Schuldrecht Allgemeiner Teil 1

Allgemeines Zurückbehaltungsrecht aus § 273

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D. Allgemeines Zurückbehaltungsrecht aus § 273

473

Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, nach § 273 Abs. 1 die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Beim Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 handelt es sich folglich um eine „dilatorische“, d.h. nur vorübergehend wirkende Einrede. Ihre Wirkung besteht entweder darin, dass der Gläubiger zur Abwehr des Zurückbehaltungsrechts Sicherheit leistet (§ 273 Abs. 3) oder dass die beiden Leistungen jetzt nicht mehr uneingeschränkt gefordert werden können. Vielmehr darf nach § 274 Abs. 1 eine Verurteilung nur noch Zug um Zug gegen Erfüllung der anderen Leistung erfolgen.

I. Wechselseitig bestehende Forderungen

474

Wie sich aus der vorstehend wiedergegebenen Formulierung des § 273 Abs. 1 ergibt, stehen sich beim Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 zwei Ansprüche wechselseitig gegenüber. Allerdings kann die Wechselseitigkeit durch Abtretung verlorengehen. Wenn eine der beiden Parteien ihren Anspruch gegen die andere abtritt, entfällt die Wechselseitigkeit. Hier hilft § 404 und erhält dem anderen das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1.

475

Gleiches gilt beim Vertrag zugunsten Dritter (siehe dazu oben unter Rn. 29 ff.), wenn dem zur Leistung Verpflichtenden ein Zurückbehaltungsrecht gegen den Versprechensempfänger zusteht, § 334.

II. „Konnexität“ der Forderung

476

Nach § 273 Abs. 1 muss die Gegenforderung des Schuldners „aus demselben rechtlichen Verhältnis“ stammen, „auf dem seine Verbindlichkeit beruht“. Dies unterscheidet die Einredelage des § 273 von der Aufrechnungslage, bei der ein solcher Zusammenhang (sog. „Konnexität“) nicht erforderlich ist.

Nun würde § 273 weitgehend leerlaufen, wenn man die Vorschrift wortwörtlich verstehen und anwenden würde und nur solche Ansprüche zuließe, die sich exakt aus demselben Schuldverhältnis ergeben. Hier greift ja beim vertraglichen Schuldverhältnis häufig schon § 320, so dass für § 273 Abs. 1 keine richtigen Anwendungsfälle mehr übrig blieben.

Daher wird der notwenige Zusammenhang zwischen beiden Forderungen weit verstanden. Es genügt ein „innerlich zusammengehöriges einheitliches Lebensverhältnis, das es als wider Treu und Glauben erscheinen lässt, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht oder verwirklicht werden soll“.

Palandt-Grüneberg § 273 Rn. 9.

Beispiel

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Wechselseitig bestehende Bereicherungsansprüche auf Rückgabe der schon ausgetauschten Leistungen aus unwirksamem Schuldverhältnis;

Wechselseitige Ansprüche aus laufender Geschäftsverbindung;

Forderung und Anspruch auf Erteilung einer Quittung (§ 368) oder Rückgabe des Schuldscheins (§ 371).

477

Hat der zur Herausgabe einer Sache verpflichtete Schuldner Aufwendungen auf die Sache gemacht, stellt § 273 Abs. 2 die Verknüpfung zwischen dem Herausgabeanspruch und einem Anspruch auf Aufwendungsersatz fest. Hier ist die erforderliche „Konnexität“ stets gegeben.

Beispiel

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Der Automechaniker A hat den Wagen des B zum zweiten Mal zur Reparatur bekommen. Die Abholung ist für den 15.6. vereinbart. Aus der ersten Reparatur ist noch ein Betrag von 400 € offen. Dem A steht insoweit eine Einrede aus § 273 Abs. 2 Hs. 1 Var. 1 gegen seine Herausgabepflicht aus dem Werkvertrag zu.

III. Durchsetzbarkeit

478

§ 273 Abs. 1 verlangt ferner die Fälligkeit des Anspruches bzgl. dessen das Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden soll. Dabei lässt man es allerdings ausreichen, dass der die Zurückbehaltung begründende Gegenanspruch im Augenblick der zurückbehaltenen Leistung entsteht.

Palandt-Grüneberg § 273 Rn. 7.

Beispiel

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Der Schuldner kann vom Gläubiger die Erteilung einer Quittung verlangen, § 368. Der Anspruch auf Erteilung der Quittung wird allerdings erst fällig, wenn die Leistung erbracht wird. Das schließt streng genommen ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 aus, weil der Schuldner die Quittung eben nicht verlangen kann, solange er seinerseits noch nicht geleistet hat. Allerdings erscheint dies offenbar unbillig, so dass in diesen Fällen ein Zurückbehaltungsrecht gewährt wird.

IV. Ungleichartigkeit der Leistungen

479

Über den Leistungsgegenstand sagt § 273 Abs. 1 nichts. Jedoch ist anerkannt, dass der Leistungsgegenstand im Fall des § 273 mit dem Gegenstand der anderen wechselseitig bestehenden Forderung nicht gleichartig ist. Denn bei Gleichartigkeit ist ja die Aufrechnung das richtige Verteidigungsmittel. In der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts bei Aufrechnungslage wird deshalb regelmäßig eine Aufrechnung erblickt.

Medicus/Lorenz Schuldrecht I Rn. 238.

V. Kein Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts

480

Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts darf schließlich nicht ausgeschlossen sein.

481

Insoweit kommen zunächst einmal vertragliche Vereinbarungen in Betracht. Grundsätzlich kann das Zurückbehaltungsrecht durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden. Im Falle der Vereinbarung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist § 309 Nr. 2b zu beachten. Im Wohnraummietrecht gelten Schutzvorschriften in § 556b Abs. 2.

482

Umgekehrt schließen die §§ 570, 578 ein Zurückbehaltungsrecht gegen den Anspruch auf Rückgabe der Mietsache aus. Entsprechendes gilt nach § 175 für einen Anspruch des Vollmachtgebers auf Rückgabe der Vollmachtsurkunde.

483

Expertentipp

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Ist Ihnen noch der Sinn dieser Aufrechnungsverbote geläufig? Wiederholen Sie noch einmal kurz die Hintergründe hinter den Aufrechnungsverboten (vgl. oben unter Rn. 249 ff.).

Schließlich kann das Zurückbehaltungsrecht nach dem Gebot von Treu und Glauben aus § 242 ausgeschlossen sein. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der Gegner des Zurückbehaltenden seine Pflicht ohne den zurückbehaltenen Gegenstand nicht erfüllen kann und es damit faktisch zu einer dauerhaften Einrede käme.

BGH NJW 1992, 194, 199. Weiter ist eine Ausübung des Zurückbehaltungsrechts unzulässig nach § 242, wenn dadurch Aufrechnungsverbote umgangen und im Ergebnis die Wirkung erreicht würde, die durch das Aufrechnungsverbot verhindert werden soll.Palandt-Grüneberg § 394 Rn. 1.

Beispiel

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Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gegen unpfändbare Forderung oder Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung, da sonst § 394 umgangen würde.

VI. Wirkung

484

Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts führt zu einer Zug-um-Zug-Verknüpfung, so dass der Schuldner im Prozess nicht uneingeschränkt, also ohne den Zug-um-Zug-Vorbehalt verurteilt werden kann, § 274.

485

Der Gläubigerverzug als solcher schließt die Einrede aus § 273 auch auf Seiten des Gläubigers noch nicht aus. Der Gläubiger kann sich also wegen seines noch nicht erfüllten Anspruchs auf das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 berufen, obwohl er selbst die Erfüllung durch sein Verhalten vereitelt.

Der Gläubigerverzug wirkt sich aber auf die Vollstreckung der Gegenleistung aus. Eigentlich müssen Leistung und Gegenleistung spätestens in der Zwangsvollstreckung ausgetauscht werden, § 756 ZPO. § 274 Abs. 2 stellt aber klar, dass jeder Gläubiger seinen Anspruch trotz Zug-um-Zug-Einrede beitreiben kann, ohne seine Gegenleistung anbieten zu müssen, sofern sich der andere Teil bereits im Gläubigerverzug befindet.

486

Expertentipp

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Lesen Sie dazu bitte die Vorschriften in §§ 232–240, 273 Abs. 3 S. 2 durch.

Nach § 273 Abs. 3 S. 1 hat der Gläubiger die Möglichkeit, die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch eine Sicherheitsleistung abzuwenden.

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