Sachenrecht 1

Gegenrechte des Besitzers wegen Verwendungen - Anspruch aus §§ 994 Abs. 2

2. Anspruch aus §§ 994 Abs. 2

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Prüfungsschema

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Wie prüft man: Verwendungsersatzanspruch aus § 994 Abs. 2 i.V.m. GoA

I.

Anspruchsentstehung

 

1.

Verwendungen des Besitzers

 

2.

Vindikationslage

 

3.

Bösgläubigkeit oder Rechtshängigkeit

 

4.

Notwendigkeit der Verwendungen

 

5.

Keine Beschränkung durch § 994 Abs. 1 S. 2 analog (im Fall des § 991 Abs. 1)

 

6.

Keine Beschränkung durch 995 S. 2 analog

 

7.

Rechtsfolge

 

 

 

Partieller Rechtsgrundverweis auf GoA.

 

 

 

Kein Fremdgeschäftsführungswille erforderlich

 

 

 

Je nach Vorliegen der Voraussetzungen wird verwiesen auf

 

 

 

a)

berechtigte GoA, §§ 683 S. 1, 670

 

 

 

b)

durch § 679 gerechtfertigte GoA, §§ 683 S. 2, 670

 

 

 

c)

genehmigte unberechtigte GoA, §§ 684 S. 2, 683 S. 1, 670;

 

 

 

d)

unberechtigte GoA, § 684 S. 1 mit Rfverweisung auf §§ 818 ff.

 

8.

Rechtsnachfolge gemäß § 999

II.

Rechtsvernichtende Einwendungen, insbesondere § 1002

III.

Durchsetzbarkeit des Verwendungsersatzanspruchs

 

1.

Zurückbehaltungsrecht (auch ohne Fälligkeit), § 1000 S. 1 (Ausnahme S. 2)

 

2.

Klagebefugnis auf Verwendungsersatz, § 1001 (= Fälligkeit)

 

3.

Pfandähnliches Befriedigungsrecht, § 1003

a) Anspruchsentstehung

aa) Voraussetzungen

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Die Entstehungsvoraussetzungen dieses Anspruchs sind mit der bestehenden Vindikationslage und notwendigen Verwendungen durch den Besitzer zunächst dieselben, wie im Rahmen des Anspruchs aus § 994 Abs. 1.

bb) Unterschiede zu § 994 Abs. 1

163

Im Unterschied zu § 994 Abs. 1 betrifft § 994 Abs. 2 aber nur den bösgläubigen oder auf Herausgabe verklagten unrechtmäßigen Besitzer.

Hinweis

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Dieser Besitzer ist durch die Klageerhebung oder seine Bösgläubigkeit „vorgewarnt“ und daher weniger schutzbedürftig, als der redlich unverklagte Besitzer. Demgemäß erhält er vom Eigentümer seine Verwendungen nur unter weiteren Einschränkungen ersetzt. Das rechtstechnische Mittel hierfür ist der in § 994 Abs. 2 enthaltene Verweis auf die Vorschriften der GoA.

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Daneben gelten die bei § 994 Abs. 1 bereits dargestellten Anspruchseinschränkungen nach §§ 994 Abs. 1 S. 2, 995 S. 2 analog.

BGH in BGHZ 44, 237 ff. Wie wir bereits besprochen haben, setzt der Ausschluss des Ersatzes der gewöhnlichen Erhaltungskosten voraus, dass dem Besitzer die Nutzungen verbleiben. Dies ist beim bösgläubigen bzw. verklagten Besitzer aber nur im Ausnahmefall des § 991 Abs. 1 möglich.

Expertentipp

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Achten Sie auch hier auf die erforderliche Inzidentprüfung der §§ 987 ff.!

Beispiel

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E hat dem M eine Wohnung vermietet. Dem M ist laut Vertrag die Untervermietung gestattet. Der Mietvertrag ist nichtig, was dem M ohne grobe Fahrlässigkeit unbekannt ist. M untervermietet die Wohnung an U, der von der Nichtigkeit des Mietvertrages zwischen E und M grob fahrlässig keine Kenntnis hat. Dem U erwachsen während der Mietzeit gewöhnliche Erhaltungskosten, von deren Erstattung er die Herausgabe der Wohnung an E abhängig macht.

E kann von M grundsätzlich die Herausgabe der Wohnung nach § 985 verlangen. Wegen Nichtigkeit des Hauptmietvertrages steht dem U gegenüber E kein abgeleitetes Recht zum Besitz i.S.v. § 986 Abs. 1 S. 1 2. Fall zu. Gemäß §§ 1000, 994 Abs. 2 kann U aber die Herausgabe von der Erstattung der Erhaltungskosten, welche notwendige Verwendungen sind, abhängig machen, falls ihm diese zu erstatten sind.

Analog § 994 Abs. 1 S. 2 sind ihm aber die gewöhnlichen Erhaltungskosten für die Zeit während der ihm die Nutzungen verbleiben, nicht zu ersetzen. Somit hängt die Erstattungsfähigkeit der Verwendungen des U davon ab, ob er dem E für die Nutzung der Wohnung nach §§ 990 Abs. 1 S. 1, 987 eine Vergütung zahlen muss. Die Voraussetzungen hierfür liegen grundsätzlich vor, da U als bösgläubiger Besitzer die Wohnung genutzt hat. Der Anspruch des E wird aber durch § 991 Abs. 1 eingeschränkt. Danach reicht die Bösgläubigkeit des U allein nicht aus. Vielmehr muss gleichzeitig auch M im Zeitpunkt der Nutzung der Wohnung durch U bösgläubig gewesen oder auf Herausgabe verklagt worden sein. Da dies nicht der Fall ist, verbleiben dem U die Nutzungen, so dass E ihm gem. § 994 Abs. 1 S. 2 analog auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten nicht ersetzen muss. U hat daher kein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 gegenüber dem Anspruch des E aus § 985.

cc) Bedeutung des partiellen Rechtsfolgenverweises auf die GoA

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§ 994 Abs. 2 enthält einen partiellen Rechtsgrundverweis auf die GoA. Er verweist nicht auf § 677, sondern nur auf die §§ 683, 684. Fremdgeschäftsführungswille des Besitzers ist daher nicht erforderlich.

Palandt-Herrler § 994 Rn. 8. Jedoch bedeutet der Verweis auf die §§ 683, 684 eine Einschränkung der Rechte des unredlichen bzw. verklagten Besitzers: Die Verwendungen müssen nicht nur objektiv notwendig (dies ergibt sich bereits aus § 994 Abs. 2) sein, sondern sie müssen auch zusätzlich dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Eigentümers entsprechen, um gemäß §§ 994 Abs. 2, 683, 670 ersatzfähig zu sein. Ist dies nicht der Fall, so ist der Eigentümer nach §§ 994 Abs. 2, 684, 818 ff. nur insoweit zum Ersatz verpflichtet, als er durch sie bereichert ist, insbesondere wenn er dadurch eigene Aufwendungen erspart hat.

Beispiel

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B ist unrechtmäßiger bösgläubiger Besitzer eines stark renovierungsbedürftigen Fachwerkhauses. Da der Dachgiebel einzustürzen droht, ordnet die zuständige Behörde die Vornahme geeigneter Sicherungsmaßnahmen an. B lässt den Giebel für 10 000 € reparieren. Eigentümer E beabsichtigt den Abriss des Hauses, obwohl dieser wirtschaftlich betrachtet, nicht erforderlich ist. Bis zum geplanten Abriss hätten vorläufige Sicherungsmaßnahmen ausgereicht, die einen Aufwand von 2000 € verursacht hätten.

Sind dem B die Reparaturkosten zu ersetzen?

B hat objektiv notwendige Verwendungen gemacht, da die Reparatur des Giebels der Wiederherstellung der Sache in ihrem bisherigen Bestand diente und ein Abriss des Hauses bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise objektiv nicht erforderlich ist. Als bösgläubiger Besitzer erhält er diese aber nach § 994 Abs. 2 nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 683, 684 ersetzt. Die Reparatur entsprach nicht dem tatsächlichen Willen des E, weil E das Haus abreißen lassen wollte. Aus Sicht des E war die Reparatur daher überflüssig. Eine Ersatzpflicht des E nach §§ 994 Abs. 2, 683, 670 scheidet daher aus. Doch E wäre auch aufgrund der behördlichen Anordnung bis zum Abriss zu vorläufigen Sicherungsmaßnahmen verpflichtet gewesen. Nach §§ 994 Abs. 2, 684, 818 ff. ist er daher verpflichtet, dem B die Kosten insoweit zu ersetzen, als er durch die Maßnahme des B bereichert ist. Dies ist in Höhe der Kosten von 2000 € der Fall, die sich E nunmehr erspart hat. E hat dem B daher die Kosten i.H.v. 2000 € zu ersetzen.

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Nach § 679 bleibt ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn – hier des Eigentümers – außer Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. In diesem Falle erhält der Geschäftsführer (hier der unrechtmäßige Besitzer) nach §§ 683 S. 2, 670 Ersatz seiner Aufwendungen (hier Verwendungen), die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte.

Hinweis

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Auf eine Bereicherung des Geschäftsherrn (hier des Eigentümers) kommt es dann nicht mehr an. In obigem Beispiel kam § 679 nicht zur Anwendung, weil zur Abwehr dringender Gefahr vorläufige Sicherungsmaßnahmen ausreichend gewesen wären.

167

Genehmigt im Falle des § 684 S. 1 der Eigentümer die Geschäftsführung, so kann der unrechtmäßige unredliche Besitzer gem. §§ 684 S. 2, 683, 670 ebenfalls Aufwendungsersatz verlangen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Eigentümer eigene Aufwendungen erspart hat und somit durch die Verwendungen des Besitzers bereichert ist.

Hinweis

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Der Gesetzgeber bedient sich der relativ komplizierten Verweisungstechnik in § 994 Abs. 2 zur Vermeidung von Wiederholungen. Verdeutlichen Sie sich zum Verständnis die dahinter stehende gesetzliche Wertung: Der bösgläubige, bzw. verklagte Besitzer ist, auch wenn er objektiv notwendige Verwendungen macht, nur eingeschränkt schutzwürdig. Entsprechen diese Verwendungen dem Willen des Eigentümers, muss dieser sie dem Besitzer ersetzen. Ist dies nicht der Fall, kommt es auf die Bereicherung des Eigentümers an.

b) Keine rechtsvernichtenden Einwendungen und Durchsetzbarkeit

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Hier kann auf die Ausführungen im Rahmen des Anspruchs aus § 994 Abs. 1 verwiesen werden.

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