimmten Zins mietet. Nach Ablauf der 12 Monate kann das Mietverhältnis mit einer Frist von drei Monaten ordentlich gekündigt werden. M darf ab dem 12. Monat außerdem jederzeit entscheiden, ob er das Klavier zu einem festgelegten Preis kauft, wobei 50 % der bis dahin gezahlten Mietraten auf den Kaufpreis angerechnet werden.

Bis zur Ausübung der Kaufoption findet auf den Vertrag Mietrecht Anwendung, auf den durch Option wirksam gewordenen Kaufvertrag Kaufrecht.Palandt-Weidenkaff Einf. v. § 535 Rn. 30. Tritt als Vermieter/Verkäufer ein Unternehmer auf und schließt der Mieter/Käufer den Vertrag als Verbraucher oder Existenzgründer, ist außerdem an die Anwendung des § 506 Abs. 2 zu denken (siehe dazu unten unter Rn. 498 ff.).

dd) Leasing

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Bitte Beschreibung eingeben

Der Begriff des „Leasingvertrages“ ist Ihnen im Alltag sicher schon häufig begegnet. Allein ein Blick in die Angebote von Kfz-Händlern genügt, um festzustellen, dass der Leasingvertrag beim Erwerb teurer Güter eine wichtige Rolle spielt. Eine ausführliche gesetzliche Regelung erfährt das „Leasing“ trotz seiner praktischen Bedeutung nicht. Es handelt sich folglich um einen im BGB nicht typisierten Vertrag, dessen Ausgestaltung und Variation allein der privatautonomen Vereinbarung der Parteien zu entnehmen ist. Allerdings muss es ja irgendwelche anerkannten Merkmale für den Typ „Leasing“ geben – sonst würden wir diesen Begriff schließlich nicht verwenden.

Der „Leasingvertrag“ zeichnet sich dadurch aus, dass der Leasinggeber dem Leasingnehmer das Leasingobjekt gegen einen regelmäßig in Raten zu zahlenden Betrag („Leasingrate“) überlässt, aber – anders als der Vermieter – keinerlei Instandhaltungspflicht übernimmt.Palandt-Weidenkaff Einf. v. § 535 Rn. 37. Dem Gewährleistungsinteresse des Leasingnehmers wird zum Ausgleich dafür in der Weise Rechnung getragen, dass der Leasinggeber dem Leasingnehmer die Ansprüche abtritt, die dem Leasinggeber aus seinem Kaufvertrag mit dem Lieferanten des Leasingobjekts wegen Mängeln oder gegen sonstige Dritte etwa aus unerlaubter Handlung zustehen (sog. „leasingtypische Abtretungskonstruktion“).BGH Urteil vom 21.12.2005 (Az.: VIII ZR 85/05) unter Tz. 11 = NJW 2006, 1066, 1067.


Hinweis

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Die Abtretung der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte geht ins Leere, wenn der Lieferant mit dem Leasinggeber – wirksam! – einen Gewährleistungsausschluss vereinbart hatte. Da Lieferant und Leasinggeber regelmäßig als Unternehmer i.S.d. § 14 handeln, findet § 476 Abs. 1 S. 1 keine Anwendung. Wenn der Leasingnehmer als „Verbraucher“ handelt, könnte man die Einschaltung des Leasinggebers als unzulässige Umgehung eines Verbrauchsgüterkaufs i.S.d. § 476 Abs. 1 S. 2 zwischen Lieferant und Leasingnehmer ansehen und dem Lieferanten eine Berufung auf den Gewährleistungsausschluss versagen. Dies wird jedoch abgelehnt, da der Leasingnehmer mit dem Lieferanten gar keinen Kaufvertrag schließen wollte, sondern aus wirtschaftlichen Gründen eine Nutzung der Sache über den Leasingvertrag mit Ratenzahlung bevorzugte.BGH (a.a.O.) unter Tz. 13 f. Der Leasingnehmer bleibt bei Mängeln aber nicht rechtlos: Geht die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Lieferanten ins Leere, ist der – in der Praxis durch AGB geregelte – Ausschluss der eigenen Gewährleistungshaftung des Leasinggebers nach § 307 Abs. 1 S. 1 unwirksam. Dann haftet der Leasinggeber selbst wieder nach §§ 535 ff.BGH Urteil vom 21.12.2005 (Az.: VIII ZR 85/05) unter Tz. 17 = NJW 2006, 1066, 1067.

Ist der Leasinggeber selbst Hersteller, scheidet eine Abtretung von Gewährleistungsansprüchen ausnahmsweise aus – hier gibt es außer dem Leasinggeber ja keinen Lieferanten.

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Der Leasingvertrag wird überwiegend als „atypischer Mietvertrag“ angesehen, so dass zur Ausfüllung von Regelungslücken oder bei unwirksamen Regelungen Mietrecht angewendet werden kann.BGH a.a.O. Der Leasingvertrag kann (muss aber nicht) mit einer Kaufoption („Übernahme zum Restwert“) verbunden sein, die der Leasingnehmer am Ende der vereinbarten Laufzeit ausüben kann und wodurch im Anschluss an den Leasingvertrag ein Kaufvertrag zwischen den Parteien wirksam wird.   

16

Der Leasingvertrag kennt verschiedene Varianten. Die häufigsten sind das „Finanzierungsleasing“ und das „Operating-Leasing“.

Hinweis

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Die Unterscheidung zwischen beiden Varianten ist wichtig, da die in § 506 Abs. 2 i.V.m. § 506 Abs. 1 in Bezug genommenen Regelungen (insbesondere Form und Widerrufsrecht!) nur auf Finanzierungsleasingverträge Anwendung finden. Für das „Operating-Leasing“ gelten diese Regelungen hingegen nicht.

Beim „Finanzierungsleasing“ vereinbaren die Parteien eine feste Laufzeit (ggf. mit Verlängerungsoption) und legen die Pflichten des Leasingnehmers so fest, dass im Ergebnis die eigenen Aufwendungen des Leasinggebers zum Erwerb des Leasingobjekts vollständig ausgeglichen werden und der Leasinggeber seinen kalkulierten Gewinn erzielen kann, ohne einen weiteren Leasingvertrag abschließen zu müssen (sog. „volle Amortisation“).BGH a.a.O. unter Tz. 13 = NJW 2006, 1066, 1067; BGH NJW 1998, 1637, 1639 unter Ziff. II 2a. Dieses Ziel wird typischerweise dadurch erreicht, dass der Leasingnehmer neben den Leasingraten am Ende der Leasingzeit außerdem zur Abnahme des Leasingobjekts zum Restwert verpflichtet wird oder aber – neben der Rückgabe der Sache – eine Ausgleichszahlung in Höhe der Differenz zwischen vereinbartem Restwert und einem tatsächlichen Minderwert schuldet.Beim Kfz-Leasing erfolgt die Ausgleichszahlung häufig auch in der Weise, dass der Leasingnehmer eine Zahlung für jeden Mehr-Kilometer schuldet, um den die vertraglich vereinbarte Laufleistung überschritten wird. Der Leasinggeber verwertet in der zweiten Variante das zurückgegebene Leasingobjekt selbst. Er erhält somit durch die gezahlten Leasingraten, die Ausgleichszahlung des Leasingnehmers und den Verkaufserlös aus der Weiterveräußerung sein für die Anschaffung der Sache eingesetztes Kapital wieder zurück und erzielt zusätzlich seinen kalkulierten Gewinn.

Beim „Operating-Leasing“ ist der Vertrag demgegenüber gerade nicht darauf angelegt, dass der Leasinggeber allein durch diesen Vertrag seine volle Amortisation erreicht. Vielmehr gelingt ihm das nur durch ein mehrfaches Verleasen.BGH NJW 1998, 1637, 1639 unter Ziff. I b; Palandt-Weidenkaff Einf. v. § 535 Rn. 40. Nach Abschluss des ersten Leasingvertrages wird das Leasingobjekt zurückgegeben und erneut an einen anderen Leasingnehmer verleast. Man erkennt das „Operating-Leasing“ daran, dass die Vertragslaufzeit gar nicht fest vereinbart wird und ein jederzeitiges Kündigungsrecht ohne volle Wertersatzpflicht des Leasingnehmers besteht oder die Vertragslaufzeit so kurz bemessen ist, dass eine Amortisation in dieser Zeit nicht erreicht werden kann.BGH a.a.O. unter Ziff. I b; Palandt-Weidenkaff a.a.O.   

d) Beginn des Mietverhältnisses

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Der Beginn des Mietverhältnisses gehört ebenfalls zu den wesentlichen Punkten, über die die Parteien eine Einigung erzielen müssen. Das Datum, an dem das Mietverhältnis starten soll, muss also zumindest in eindeutig bestimmbarer Weise festgelegt werden.

Beispiel

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V vereinbart mit M, das Mietverhältnis beginne „mit Übergabe des Mietobjekts“. Zwar ist das Datum hier nicht kalendermäßig bestimmt. Jedoch lässt sich dieses anhand des Termins der tatsächlich erfolgten Übergabe eindeutig festlegen.BGH Urteil vom 2.11.2005 (Az.: XII ZR 212/03) unter Tz. 10 = NJW 2006, 139 f.

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Zumindest der VermieterBeim Mieter ist ja auch eine einmalige Entrichtung einer pauschalen Miete denkbar. schuldet eine kontinuierliche Erfüllung seiner Leistungspflichten. Deshalb begründet der Mietvertrag ein sog. „Dauerschuldverhältnis“. Eine exakte zeitliche Festlegung der Dauer des Mietverhältnisses gehört jedoch nicht zu den essentialia negotii. Den Parteien steht es frei, das Mietverhältnis zu befristen, also einen Endtermin festzulegen. Der Mietvertrag kann auch auf unbestimmte Zeit geschlossen werden, vgl. § 542. Fehlt eine Angabe zur Mietzeit, ist der Vertrag im Zweifel auf unbestimmte Zeit geschlossen.Huber/Bach Besonderes Schuldrecht 1 Rn. 452.

2. Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen

a) Allgemeine Wirksamkeitserfordernisse

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Nachdem Sie unter Berücksichtigung der vorstehenden Kriterien die Vereinbarung eines Mietvertrages mit den Pflichten gem. § 535 festgestellt haben, müssen Sie als nächstes die Wirksamkeit dieses Vertrages untersuchen. Dabei kommen zum einen die Wirksamkeitserfordernisse in Betracht, also die Tatbestände, die die schwebende Unwirksamkeit des Vertrages aussprechen.Siehe dazu im Skript „BGB AT I“ Rn. 89 ff. Sie denken hier insbesondere an § 177 beim Vertragsschluss durch einen Vertreter und an die §§ 107, 108 bei Beteiligung eines beschränkt Geschäftsfähigen.  

b) Allgemeine Wirksamkeitshindernisse

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Die Wirksamkeitshindernisse sprechen die endgültige Unwirksamkeit des Vertrages aus. Sie prüfen gedanklich die allgemeinen Regeln durch.Siehe dazu ausführlich im Skript „BGB AT II“.

Eine Formnichtigkeit kommt – anders als beim FinanzierungsleasingvertragSiehe dazu näher unter Rn. 505 f. – bei Mietverträgen nicht in Betracht, da sie formfrei geschlossen werden können.

Hinweis

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Das Formgebot des § 550 für auf mehr als ein Jahr befristete Mietverträge sieht bei Verletzung keine Nichtigkeit des Mietvertrages, sondern nur der Befristungsvereinbarung vor.

Von den allgemeinen Wirksamkeitshindernissen sind v.a. der sittenwidrige Mietvertrag, insbesondere der Mietwucher (§ 138) und die Anfechtung (§ 142 Abs. 1) hervorzuheben.

aa) Mietwucher (§ 138 Abs. 2)

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Nach § 138 Abs. 2 ist ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen, nichtig.Siehe dazu ausführlich im Skript „BGB AT II“ Rn. 294 ff.

Ein „auffälliges Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung i.S.d. § 138 Abs. 2 liegt vor, wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung um 100 % oder mehr über dem Wert der Gegenleistung liegt (sog. „Grenze des Doppelten“).BGH Urteil vom 18.12.2007 (Az.: XI ZR 324/06) unter Tz. 31 = NJW-RR 2008, 1436, 1438 und vom 29.6.2007 (Az.: V ZR 1/06) unter Tz. 16 = NJW 2007, 2841 f; Palandt-Ellenberger § 138 Rn. 67.

Daran hält man auch beim Mietvertrag grundsätzlich fest. Grundsätzlich liegt also beim Mietvertrag ein wucherisches Missverhältnis vor, wenn die vereinbarte Gesamtmiete die ortsübliche Miete für vergleichbare Mietobjekte um mehr als 100 % übersteigt.KG NJW-RR 2001, 1092; Palandt-Ellenberger § 138 Rn. 76. Entscheidend sind die Verhältnisse bei Vertragsschluss und nicht die spätere Entwicklung.Palandt-Ellenberger § 138 Rn. 67 und 76. Bei der Vermietung von Wohnräumen wird die Grenze wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit des Mieters – erheblich niedriger angesetzt. Hier liegt ein auffälliges Missverhältnis bereits dann vor, wenn die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50 % übersteigt.BGH in BGHZ 135, 269, 277 unter Ziff. II 1b dd = NJW 1997, 1845, 1846.

In subjektiver Hinsicht muss der Wucherer die Schwächen auf Seiten des bewucherten „ausgebeutet“ haben. Nicht nur beim auffälligen Missverhältnis, sondern auch in der Rechtsfolge des Mietwuchers differenzieren wir nach Mietverträgen über Wohnraum und Mietverhältnissen über andere Sachen:

Bei Mietverträgen über Wohnraum führt der Wuchertatbestand dazu, dass die wucherische Miete durch die angemessene Vergleichsmiete ersetzt und der Mietvertrag mit dieser „Ersatzmiete“ gilt.Palandt-Ellenberger § 138 Rn. 76. Der Vertrag ist also nicht insgesamt nichtig. Diese Korrektur der von § 138 angeordneten Gesamtnichtigkeit dient dem Schutz des Wohnraummieters, der andernfalls sein Besitzrecht an der Wohnung verlöre und zur Herausgabe der geräumten Wohnung verpflichtet wäre (§ 985 bzw. § 812 Abs. 1 S. 1). Bereits zu viel gezahlte Miete kann er aus § 812 Abs. 1 S. 1 zurückfordern, da in Höhe der Differenz zwischen vereinbarter und tatsächlich geschuldeter Miete von Anfang an keine Zahlungspflicht bestand.

Bei sonstigen Mietverträgen bleibt es hingegen dabei, dass der Vertrag nach § 138 Abs. 2 insgesamt nichtig ist.BGH Beschl. vom 21.9.2005 (Az.: XII ZR 256/03) unter Ziff. II 4a = NJW 2006, 16, 17 f. Der Mieter kann seine Mietzahlungen nach §§ 812 Abs. 1 S. 1, 817 S. 1 zurückfordern. Umgekehrt kann der Vermieter die dem Mieter überlassene Mietsache nach § 985 bzw. § 812 Abs. 1 S. 1 herausverlangen. § 817 S. 2 steht dem Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 nicht entgegen, da die Sittenwidrigkeit nicht in der Überlassung des Mietobjekts als solcher begründet ist, sondern in der anstößigen Vereinbarung einer unangemessen hohen Miete als Entgelt für die Nutzungsmöglichkeit der Sache. 

bb) Wucherähnlicher Mietvertrag (§ 138 Abs. 1)

22

Weil das subjektive Merkmal des „Ausbeutens“ in § 138 Abs. 2 sowohl Vorsatz in Bezug auf das Missverhältnis als auch in Bezug auf die Zwangslage oder sonstige Schwäche des anderen Teils erfordert, lässt es sich in der Praxis selten nachweisen. Deswegen arbeitet man zusätzlich mit der Fallgruppe des „wucherähnlichen Geschäfts“, die systematisch § 138 Abs. 1 zugeordnet wird. Danach können gegenseitige Verträge, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt.Siehe dazu im Skript „BGB AT II“ Rn. 300 ff. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest grob fahrlässig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat. Der entscheidende Punkt besteht beim wucherähnlichen Geschäft also zunächst darin, dass eine grobe Fahrlässigkeit des Begünstigten in subjektiver Hinsicht genügt.   

23

Liegt ein „auffälliges Missverhältnis“ i.S.d. § 138 Abs. 2 vor, begründet dies eine – widerlegbare – Vermutung für die erforderliche verwerfliche Gesinnung, also für eine bewusste oder zumindest grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstands.Wie vor.

Die Vermutung für ein verwerfliches Vorgehen des Begünstigten kann durch die Umstände des Einzelfalls widerlegt werden.

Wenn der Vermieter über die tatsächliche Vergleichsmiete irrte und überhöhte Werte angenommen hatte, die ein Missverhältnis ausschließen, scheitert die Wirksamkeit des Mietvertrages nicht an § 138 Abs. 1.BGH Urteil vom 18.12.2007 (Az.: XI ZR 324/06) unter Tz. 36 = NJW-RR 2008, 1438.

Hinweis

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Die Tatbestände des Mietwuchers nach § 138 Abs. 1 und 2 werden ergänzt durch den – insoweit subsidiär anzuwendendenSkript „BGB AT II“ Rn. 289. – § 134 i.V.m. § 5 WiStG (Verbot der Mietpreisüberhöhung). Danach ist es verboten, vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessene Entgelte zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nach § 5 Abs. 2 WiStG liegt ein unangemessen hohes Entgelt grundsätzlich vor, wenn es „infolge Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen“ vereinbart wird und die ortsüblichen Mieten für vergleichbare Räume um mehr als 20 % übersteigt. Zwischen dem Wohnungsmangel und der Vereinbarung der überhöhten Miete muss ein Kausalzusammenhang in der Weise bestehen, dass sich der Mieter auf die überhöhte Miete nur deshalb eingelassen hat, weil er trotz eigenen Bemühens keine vergleichbare Wohnung zu angemessenen Konditionen finden konnte und deshalb auf die gemietete Wohnung angewiesen war.BGH Urteil vom 28.1.2004 (Az.: VIII ZR 190/03) unter Ziff. II 2 = NJW 2004, 1740, 1741.

Liegt ein Verstoß gegen § 5 WiStG vor, ist – wie beim Mietwucher – nur die Vereinbarung der Miete hinsichtlich des überhöhten Betrages nichtig. Im Übrigen bleibt der Mietvertrag mit wirksam. Umstritten ist, ob die zu zahlende Miete nur auf das gerade noch zulässige Maß (also Vergleichsmiete + 20 %)So ständig der BGH, z.B. Urteil vom 25.1.2006 (Az.: VIII ZR 56/04) unter Tz. 8 = NJW-RR 2006, 591. oder auf die ortsübliche Vergleichsmiete (also ohne 20 %-Zuschlag) herabgesetzt wird.Palandt-Ellenberger § 134 Rn. 27 und § 138 Rn. 76.

cc) Nichtigkeit wegen Anfechtung (§ 142 Abs. 1)

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Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft wirksam angefochten, ist es nach § 142 Abs. 1 als von Anfang an nichtig anzusehen. Aufgrund der systematischen Stellung der AnfechtungsregelnAusführlich zur Anfechtung im Skript „BGB AT II“ Rn. 316 ff. im Allgemeinen Teil des BGB scheint die Anwendung der §§ 119 ff. keinerlei Probleme zu bereiten: Wer bei Abschluss eines Mietvertrages einem Irrtum nach § 119 unterlag, arglistig getäuscht oder bedroht wurde (§ 123), kann den Mietvertrag nach diesem allgemeinen System innerhalb der vorgesehenen Ausschlussfristen jederzeit anfechten und damit rückwirkend vernichten. Auf der anderen Seite können bei uneingeschränkter Zulassung dieser allgemeinen Regeln Wertungswidersprüche zu besonderen mietvertraglichen Vorschriften und Schutzgedanken entstehen, die entweder hingenommen oder durch eine Beschränkung der Anfechtungsregeln aufgelöst werden müssen. Die Probleme stellen sich einmal bei Überschneidungen der Anfechtungsregeln mit der mietvertraglichen Mängelhaftung nach §§ 536 ff. Zum anderen ist unsicher, ob die in § 142 Abs. 1 angeordnete Rückwirkung der Anfechtung mit Blick auf die ansonsten nur in die Zukunft gerichtete Lösungsmöglichkeit durch (fristlose) Kündigung Bestand haben kann.    

(1) Verdrängung der Anfechtung durch Gewährleistungsregeln?

25

Wie im Kauf- und WerkvertragsrechtSiehe dazu im Skript „Schuldrecht BT I“. stellt sich auch im Mietrecht die Frage, ob die mietrechtlichen Gewährleistungsregeln in den §§ 536 ff. die Anfechtungsrechte beschränken. Betroffen sind die Anfechtungsrechte aus § 119 Abs. 2 (Irrtum über Sachmangel) sowie aus § 123 (arglistige Täuschung über Mangelhaftigkeit des Mietobjekts). Der Wertungswiderspruch zeigt sich deutlich an zwei „Kollisionspunkten“, die bei einem Irrtum eines Vertragspartners über eine mangelbegründende Beschaffenheit der Mietsache auftreten:

Der Vermieter haftet für einen Sachmangel nach Überlassung des MietobjektsSiehe zu dieser zeitlichen Einschränkung unter Rn. 190 ff. aus § 536a Abs. 1 auf Schadensersatz. Lag der Mangel bei Vertragsschluss vor, ordnet § 536a Abs. 1 Var. 1 eine vom Vertretenmüssen unabhängige Haftung des Vermieters an. Hatte der Vermieter selbst von dem Sachmangel keine Kenntnis, könnte er sich seiner Mängelbeseitigungspflicht aus § 535 Abs. 1 S. 2 und einer Schadensersatzhaftung durch Anfechtung nach § 119 Abs. 2 entziehen. Der dafür zu zahlende „Preis“ einer Schadensersatzhaftung aus § 122 kann deutlich günstiger sein. Der Mieter bleibt auf einem Teil seines Schadens sitzen.

Beispiel

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V vermietet dem M Gewerberäumlichkeiten zur Einrichtung und Betrieb einer Zahnarztpraxis zu einem Mietzins, der nur 75 % des ortsüblichen Mietzinses für vergleichbare Praxisräume beträgt. Nachdem M die Räume in Besitz genommen und mit den erforderlichen Arbeiten zur Einrichtung der Räume beginnt, stellt sich heraus, dass das Objekt mit Asbestmaterialien verseucht ist und daher nicht als Praxis benutzt werden kann. Beiden Parteien war dieser Tatbestand bei Vertragsschluss unbekannt. M mietet nun ein anderes, vergleichbares Objekt an, für das er den ortsüblichen Mietzins zahlen und das er erneut einrichten muss.

Nach § 536a Abs. 1 Var. 1 könnte M von V Ersatz der MietdifferenzZur zeitlichen Begrenzung dieses Anspruchs siehe unter Rn. 201. von 25 %, der erneut auszuführenden Einrichtungsarbeiten sowie Ersatz des durch die verzögerte Praxiseröffnung entgangenen Gewinns verlangen. Erlaubt man dem V eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2, stünde dem M nur ein Ersatzanspruch aus § 122 Abs. 1 in Bezug auf solche Schäden zu, die M durch sein Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages erlitten hat. Nach der Differenzhypothese ist zu fragen, wie M ohne dieses Vertrauen, also ohne Vertragsschluss mit V im Vergleich zur jetzigen Lage stünde (sog. „negatives Interesse“). Folglich sind nur die nutzlos geworden Einrichtungsarbeiten im verseuchten ObjektDiese Kosten werden sich weitgehend mit den Kosten für die vergleichbaren Einrichtungsarbeiten im zweiten Objekt decken. und der Schaden aus dem verzögerten Start ersatzfähig, da M ohne Abschluss des Vertrages mit V sofort sein jetziges Objekt angemietet hätte. Die nun zu zahlende Mietdifferenz von 25 % ist jedoch ein Nachteil, der dem M nur bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung des V erspart geblieben wäre (sog. „positives Interesse“). V könnte seine Haftung also um diese (erhebliche!) Position verkürzen, wenn er den Vertrag nach § 119 Abs. 2 anficht.   

Irrt umgekehrt der Mieter über einen Sachmangel, droht bei Anfechtung des Mieters nach § 119 Abs. 2 ein Wertungswiderspruch zum Lösungsrecht durch fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1. Danach kann der Mieter das Mietverhältnis fristlos – aber nur für die Zukunft! – beenden, wenn ihm der vertragsgemäße Gebrauch ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder entzogen wird. Das ist bei Bestehen eines Sachmangels i.S.d. § 536 Abs. 1 der Fall. Allerdings muss dem Kündigungsrecht in diesem Fall nach § 543 Abs. 3 S. 1 eine fruchtlose Fristsetzung zur Abhilfe vorausgehen. Außerdem kann das Kündigungsrecht wegen eines Mangels nach § 543 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 536d vertraglich ausgeschlossen werden, sofern der Vermieter den Mangel nicht arglistig verschwiegen hat. Schließlich ist das Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 536b S. 2 ausgeschlossen, wenn dem Mieter der Mangel bei Vertragsschluss infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Alle genannten Einschränkungen sind dem Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 unbekannt.

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Da die Gewährleistungsrechte wegen Sachmängeln nach §§ 536 ff. die Überlassung der Sache an den Mieter voraussetzen, entstehen die Wertungsprobleme erst ab diesem Zeitpunkt. Deswegen verdient die Auffassung den Vorzug, die das Anfechtungsrecht für beide Parteien aus § 119 Abs. 2 (erst) nach Überlassung des Mietobjekts ausschließt.Bamberger/Roth-Ehlert § 536 Rn. 13; a.A. Palandt-Ellenberger § 119 Rn. 28 (Anfechtung nach § 119 Abs. 2 auch vor Überlassung ausgeschlossen); wieder anders Palandt-Weidenkaff § 536 Rn. 12 m.w.N. (Anfechtung nach § 119 Abs. 2 vor und nach Überlassung zulässig).

Wie im Kauf- und Werkvertragsrecht berühren die §§ 536 ff. das Anfechtungsrecht aus § 123 nicht.BGH Urteil vom 6.8.2008 (Az.: XII ZR 67/06) unter Tz. 34 ff. = NJW 2009, 1266 ff. Der arglistig über einen Mangel täuschende Vermieter verdient keinen Schutz. Dies kommt in den §§ 536b S. 2, 536d zum Ausdruck, da die Gewährleistungsrechte des Mieters bei Arglist des Vermieters nicht wirksam beschränkt werden können. 

(2) Ausschluss der ex tunc – Wirkung nach Überlassung der Mietsache?

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Umstritten ist außerdem, ob die Anfechtung des Mieters nach Überlassung des Mietobjekts abweichend von § 142 Abs. 1 nur ab Zugang der Anfechtungserklärung, also „ex nunc“ wirkt.

Diejenigen, die eine Rückwirkung der Anfechtung ausschließen wollen, berufen sich darauf, dass ein bereits vollzogenes Mietverhältnis nur unter großen Schwierigkeiten rückabgewickelt werden könne.Vgl. Nachweise im BGH Urteil vom 6.8.2008 (Az.: XII ZR 67/06) unter Tz. 30 = NJW 2009, 1266 ff.

Hinweis

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Diese Problematik stellt sich bei der Anfechtung von in Vollzug gesetzten Arbeits- oder Gesellschaftsverträgen, wo eine „ex tunc“ – Wirkung der Anfechtung einhellig abgelehnt wird.

Die wohl herrschende Meinung belässt es bei der Rückwirkung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1, da sonst Wertungswidersprüche zur Situation bei anderen Nichtigkeitsgründen (z.B. §§ 105, 134, 138) entstünden, wo nach Überlassung des Mietobjekts ebenfalls eine Rückabwicklung durchzuführen sei.BGH a.a.O. unter Tz. 37 m.w.N. Außerdem stellen die §§ 985 ff. und §§ 812 ff. Vorschriften zur Verfügung, deren Anwendung – anders als bei den typischerweise komplexen und vielschichtigen Arbeits- und Gesellschaftsverhältnissen – auf den Mietvertrag keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft. Dem BGB lässt sich nicht entnehmen, dass Dauerschuldverhältnisse wie Mietverträge generell nicht nach diesen Regeln rückabgewickelt werden können. Ohne die Rückwirkung wären die vertraglichen Regelungen für die Vergangenheit beständig. Es ist aber gerade das Anliegen der Anfechtungsregeln, ungewollten Rechtsgeschäften die Wirkung zu nehmen.

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