Schuldrecht Allgemeiner Teil 1

Erlass (§ 397)

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A. Erlass (§ 397)

I. Grundregeln

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Das Schuldverhältnis erlischt nach § 397 Abs. 1, wenn der Gläubiger dem Schuldner die Schuld durch Vertrag erlässt. Die gleiche Wirkung hat es, wenn der Gläubiger durch Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis nicht besteht, § 397 Abs. 2 (sog. „negatives Schuldanerkenntnis“). Die folgenden Ausführungen gelten für beide Varianten gemeinsam.

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Beim Erlass handelt es sich um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft in Form eines Vertrages. Es gelten daher die allgemeinen Prüfungsschritte zum vertraglichen Rechtsgeschäft: Zustandekommen, Wirksamkeitserfordernisse und Wirksamkeitshindernisse.

Vgl. dazu ausführlich in den Skripten „BGB AT I“ und „BGB AT II“.

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Wegen der unmittelbaren Erlöschenswirkung ist der Erlass ein Verfügungsgeschäft. Es muss demnach wiederum streng unterschieden werden zwischen dem Erlass als Verfügungsgeschäft und dem zugrundeliegenden Rechtsgeschäft, das den Rechtsgrund für den Erlass bildet. Beide Rechtsgeschäfte sind streng voneinander zu trennen („Trennungsprinzip“) und in ihrer Wirksamkeit grundsätzlich voneinander unabhängig („Abstraktionsprinzip“). Ist der Erlass ohne Rechtsgrund erfolgt, ist seine befreiende Wirkung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 durch Wiederbegründung der Forderung „herauszugeben“.

Grüneberg/Grüneberg § 397 Rn 2.

Beispiel

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A erklärt dem B, er erlasse ihm die Kaufpreisforderung, weil er sich in letzter Zeit so nett um ihn gekümmert habe. B bedankt sich daraufhin. Hier ist ein Erlassvertrag zustande gekommen. Den Rechtsgrund für den Erlass bildet ein Schenkungsvertrag. Dieser erfordert zu seiner Wirksamkeit nach § 518 Abs. 1 zwar die notarielle Beurkundung des Schenkungsversprechens, also der Erklärung des Schenkers. Wenn es – wie hier – daran fehlt, wird dieser Formmangel aber durch den sofortigen Vollzug der Schenkung geheilt, § 518 Abs. 2. Gegenstand der Schenkung war der Erlass der Forderung. Mit gleichzeitigem Abschluss des Erlassvertrages ist dieser Schenkungsvertrag erfüllt worden, so dass der zunächst gegebene Formmangel sofort geheilt worden und der Schenkungsvertrag wirksam geworden ist. A kann somit von B keine Wiederbegründung der Forderung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 verlangen.

Wegen seines dinglichen Charakters ist ein Erlass durch Vertrag zugunsten Dritter nicht möglich

BGH Urteil vom 26. Oktober 2009 (Az: II ZR 222/08) unter Tz. 16 = NJW 2010, 64 f. (siehe oben Rn. 29). Denkbar ist hier aber ein Vertrag zugunsten eines Schuldners (Dritter), mit dem sich der Gläubiger (Versprechender) verpflichtet, seinen Anspruch nicht geltend zu machen.

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Der Erlassvertrag kommt durch Angebot und Annahme nach den allgemeinen Regeln zustande. Dabei gehört zu den essentialia negotii des Erlassvertrages, dass die Vertragspartner, der Erlasswille und die zu erlassene Forderung in eindeutig bestimmbarer Weise Gegenstand der Erklärungen sind. Insbesondere an den Erlasswillen sind strenge Anforderungen zu stellen, da es sich beim freiwilligen Verzicht um einen ungewöhnlichen Vorgang handelt. Die Annahme kann nach § 151 erfolgen, wobei es der Verkehrssitte entspricht, wenn der Schuldner auf ein Erlassangebot nicht durch eine ausdrückliche Annahmeerklärung gegenüber dem Gläubiger reagieren muss.

Grüneberg/Grüneberg § 397 Rn. 5.

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Große Bedeutung hat diese Konstellation für die sog. „Erlassfalle“. Hier bietet der Schuldner dem Gläubiger einen Scheck über einen Teilbetrag an und stellt die Einlösung des Schecks unter die Bedingung, dass damit gleichzeitig „alles“, also auch die Restschuld, „erledigt“ ist. Er bietet also hinsichtlich des Restbetrages den Abschluss eines Erlassvertrages i.S.d. § 397 an. Außerdem verzichtet er in seinem Anschreiben gem. § 151 ausdrücklich auf eine ausdrückliche Annahmeerklärung ihm gegenüber. Löst der Gläubiger den Scheck ein, tappt er häufig in die vom Schuldner gestellte „Erlassfalle“: In der Regel wird die Einlösung des Schecks als Annahmeverhalten gewertet, so dass der Erlassvertrag durch Angebot (des Schuldners) und Annahme (des Gläubigers) zustande gekommen ist.

 

Treibt es der Schuldner zu bunt, scheitert seine Konstruktion – dies zeigt nachfolgendes Beispiel.

Beispiel

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M schuldet seinem Vermieter V Mietzins in Höhe von 148 000 € aus der Vermietung einer Immobilie.

M schreibt dem V am 31. März:

„Trotz aller Bemühungen um Vertragstreue werde ich diesen Rückstand leider nicht begleichen können. Ich möchte Ihnen deshalb von mir aus und im Rahmen meiner finanziellen Möglichkeiten folgendes anbieten: Um alle Verbindlichkeiten ein für alle Mal abzuwenden, zahle ich Ihnen 1000 €.

Ich füge Ihnen aus diesem Grunde einen Verrechnungsscheck in Höhe von 1000 € bei. Von dem Scheck möchten Sie bitte zum Zwecke der endgültigen Abwicklung der Angelegenheit Gebrauch machen.

Für mich ist die Sache damit erledigt. Eine Antwort auf dieses Schreiben erwarte ich nicht.“

Dem Schreiben war der darin erwähnte Verrechnungsscheck beigefügt. Er trug den Vermerk: „Verwendungszweck: Schreiben vom 31. März“. V löste den Scheck bei seiner Bank ein. Das Schreiben des M vom 31. März beantwortet V zunächst nicht.

Fraglich ist allein, ob durch eine Annahme des V der von M beantragte Erlass der Restschuld in Höhe von 147 000 € zustande gekommen ist. In der Einlösung des Schecks durch V kann eine Annahme nach § 151 gesehen werden, weil die Einlösung des Schecks an die Annahme des Angebots von M gekoppelt war. Da von der Redlichkeit des Empfängers auszugehen ist, ist bei Auslegung seines Verhaltens vom Standpunkt eines objektiven Dritten nach § 133

Vgl. dazu das Skript „BGB AT I“. grundsätzlich davon auszugehen, dass er vom Scheck nur in der vorgeschlagenen Weise, also nur bei Einverständnis mit der Gesamterledigung Gebrauch machen will. Bei einem – wie hier – derart krassen Missverhältnis zwischen Restforderung und Ablösungsbetrag tritt dieser Aspekt jedoch in den Hintergrund. Der M konnte hier nicht ernsthaft erwarten, dass V sich auf seinen Vorschlag tatsächlich einlassen würde. Wenn eine Annahme auch aus Sicht des M nichts als blanke Unvernunft des V zum Ausdruck brächte, kann die Einlösung des Schecks einen Erlassvertrag nicht zustande bringen. Ihr kommt nur die Bedeutung zu, dass V sich einen Teilbetrag der Forderung sichern und im Übrigen an seiner Restforderung festhalten will. Dass V sich damit über den Verwendungszweck im Scheck hinwegsetzt, steht dem nicht entgegen. M kann bei einem derart indiskutablen Angebot nicht damit rechnen, dass seiner Verwendungsbestimmung maßgebliche Bedeutung zukommt.

II. Erlass und Gesamtschuld (§ 423)

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Im Falle einer Gesamtschuld hat der zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarte Erlass nach § 423 nur dann befreiende Wirkung auch für die übrigen Schuldner, wenn die Vertragschließenden das gesamte Schuldverhältnis aufheben wollten. Dies ist anhand der Vereinbarung – ggfs. durch Auslegung – im Einzelfall zu bestimmen.

Beispiel

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V vermietet eine Wohnung an den A und seine Freundin B. Als A und B die Miete schuldig bleiben, bittet V den A zum Gespräch. A schildert dem V seine finanzielle Notlage. V hat Mitleid mit der Situation und sagt gegenüber A, er verzichte auf die Mietforderung und hoffe, damit zur finanziellen Besserung der Situation beizutragen. Hier ergibt sich aus den Umständen, dass auch B aus der gesamtschuldnerischen Haftung gemäß §§ 421, 427 entlassen sein soll.

III. Erlass und Aufhebungsvertrag

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Anders als beim Erlass vereinbaren die Parteien bei einem Aufhebungsvertrag nicht nur die Aufhebung einer einzelnen Forderung, sondern die Aufhebung des gesamten Schuldverhältnisses (im weiteren Sinne). Dies kommt in der Praxis vor allem bei Dauerschuldverhältnissen vor, wenn eine Kündigung zu unsicher erscheint oder aus zeitlichen Gründen (zu lange Kündigungsfrist) nicht gewünscht wird. Die Möglichkeit, vertragliche Schuldverhältnisse insgesamt aufheben zu können, ist zwar in § 311 Abs. 1 nicht eigens ausgesprochen, ergibt sich aber aus dem Grundsatz der Privatautonomie.

Grüneberg/Grüneberg § 311 Rn.7.

Hinweis

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Aufgehoben werden können nur Schuldverhältnisse, nicht Verfügungsgeschäfte. Ein vollendetes Verfügungsgeschäft muss gegenläufig wiederholt werden, um seine Wirkungen „aufzuheben“ (Rückübertragung des Eigentums, Rückabtretung einer Forderung, etc.).

Grüneberg/Grüneberg § 311 Rn.7.

Der Aufhebungsvertrag ist ebenfalls Verfügungsgeschäft, da er den Ansprüchen aus dem Schuldverhältnis den „Rechtsboden“ entzieht: Er verhindert entweder die Entstehung der Ansprüche oder hebt zumindest die bereits betagten Forderungen wieder auf.

BGH Urteil vom 4. November 2009 (Az: XII ZR 170/07) unter Tz. 22 = NJW-RR 2010, 483 f. Er kann je nach Parteiwillen zurück (ex tunc) oder nur für die Zukunft (ex nunc) wirken.Grüneberg/Grüneberg § 311 Rn. 7.

Hinweis

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Im Fall einer vereinbarten Rückwirkung ist durch Auslegung zu bestimmen, ob bereits ausgetauschte Leistungen nach den §§ 346 ff. zurückgewährt werden sollen oder ob es bei den Kondiktionen nach § 812 Abs. 1 S. 2 Var. 2 verbleiben soll.

Grüneberg/Grüneberg § 311 Rn 7. Im Zweifel ist von einer Anwendung der §§ 346 ff. auszugehen.Grüneberg/Grüneberg § 311 Rn. 7.

Die Parteien können die Aufhebung auch in der Weise vereinbaren, dass die alte Schuld durch einen anderen Schuldgrund ersetzt wird. Man nennt dies „Novation“,

Grüneberg/Grüneberg § 311 Rn. 8. etwa die Ersetzung einer Kaufpreisforderung gem. § 433 Abs. 2 durch einen Anspruch auf Rückzahlung desselben Betrages als Darlehen gem. § 488 Abs. 1 S. 2.

Der Aufhebungsvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich keiner besonderen Form, und zwar auch dann nicht, wenn der aufgehobene Vertrag seinerseits formbedürftig war.

Grüneberg/Grüneberg § 311 Rn. 7.

Etwas anderes gilt bei der Aufhebung von Arbeitsverträgen wegen der in § 623 angeordneten Schriftform

BAG NJW 2006, 938. Eine notarielle Beurkundung kann nach § 311b Abs. 1 erforderlich sein, wenn ein bereits vollzogener Vertrag über die Übertragung von Grundeigentum aufgehoben und im Aufhebungsvertrag zugleich eine Pflicht zur Rückübertragung des Grundeigentums geregelt ist.Medicus/Lorenz Schuldrecht I § 46 Rn. 4.

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